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(picture alliance) Kinder kosten uns Flexibilität

Scheidungen - Kinder, werdet schnell erwachsen!

Sich scheiden zu lassen, ist längt kein Tabu mehr. Die Ehe wird für uns Menschen zum seriellen Bestandteil eines immer flexibleren Lebens. Eines aber stört in diesem modernen Lauf der Dinge: unsere Kinder

Bald ist es geschafft, mein erstes Jahr Ehe. Das ist mehr als zum Beispiel Pamela Anderson (vier Monate) und Britney Spears (zwei Tage) von sich behaupten können. Aber wer will sich schon mit denen vergleichen. Auf der anderen Seite liegen sie natürlich voll im Trend mit ihren Kurzzeitehen.

Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden, das Statistische Bundesamt zählt 190000 gerichtliche Scheidungen im Jahr. Da beruhigt es auch nicht sonderlich, dass die Ehen auch heute noch in den meisten Fällen durch den Tod des Partners „gelöst“ werden, wie es heißt.

In Japan liegt die Statistik ähnlich, seit der Katastrophe von Fukushima sind die Zahlen noch einmal drastisch gestiegen. Scheidungen werden dort mittlerweile auf „Scheidungspartys“ gefeiert, wie Jürgen Hahnefeld in einer Reportage berichtet. Die Ringe werden unter Gejohle mit einem Hammer zertrümmert, Wünsche für die rosige Single-Zukunft halten die Gäste in einem Scheidungsbuch fest. Die Kandidaten hätten „sich geirrt“, wie sie sagen. Bei der nächsten Ehe will die japanische Ex-Frau eher an „so etwas wie Familienglück denken und nicht so sehr an den Job“.

„Weise Idee!“ möchte der Zyniker ihr über die Kontinente zurufen. Aber nicht nur in Japan verkommt dieses Familienglück zur Rarität, die über zerbrochenen Ehen, von Elternteilen getrennten Kindern und Patchwork-Lügen verloren geht. Der Scheidungsakt an sich ist längst kein Tabubruch mehr. Wer bei Google nach dem Wort sucht, dem präsentiert das Netz ein Bombardement „günstiger Online-Scheidungen“, „schnell und unkompliziert“, „fachmännisch begleitet“ und „mit Sicherheit direkt ans Ziel“.

Eine biologische Veränderung ist mit dem Tier „Mensch“ im Gange. Einst war der Mensch eine Spezies,  die man zumindest in unserer sogenannten westlichen Welt mit Fug und Recht als monogam bezeichnen konnte, die – zumindest im sozialen Bereich – mit ihrem Partner ein Leben lang zusammen blieb. Doch mittlerweile entwickelt sich dieser zusehends zum seriellen Monogamisten. Anders als Seepferdchen, Papagei und Gibbonäffchen, die ihren Partner für ein Leben lang erwählen, die ihren Nachwuchs gemeinsam großziehen, setzen wir seit einigen Generationen einen Teufelskreis in Gang.

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Dabei geht es nicht um Seitensprünge, die hat es immer gegeben – auch bei den hochgelobten monogamen Tierarten. Es geht darum, sein Leben trotz Höhen und Tiefen gemeinsam zu verbringen, egal was geschieht – und diese Sicherheit auch weiter zu vermitteln. Denn unsere Kinder lernen daraus. Neue Beziehungsmodelle halten Einzug in ihre Lebenswirklichkeit. Desillusionierte Mütter und Väter verbreiten Erkenntnisse wie diese: „Männer und Frauen passen nicht zusammen!“, „Nach drei Jahren ist aus einer Beziehung die Luft raus.“ Auf den Spielplätzen tummeln sich die Scheidungskinder. Der Wohnungsmarkt kann sich dem Ansturm der Väter kaum erwehren, die Single-Wohnungen in der Nähe ihrer Sprösslinge suchen, die meist eben immer noch bei Mama leben.

Es wäre schön, könnten sich die Menschen von den meist monogamen Pinguinen wieder etwas abgucken. Bei ihnen watscheln die Kinder aus dem Haus bevor sich die Eltern trennen. Das Pinguinpaar zieht mehrere Nachkommen nacheinander groß.

Wir Menschen aber tendieren immer mehr zu einer Ehe für jeden Lebensabschnitt. Die  Nester für unsere Kinder sind nicht besonders beständig. Sie trotzen gerade mal dem ersten Hagelsturm, dann sind die ersten Löcher da. Geflickt werden sie nur notdürftig. Flexibilität ist alles. Wir sind Meister im Auswechseln: Den Job, den Ort, die verschlissenen H&M-Klamotten, das Bett von Ikea – und eben auch den Ehepartner, der darin liegt.

Was bleibt, sind die Kinder. Denn die brauchen nun einmal knapp 20 Jahre, bis sie in die freie Wildbahn entlassen werden können – unflexibel wie sie sind.

Oder doch nicht? Seit einigen Jahren beobachten Eltern sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa, dass die Pubertät ihrer Kinder immer früher einsetzt. Im Schnitt sind es schon fast fünf Jahre. Während die Mädchen einst mit 17 zum ersten Mal ihre Periode bekamen, geschieht das heute schon mit zwölf. Der Busen der kleinen Amerikanerinnen beginnt bereits mit neun Jahren zu wachsen. Wissenschaftler auf der ganzen Welt geben munter Theorien von sich: Es läge an der Ernährung, zum Beispiel an den Weichmachern in Plastikflaschen, sagen die einen. Die Welt würde lauter, greller, bunter. Da mache der Körper einen Sprung in Richtung Fortpflanzung, um sich schneller zu reproduzieren, sagen die anderen.

Vielleicht liegt die Antwort aber woanders. Vielleicht passt sich der kindliche Organismus verzweifelt seinen sprunghaften Eltern an. Um diese möglichst schnell wieder in ihre Freiheit zu entlassen, nachdem das Nest unter ihrem Hintern weggebröckelt ist.

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