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Bjarne Mädel - „Kiffen ist nicht so mein Ding“

Bjarne Mädel gilt vielen als Heilsbringer des trocken-norddeutschen Humors, sein Tatortreiniger Schotty avancierte zum Kult. Ein Gespräch über verpennte deutsche Serien, die Entwertung des Grimme-Preises und das Problem, wenn der eigene Film-Charakter nervt

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Zum Interview am Telefon erscheinen beide Interviewpartner schwer verschnupft. Bjarne Mädel entschuldigt sich für seine Verspätung. Er befindet sich in einem  Hotelzimmer in Köln, wo gerade der neue Stromberg-Film gedreht wird

Herr Mädel, für den neuen Stromberg-Film haben Fans eine Million Euro per Crowdfunding zusammen gebracht, bei Facebook hat der Tatortreiniger 67.500 Fans. Fühlen Sie sich als Volksheld?
So etwas wie diesen Kult um den Tatortreiniger, der da bei Facebook entstanden ist, kann man ja nicht planen. Aber der NDR hat sich das sicher gewünscht: etwas Kleines zu machen, ein bisschen schräg, nicht ganz korrekt, möglichst billig und cool, so nebenbei. Woran es liegt, dass das jetzt geklappt hat – ich weiß es nicht. Aber mit Autorin, Regie, Kamera und Musik passt da schon eine Menge zusammen. Das ist überhaupt der Luxus: Dass ich Sachen mache, die ich selber größtenteils gut finde.

Sie sind also nicht enttäuscht, dass der NDR die Sendung unter der Woche nach 22 Uhr versendete?
Ach, mittlerweile ist da die Friedenspfeife geraucht. Außerdem hat uns dieser Aufschrei um die Sendezeit zu Beginn sicher auch wahnsinnig geholfen. Es hieß: Mensch, die haben da was Tolles, wieso zeigen sie es nicht? Dadurch bekam das Format sehr viel Aufmerksamkeit. Dem NDR fehlt einfach ein fester Serienplatz. Aber es gibt ganz viele beim Sender, die stolz sind auf den Tatortreiniger und versuchen, uns gut zu programmieren. Und wir dürfen ja auch weiter machen. Zwei Folgen haben wir Ende letzten Jahres gedreht. [gallery:Pferdefleisch und Pillen-Panik – Die Karikaturen der Woche]

Dittsche hat am Sonntag seinen festen Sendeplatz…
Ja genau. So etwas wünschen wir uns. Und wir wünschen uns natürlich auch sehr, dass sich die ARD noch einmal zu Heiko Schotte bekennt. Das wäre toll.

Sie waren neulich Abend bei Dittsche zu Besuch. Die Improvisation gestaltete sich ein bisschen schwierig. Sie sagten einmal, Sie wollten daran glauben, dass Lakonie machbar sei, dass alles ganz leicht wirken müsse. Merken Sie sofort, wenn das nicht klappt?
In dem Fall hab‘ ich es sofort gemerkt. Das hätten wir vielleicht besser koordinieren müssen. Ich hatte mir gewünscht, dass der Tatortreiniger als normaler Mensch und nicht wie eine Figur oder wie ein Promi auftritt. Ich wollte, dass Schotty von der Arbeit kommt, sich eine Wurst zieht und dann wieder geht. Olli (Dietrich) wollte einen Grund haben, warum ich zum ersten Mal im Imbiss essen komme und so war der Tatort um die Ecke. Ingo kannte ich aus der Schule. Und dann war auch noch Schildkröte nicht richtig eingeweiht. Der sagte gleich als ich reinkam: „Ah, guck mal an, er hier so.“ Dabei sagt der eigentlich nie etwas! Olli mag ja auch die Reduktion und ich glaube, wenn wir den Besuch wiederholen könnten, dann würden wir alle weniger machen bzw. nicht versuchen, zu viel draus zu machen. Aber für mich als Dittsche-Fan war das sowieso eine große Ehre, bei Ingo reinstolpern zu dürfen.

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Sie haben im Tatortreiniger einen Nazi ziemlich intelligent vorgeführt. Normalerweise ist Heiko Schotte nicht so politisch.
Wir haben uns dazu sehr viele Gedanken gemacht. Der Regisseur Arne Feldhusen und ich hatten ziemliche Bedenken, diesem eloquenten Nazi so eine Plattform zu bieten. Und zu zeigen, dass Schotty, der kein Abitur hat, der z.B. von der französischen Revolution und dem Algerienkrieg nicht viel weiß, dem nichts entgegenzusetzen hat. Und dann dachten wir: Das ist aber die Realität. Da kann Schotty nur mit seinem Bauchgefühl kontern. Wie unsere Autorin ihn seinen Kampf dann am Ende gewinnen lässt, ist tatsächlich sehr intelligent.

