Schauspielerin Julianne Moore in Berlin
Julianne Moore im Februar 2016 auf der Berlinale / picture alliance

Kino - „Nicht jede Frau ist eine Superwoman“

Heute läuft „Maggie’s Plan“ mit Schauspielerin Julianne Moore in unseren Kinos an. Im Interview spricht die Oscar-Preisträgerin über ihre Jugend in Frankfurt und erklärt, warum sie bei Rollen nicht nach starken Frauenfiguren sucht

Autoreninfo

Dieter Oßwald studierte Empirische Kulturwissenschaft und schreibt als freier Journalist über Filme, Stars und Festivals. Seit einem Vierteljahrhundert besucht er Berlinale, Cannes und Co. Die lustigsten Interviews führte er mit Loriot, Wim Wenders und der Witwe von Stanley Kubrick.

So erreichen Sie Dieter Osswald:

Julianne Moore ist eine der vielseitigsten Schauspielerinnen Hollywoods. Zu ihren Filmen gehören ambitionierte Werke wie „The Hours“ oder „Dem Himmel so fern“, für die sie Oscarnominierungen erhielt. Doch auch für Kassenschlager wie „Hannibal“, „Jurassic Park“ oder „Evolution“ ist sich die Schauspielerin nicht zu schade. Für ihre Rolle einer an Alzheimer erkrankten Professorin in „Still Alive“ bekam Moore im vorigen Jahr den Oscar. Nun kommt die in Frankfurt aufgewachsene Darstellerin mit der Komödie „Maggies Plan“ in die Kinos. Regie führte Rebecca Miller, die Tochter von Schriftsteller Arthur Miller.

Frau Moore, führen wir das Gespräch auf Hessisch?

Moore: Leider nicht. Wenn man aus der Übung kommt, vergisst man alles sehr schnell wieder. Ich habe zweieinhalb Jahre in Frankfurt gelebt, als mein Vater bei der US-Armee war. Dort habe ich auch meinen Schulabschluss auf einer Highschool gemacht. Meine Schwester studierte danach in München, ich kehrte zurück nach Amerika.

Wie die Mutter Ihrer Figur in „Maggies Plan“ war auch Ihre Mutter Ausländerin. Konnten Sie sich in der Rolle wiederfinden?

Die Mutter von Georgette stammt aus Österreich, meine Mutter kommt aus Schottland. Ich kenne also das Gefühl sehr gut, wenn ein Teil der Eltern aus dem Ausland kommt, was für die anderen Kinder immer ein wenig seltsam wirkte. Nicht nur, weil meine Mutter mit einem Akzent sprach, auch ihre Kleider sahen etwas anders aus und sie hat zudem noch rote Haare. Als ich aufwuchs, hatte niemand rote Haare, nur meine Mutter, mein Bruder und ich.

Wie wichtig ist es, dass Sie die Figuren, die Sie spielen, auch sympathisch finden?

Man muss die Figuren nicht unbedingt mögen, um sie zu spielen. Das beste Beispiel dafür ist Havana Segrand in der Hollywood-Satire „Maps to the Stars”, das war eine ziemlich unsympathische Frau, die ich wirklich nicht sehr mochte. (Lacht) An meiner aktuellen Rolle gefällt mir, dass sich diese Frau nicht versteckt. Bei Georgette weiß man immer sehr genau, woran man ist. Sie besitzt eine großartige Persönlichkeit und ist zudem sehr exzentrisch. Ich mag Georgette ausgesprochen gern.

Müssen Schauspieler nicht ebenfalls exzentrisch sein?

Nein, ich glaube nicht, dass man besonders exzentrisch sein muss, um als Schauspieler zu arbeiten. Wer möchte, kann das sein, aber es ist keine Voraussetzung für diesen Beruf. Mein Leben und meine Arbeit sind zwei unterschiedliche Dinge. Je älter ich werde, desto mehr liegt mir daran, authentisch zu sein und meinem eigenen Ich treu zu bleiben. 

