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(picture alliance) Leni Riefenstahl bei den Olympischen Spielen in München 1972

Leni Riefenstahl - Hoffentlich wird sie nicht entnazifiziert

Bei den tragischen olympischen Spielen 1972 fotografierte die ehemalige Regisseurin Leni Riefenstahl im Auftrag der Londoner Zeitung "Sunday Times" in München. In Künstlerkreisen hat sie viele Fans. Es darf aber nicht vergessen werden, für wen Leni Riefenstahl einst gearbeitet hat

Nazi-Nostalgie ist gern bereit, der Bewegung Sinn für politische Symbolik zuzuschreiben. Aber ausgerechnet die Erfindung des Fackellaufs verdankt sich einem jüdischen Archäologen: Alfred Schiff. Der Sportbegeisterte war der olympischen Idee Baron de Coubertins von Anfang an verbunden. Schiff sprach Neugriechisch und wirkte sogar als Schiedsrichter bei der ersten Olympiade der Neuzeit in Athen 1896 mit. Dem Juden Schiff war 1933 die Stelle an der Berliner Hochschule für Leibesübungen gekündigt worden. Seine Idee wurde arisiert, indem man sie dem Sportfunktionär Carl Diem zuschrieb, der schützend die Hand über seinen Freund und Kollegen hielt.

Die Berliner Olympiade von 1936 unterstand Propagandaminister Joseph Goebbels, der den Empfang des Feuers aus dem fernen Olympia mit SA-Verbänden inszenierte. 3197 Kilometer hatte die Glut hinter sich, entzündet an der Sonne Hellas’ mit einem Brennspiegel von Zeiss, von 3331 Stafettenläufern in zwölf Tagen und elf Nächten nach Berlin getragen. Die Fackelschäfte, ausgetauscht bei jeder Etappe, waren geschaffen in Form eines Ölbaumzweigs aus Kruppstahl: Das Friedenssymbol war aus dem Stoff, aus dem auch die Instrumente der Massenvernichtung geschmiedet wurden.

Nicht überall waren die Läufer willkommen gewesen. Noch in Griechenland versuchten Mitglieder der kommunistischen Jugendorganisation OKNE erfolglos, ein Durchkommen des brennenden Symbols nach Deutschland zu behindern. Proteste gab es auch in Jugoslawien. In Prag gelang es einigen Aktivisten, die Fackel dem Läufer zu entreißen und auszulöschen.

[gallery:Nazis vor Gericht]

Solche Szenen sind in jenem Film nicht zu finden, der Mediengeschichte schreiben sollte: „Olympia: Fest der Völker, Fest der Schönheit“ von Leni Riefenstahl. Ihr Olympiafilm bildet einen frühen Höhepunkt von Berichterstattung als Dokusoap. Während der 16-tägigen Dreharbeiten waren 45 Kameramänner mit 30 Kameras dabei, rund 800.000 Meter Licht auf Zelluloid zu bannen. Einige Wettkämpfe wurden für den Film noch einmal nachgestellt. Während der anderthalbjährigen Arbeit am Schneidetisch verdichtete die Produzentin das Material auf 5151 Filmmeter: rechtzeitig, um an Adolf Hitlers 49. Geburtstag Premiere zu feiern und an den Filmfestspielen in Venedig 1938 den Preis des Goldenen Löwen abzuräumen.

Das Reproduktionsmedium greift nicht nur in das technische Material ein, sondern auch direkt in das Geschehen, das im Sinne der Botschaft reproduziert werden soll. So war die Ehre des Schlusslaufs zur Opferschale im Berliner Stadion dem Langstre­ckenläufer Fritz Schilgen zugefallen. Riefenstahl hatte den Sportler vorgeschlagen wegen seines „schwebenden Schrittes“. Der überschlanke Ephebe mit wallendem, blondem Deckhaar entsprach nicht den massigen Kraftmenschen im Stil von Arno Breker, sondern dem Wandervogel deutscher Jugendbewegung. Mit dieser Wahl zeigte sich der Wolf dem Weltpublikum ein letztes Mal im Schafspelz.

Das Olympiastadion in Berlin gehört zu den wenigen Großbauten der Nazizeit, die den Krieg unbeschadet überstanden haben. Seit 1966 steht es unter Denkmalschutz. Doch nicht nur die Entnazifizierung des steinernen Zeitzeugen verlief problemlos, auch der olympische Fackellauf, der 1936 seine Weltpremiere hatte, ist aus keiner Olympiade mehr wegzudenken.

Riefenstahl gewann in Künstlerkreisen viele Bewunderer, unter ihnen Jean Cocteau, Mick Jagger und David Bowie. Schon Susan Sontag wandte sich deswegen in ihrem Essay „Faszinierender Faschismus“ gegen die um sich greifende „Rehabilitation Riefenstahls als unbezwingbare Priesterin des Schönen“. Einen klaren Blick auf die Berliner Olympiade hatte auch Walter Benjamin, als er vor der „Ästhetisierung der Politik“ warnte. Wer Riefenstahl als Popikone verharmlost, verwechselt Kunst mit Werbung. Herrscherlob ist eine Aufgabe, der die Kunst seit der Moderne entwachsen ist. 

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