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Umstrittener Kunstverkauf - Warhol gehört in eine Spielbank

Nordrhein-Westfalen will zwei Bilder des Popartisten Andy Warhol verkaufen und in die Sanierung seiner Casino-Gesellschaft stecken. Die Kunstbetrieb ist in Aufruhr, der Deutsche Kulturrat fürchtet einen Präzedenzfall. Kein Grund zur Panik

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Die gute Nachricht zuerst: Andy Warhol bleibt im Casino. Den 1987 verstorbenen Künstler, der es zu Lebzeiten geliebt hatte, das Gleiche immer und immer wieder zu machen, mag das vielleicht nicht mehr interessieren. Doch es gibt heutige Menschen, die wird das freuen. Menschen, die in den letzten Tagen das Auratische der seriellen Kunst entdeckt haben wollen. Für die scheint die Sache sonnenklar: Warhol gehört in eine Spielbank! Und eigentlich ist das auch vollkommen logisch: Wohin sonst passte dieser Künstler mit seinen transsilvanischen Familienwurzeln besser als an den Ort der Blutsaugerei? Das Entsetzen der nordrhein-westfälischen Oppositionsparteien über den angekündigten Verkauf zweier Warhol-Bilder durch den Casino-Betreiber WestSpiel mag da also durchaus verständlich gewesen sein. Das Gleiche ist schließlich nicht dasselbe; Warhol in irgendeiner Kunstsammlung dieser Welt sei nicht mehr der Warhol aus dem Casino.

Doch die beiden Bilder „Triple Elvis“ und „Four Marlons“, die die Spielbank Aachen Ende der 1970er Jahre für rund 290000 D-Mark erworben hat und die nun für prognostizierte 130 Millionen Dollar bei Christie‘s unter den Hammer kommen sollen, bleiben vorerst dort, wo sie hingehören: im Casino. Sie wechseln nur die Stadt. Von der Spielbank in Aachen wandern sie in ein Kunst-Casino in New York. Von WestSpiel zu Christie's. Andy Warhol wäre entzückt gewesen. In Abwandlung eines seiner berühmten Zitate hätte er vielleicht so reagiert: „Das Schönste in Aachen ist ein Casino, das Schönste in New York ist ein Casino. Peking und Paderborn haben noch nichts Schönes.“

Warhol hätte nichts gegen Dekor gehabt
 

Im Ernst: Was soll das Gemeckere allerorten über den Verkauf zweier hochwertiger Werke der Nachkriegskunst, die jeder Kulturinteressierte überall vermutet hätte, nur nicht in einem Casino in Aachen? Wer in Aachen bis dato moderne Kunst sehen wollte, der ging in den Neuen Aachener Kunstverein oder ins Suermondt-Ludwig-Museum, sicherlich aber nicht an den Black-Jack-Tisch im Neuen Kurhaus.

235 Kunstwerke in Gesamtschätzwert von sechs Millionen Euro soll WestSpiel, eine Tochter-Gesellschaft der landeseigen NRW Bank, derzeit in der Sammlung haben. Wenn sie nicht – wie die nun zur Diskussion stehenden Warhols – im Safe gelagert oder – wie jener vor Jahren beschädigte Monroe-Druck – mit einer Tapete verwechselt worden sind, dann hängen sie in den acht Casinos der Gesellschaft als schmuckes Dekor. Warhol, dieser Gebrauchsgrafiker aus Pittsburgh, hätte nichts gegen Dekor gehabt. Doch 26 nordrhein-westfälische Museumsdirektoren, die jüngst einen Brandbrief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) geschrieben haben, scheinen anderer Meinung zu sein. Ihre Postwurfsendung liest sich stellenweise, als wäre Glücksspiel kulturelle Bildung mit anderen Mitteln. Bacon oder Baccara, Poker oder Polke – solange die Wettmittelfonds der Lotterien und Spielbanken für neue Ausstellungsprojekte munter fließen, will man sich am wahren Casino-Kapitalismus nicht die Finger schmutzig machen.

Doch hier liegt das Problem: Die Mittel fließen nicht mehr. WestSpiel hat alleine im Geschäftsjahr 2010 vier Millionen Euro Verluste gemacht. Die Spielbank in Aachen ist renovierungsbedürftig. Und genau deshalb gehört Andy Warhol ins Casino; aber nicht in Aachen, sondern in Manhattan, New York. Wer in Düsseldorf immer noch glaubt, die Kunst sei ein dem Geld ganz enthobener, idyllischer Ort irgendwo in Arkadien, der hat die Botschaft Andy Warhols nicht kapiert.

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