Wann wird eine Figur für Sie als Rolle interessant?

Ich werde oft gefragt, welche Rollen ich spielen will, aber darauf habe ich gar keine Antwort. Es kommt für mich darauf an, wie eine Figur geschrieben ist. Ich kann eine Rolle nicht aus dem Nichts entwickeln, sondern verlasse mich auf das Drehbuch. Die vermeintlich großen Freiräume in der Figurenentwicklung möchte ich gar nicht. Ich brauche als Grundlage eine Geschichte und eine Sprache, die mir eine Richtung vorgeben. Ohne diese Basis könnte ich eine Figur nicht spielen. 

Spielen Sie lieber Komödien oder Dramen?

Beide haben ganz unterschiedliche Herausforderungen, obwohl man sowohl im Drama als auch in der Komödie nach der Wahrheit sucht. Manchmal finde ich eine Komödie schwieriger, weil ich nie weiß, ob ich wirklich lustig bin. Am Set kann ja keiner lachen, weil es ruhig sein muss. Selbst wenn dann mal einer lacht, bin ich mir nie sicher, ob es nicht aus Mitleid war. (Lacht)

Wie sehr interessieren sich Ihre Kinder für Ihre Filme?

Eigentlich sind ihnen meine Filme ziemlich egal. Welche Teenager interessieren sich schon dafür, was ihre Mutter macht? Für meinen 18-jährigen Sohn zählt vor allem seinen Musik.

Was ist Ihr Rezept für eine funktionierende Beziehung?

Wenn Leute sagen, man müsse für eine Beziehung arbeiten, schreckt mich das immer ein bisschen ab. „Arbeit“ klingt nicht besonders angenehm. Meine Ehe verbinde ich eher mit Vergnügen als mit Arbeit. Natürlich bedarf es gewisser Anstrengungen. Man muss auf seine Kommunikation achten, muss genügend gemeinsame Zeit verbringen – sich aber auch gegenseitige Freiräume gönnen.

Was ist die wichtigste Eigenschaft, die man als Schauspieler benötigt?

Empathie! Man muss sich in die Gefühle seiner Figur hineinversetzen können, um ihr Verhalten zu verstehen und plausibel darzustellen.

Die Rolle der Frauen im Filmgeschäft wird seit den Oscars wieder viel diskutiert. Sehen Sie Veränderungen am Horizont von Hollywood aufziehen?

Die Leute reden immer über starke Frauenfiguren. Es geht gar nicht darum, ob es starke Figuren sind oder nicht. Nicht jede Frau ist eine Superwoman. Ich suche keine starken Figuren, ich suche nach Figuren. Aber ob es im Moment eine Veränderung gibt? Es findet auf jeden Fall eine Diskussion statt. Nicht nur in Hollywood. Ich habe vor ein paar Tagen zufällig CNN geschaut. Da gab es eine Diskussion über Frauen in der Unternehmenswelt. Es ging um das Beispiel Norwegen, die Frauenquote und Ausbildungsprojekte für Mädchen. Das Problem betrifft uns alle, es geht also darum, das System als Ganzes zu verändern.

Wie groß ist der Konkurrenzkampf in Hollywood?

Ich hatte sehr viel Glück mit meiner Karriere. Ich fand immer Rollen, die mir gefielen und traf Kollegen, mit denen ich gerne gearbeitet habe. Aber das Filmgeschäft ist schwierig für alle, die darin arbeiten: Es gibt viele talentierte Leute und nur wenig gute Jobs. Jeder lebt hier mit dem Gedanken, dass morgen alles vorbei sein könnte und man keine Angebote mehr bekommt. Umso wichtiger ist es, dass man seine Arbeit nicht nur gut, sondern zugleich gerne macht – und möglichst nicht ins Grübeln verfällt. 

Wo haben Sie Ihren Oscar aufbewahrt?

Ganz banal, zuhause in meinem Büro.

Frau Moore, vielen Dank für das Gespräch.

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