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(picture alliance) Frisch gedruck: Kinder- und Jugendliteratur 2012

Kinder- und Jugendliteratur - Guter Rat vom Date-Coach

Jugendlichen Geschichten übers Netz erzählen zu wollen, kann ziemlich schiefgehen – aber auch klappen

Im Kinderkrimi gehört es zum Stammpersonal: das kleine Computergenie, dem keine Firewall zu hoch, kein Passwort sicher genug und keine Information zu abgelegen ist und das über Nacht dem Internet alle nötigen Informationen entlockt, die den jungen Detektiven bei ihren Ermittlungen fehlen. Wie hat der Schlaumeier das nur wieder hingekriegt? Der Leser erfährt es nie, und man muss annehmen, dass auch die meisten Autoren keine Ahnung haben, wie all die geheimen Daten eigentlich zu ergattern sind. Im Jugendbuch wird das Internet dann vollends zum Problem: Als Medium ist es aus dem Alltag Heranwachsender nicht wegzudenken, und das hat Folgen, sowohl fürs Erzählte selbst als auch für dessen Leser. Nur selten treffen die Bücher den Ton entspannter Selbstverständlichkeit – und ebenso selten den Kenntnisstand der Jugendlichen. Dagegen stützen sie aber gern die Vorbehalte der Elterngeneration.

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Unterstützt vom Schriftsteller Daniel Oliver Bachmann hat Julia Kristin das Buch «Online fühle ich mich frei» geschrieben (Arena, Würzburg 2012. 128 S., 7,99 €). Es ist auf das Thema Internetsucht getrimmt, bleibt aber gerade in der Schilderung der manchmal fatalen Anziehungskraft des Netzes pauschal. Dass die Protagonistin ihr wirkliches Leben vernachlässigt, kommt hier kaum vor. Und letztlich erfolgt sogar ihre Rettung durch das Netz – durch dessen Möglichkeiten, zu kommunizieren und Kontakte zu pflegen. Gegen ihren Adoptivvater hatte die junge Frau zunächst ihren Berufswunsch durchgesetzt: Personenschützerin. Ein Kreuzbandriss aber macht dieser Karriere ein jähes Ende, und wenig später erfährt sie, dass sie Krebs hat – es sind schreckliche Schicksalsschläge, von denen Julia Kristin erzählt. Doch hängt kein einziger von ihnen mit exzessivem Internetgebrauch zusammen: der Verlust von Job und Freunden nicht, ebenso wenig das Cybermobbing. Im Gegenteil: Ihre Kontakte im Netz fangen die junge Frau auf, von ihrem ersten Job nach der Verletzung erfährt sie in den sozialen Netzwerken, die Leute aus der Krebs-Reha bleiben über eine Facebook-Gruppe in Kontakt, und sogar ihren späteren Ehemann lernt Julia hier kennen. Die Gefahren übermäßiger Netznutzung bleiben daneben blass. «Ich werde von meinem Computer aufgefressen», heißt es gleich zu Beginn des Buchs. «Er ist wie eine Droge, manchmal aber auch wie eine Krankheit.» Behauptet ist dies schnell, beschrieben aber wird es hier gar nicht.

In «Schlaf, Kindlein, schlaf» inszeniert Caroline Ørsum das Netz mit größerem Geschick (Kosmos, Stuttgart 2012. 160 S., 10,99 €). Auf Facebook wird eine neue Schulfreundin, die gern feiert und trinkt, auf einem Foto des Nutzers «Partyboy» markiert: auf einem Sofa, mit halbgeschlossenen Augen, in Unterwäsche. Noch bevor sie das Foto sperren lassen kann, hat es schon die Runde gemacht, Majse traut sich nicht mehr in die Schule, aber auch nicht zur Polizei: Wen sollte sie schon aus welchem Grund anzeigen? Hat sie sich das Ganze nicht eigentlich selbst zuzuschreiben? Es ist ihre neue Freundin Liv, die Majse hilft, ihre Scham zu überwinden. Sie findet heraus, dass Majses Absturz kein Einzelfall ist, und wird schließlich selbst beinahe zum Opfer, bevor sie mit ihren Freunden Mateus und Nick den Täter überwältigt. Daneben ist in diesem Buch auch noch Platz für altersgemäße Auseinandersetzungen mit den Eltern und für Stolperschritte im Graubereich zwischen Freundschaft und Liebe. Nur eines passt hier zum Glück nicht mehr hinein: der erhobene Zeigefinger.

In «Date me if you can» erzählt Manfred Theisen von den emotionalen Wirrungen des jungen Julian in einer Geschichte, die auch als Flirt- Ratgeber funktioniert (Sauerländer, Mannheim 2012. 240 S., 12,99 €). Mit seinem besten Freund Benedikt wettet der 17-Jährige, dass er die Schulschönheit erobern kann. Benedikt war vor Jahren mit ihr zusammen und wäre es immer noch gern, Julian lässt sich sicherheitshalber von einem «Datedoc» coachen, der Psychologiestudentin Spliff. Die «lauert im World Wide Web, bei Facebook, Twitter, friend-scout24. de und Planet Liebe, um die Liebenden in freier Wildbahn zu erforschen». Sie erklärt die Geheimnisse der Liebe kühl als Zusammenhang von urmenschlichen Überbleibseln und Hormonausschüttungen, verliebt sich dann aber gegen ihren professionellen Vorsatz selbst in Julian.

Vor dem Showdown sind einige Verwicklungen zu meistern, für Klamauk sorgt vor allem Spliffs Mutter, die als Therapeutin auf Marihuana schwört. Die Stärke des Buches liegt in der Genauigkeit, mit der das Nebeneinander von Großspurigkeit und Scheu, Verspieltheit und großem Gefühl ins Bild gesetzt wird, das die erste Liebe ausmacht. Websites erklären das Einmaleins des Datings, in Chats holen sich die Verliebten Trost und Rat, Smartphone-Apps nennen den richtigen Zeitpunkt zum Händchenhalten. Das wird hier nicht gewertet. Es ist einfach da, wie im richtigen Leben.

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