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Legal Highs - Dann lieber kiffen

Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Von einer Entkriminalisierung der Cannabiskonsumenten ist man weit entfernt. Dass das Verbot von Cannabis falsch ist, zeigt der steigende Konsum der gefährlichen Legal Highs

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Irgendwann ließ ich das mit dem Kiffen sein, das Ganze ging mir mächtig auf den Geist. Vor allem als es regelrecht zum Zwang wurde, für das allabendliche WG-Sit-In etwas zu Rauchen zu haben, als Freunde Kurztrips ins zwei Autostunden entfernte Kempten organisierten, weil es dort einfacher war, an Gras oder Haschisch zu kommen. Die streng reglementierte Studentenstadt Augsburg aber stand unter der Fuchtel einer bayrischen Polizei mit dem Auftrag, eine Null-Toleranz-Politik durchzusetzen.

Nach dem Studium zog ich weg, ins ferne Berlin. Und während ich dort in diversen Parks den herumstreunenden Dealern bei ihrem täglichen Geschäft zuschauen konnte, bildeten sich in Augsburg lange Schlangen vor einem kleinen Rauchwarenladen in der mittelalterlichen Wintergasse. Hier wurden die ersten Päckchen Spice verkauft, einer Räuchermischung mit synthetischen Cannabinoiden, die als Ersatz für das schwer erreichbare Marihuana herhielten. Auch mein Freund B. begann, dort einzukaufen.

Irgendwann gab es keine Schlangen mehr in der Wintergasse, dafür blühte der Internethandel mit den Drogen, die als Duftstoffe oder Badesalze verkauft wurden.

Wechselnde Zusammensetzung erschwert Gesetzesänderung
 

Jene psychoaktive Substanzen, aus neuartigen Forschungschemikalien und synthetischen Cannabinoiden zusammengemixte Mittelchen, deklarieren die Hersteller als „Nicht zum menschlichen Verzehr geeignet“ und sind damit aus dem Schneider. Sie verkaufen die Drogen legal in ständig veränderter Zusammensetzung, ohne die genaue Wirkung zu kennen. So changieren die Erfahrungen der User je nach Zusammensetzung zwischen harmlosen Rauschzuständen, die der Wirkung eines Joints ähneln, sie können aber auch psychotische Schübe oder Herzrasen auslösen, legen die Verdauung lahm und schädigen Nieren oder Leber. Alles ist drin bei den Tütchen, die unter Namen wie Explosion verkauft werden.

Dabei kommen sie auf den ersten Blick harmlos daher. Gerade Haschischkonsumenten nutzen die Droge, weil sie billiger ist, leichter zu bekommen und vor allem im restriktiven Bayern einen schlagenden Vorteil hat: Sie ist mit den bisherigen Testmethoden bei Polizeikontrollen nur schwer nachweisbar. Durch die wechselnden Zusammensetzungen kommt kaum eine Gesetzesänderung hinterher. Gerade versucht der Bundesgerichtshof einmal mehr, mit neuen Grenzwerten der Gefahr Herr zu werden. Erfolglos, glaubt man den Experten auf diesem Gebiet.

Am Telefon hatte ich vor einigen Tagen meinen Freund B. aus alten Studientagen. So manche Diskussionsrunde hatten wir gemeinsam am Joint gezogen. Nun erfuhr ich, dass die Legal Highs aus ihm einen schwitzenden, zitternden Abhängigen gemacht hatten. Die Entzugserscheinungen von denen er berichtete, stimmten mit denen überein, die andere Konsumenten in einschlägigen Foren beschreiben. Viele von ihnen sind vom Cannabiskonsum auf die legalen Rauchwaren umgestiegen und berichten nun von Krampfanfällen, von Zusammenbrüchen, schmerzenden Organen und davon, in ihrer eigenen Kotze aufgewacht zu sein.

Bayern begünstigt Legal-High-Geschäft
 

Wer Drogen nimmt, ist zuerst einmal selbst Schuld. Klar. Aber B. ist sich sicher: Die bayrische Drogenpolitik spielt den Verkäufern der Legal Highs in die Hände: „Würde ich in Berlin leben, ich hätte diesen Dreck nie genommen.“

Günther Beckstein, 2008 noch Ministerpräsident des Freistaats, formulierte es damals so: „Wir brauchen keine prohibitionsähnlichen Maßnahmen, sondern einen verantwortungsbewussten Umgang (...) das muss jeder Erwachsene für sich selbst frei entscheiden können.“

Kluge Worte. Leider betrafen sie nur den Alkohol. Von einer Entkriminalisierung der Cannabiskonsumenten dagegen ist man weit entfernt. Und so wird der Bedarf an Legal Highs weiter aufrechterhalten. Ein Bombengeschäft.

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