Sie empören sich oft darüber, wenn Ihre Charaktere in einen Topf geschmissen werden, obwohl sie zum Beispiel für Schotty hungern, für Dietmar Schäffer dick werden und die Figuren sowieso ganz unterschiedliche Männertypen seien. Aber Sie sind sich auch ähnlich als moralische Instanzen, entwaffnend in ihrer Naivität.
Ja, es sind alles herzensgute Menschen, wenn man so will. Ich hab‘ darüber auch nachgedacht: Die sagen echt, was sie denken. Das ist vielleicht das Besondere. Ernie ist zwölf Jahre alt, gefangen in einem Erwachsenenkörper, Schotty ist ein Macho und der Schäffer ist der gemütliche Spießer vom Lande. Aber die sind nicht falsch, nicht hintenrum. Das kommt alles ziemlich pur aus ihnen raus. [gallery:Pferdefleisch und Pillen-Panik – Die Karikaturen der Woche]

In dem britischen Kinofilm „Sightseers“, der diesen Donnerstag in die deutschen Kinos kommt, synchronisieren Sie gemeinsam mit Anke Engelke ein britisches Killerpärchen…
Ich hab‘ so eine Synchronisation noch nie gemacht und sagte, wir können es mal ausprobieren. Erstens, weil ich den bösen schwarzen Humor und den Stil des britischen Originals sehr mochte und zweitens, weil ich die Anfrage an mich sehr mutig fand und mich die Herausforderung gereizt hat. Ich fand es dann wahnsinnig schwer, authentisch und lippensynchron zu sprechen. Zum Glück hatte ich mit Anke eine super Kollegin an meiner Seite. Ein Vollprofi am Mikro.

Sie haben vor zwei Jahren einen Gedichtband herausgebracht. Wie läuft die Karriere in dieser Richtung? Schreiben Sie noch?
Im Moment fällt mir überhaupt nichts mehr ein. Ich hab‘ das Gefühl, bei mir reimt sich jetzt nicht mehr so viel zusammen. Immerhin hab ich da jetzt so ein kleines Buch im Regal und kann sagen: „Mama guck mal, war doch nich’ alles umsonst.“

Bei Ihrem ersten Reim – „Is ja kindisch, ich sitz‘ in Thailand und ess‘ indisch.“ – Hatten Sie da eigentlich gekifft?
Nee, ich glaube, ich war damals einfach so tiefenentspannt, ohne Drogen. Kiffen ist nicht so mein Ding. Ich kann mich da immer nicht mehr bewegen und auch nicht mehr so gut denken.

Ihre Mutter ist wohl sehr anspruchsvoll. Nach einem albernen Kurzauftritt in einem Mallorca-Film war sie ziemlich geschockt. Gibt es da eine Erwartungshaltung, die Sie unter Druck setzt?
Das kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Meine Eltern sind heute beide wahnsinnig stolz und froh für mich, dass ich nach dem ganzen Rumgedödel mit 24 die Schauspielschule begonnen habe. Sie haben gemerkt, mit welcher Leidenschaft ich diesen Beruf lebe. Sie hätten nur nicht gedacht, dass ich davon eines Tages tatsächlich leben kann. Meine Mutter mag eben Theater und würde mich gern wieder öfter auf der Bühne sehen und findet dann einige Sachen im Fernsehen ein bisschen flach oder doof. Vieles gefällt ihr aber auch. Den Tatortreiniger findet sie super. Wenn das Ganze intelligent gemacht ist, gefällt es ihr.

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Jetzt sind Sie mit dem Tatortreiniger zum zweiten Mal für den Grimme-Preis nominiert, genau wie das Dschungelcamp. Ist das für Sie ein Problem?
Ich weiß nicht, warum es nominiert wurde. Ich empfinde es als unerträgliche Unterhaltung. Aber es gibt eben viele Leute, die das gerne gucken und dann hat es auch wieder eine Berechtigung. Es muss aber vielleicht nicht den tollsten deutschen Fernsehpreis kriegen. Den entwertet das dann und das finde ich schade.

Jetzt sind Sie erst einmal wieder Ernie. Sind Sie froh? Vermissen sie Figuren, wenn Sie sie lange nicht gespielt haben?
Ich bin ja nicht schizophren. Ich vermisse eher die Kollegen. Wir freuen uns gerade alle, wieder in diesem muffigen Büro zu sein. Die Abläufe funktionieren, man kennt sich sehr gut. Christoph Maria Herbst ist so präzise, dass es wie immer ein Fest ist, mit ihm zu arbeiten. Es macht einfach großen Spaß, wenn wir kleine Variationen einbauen. Wenn der eine ein kleines bisschen später atmet und sich dadurch in der Szene alles ändert – das ist mit den Kollegen bei Stromberg super. [gallery:Pferdefleisch und Pillen-Panik – Die Karikaturen der Woche]

Und Ernie?
Im Moment ist er eine große Herausforderung. Ich fand den Ernie in der fünften Staffel etwas nervig. Das ist irgendwie so passiert. In der vierten Staffel hatte er ja seine Depression und danach hat man sich so gefreut, dass er wieder zurück ist, dieser hysterische, durchgeknallte, immer auf 180, immer beleidigte Kerl. Da haben wir beim Inszenieren noch einen drauf gesetzt. Wir haben im Team dann später alle Folgen zusammen auf einer großen Leinwand angesehen und ich war hinterher total traurig, weil ich gar nicht mehr hingucken mochte. Ernie war mir da einfach zu laut geraten. Jetzt haben wir ihn ein bisschen runtergeschraubt und es ist für mich erneut schwierig, den Herrn Heisterkamp zu spielen, ohne  ihn zu verraten. Sonst verliert man ein Stück Authentizität. Und die ist wichtig, gerade bei so einer überzeichneten Figur.

Wen haben sie eigentlich am liebsten von Ihren Figuren?
Im Moment ist mir Schotty der liebste. Da ist noch am meisten drin. Wir drehen aber auch bald wieder  neue Folgen von „Mord mit Aussicht“. Auf den Schäffer freu‘ ich mich auch. Der hat so eine innere Ruhe, wobei da die Neugierde nicht mehr so groß ist, weil ich schon weiß, wie der tickt.

Zu wenig Entwicklung?
Ja. Das ist auch generell ein Problem im deutschen Fernsehen. Es gibt kein Interesse an einer richtigen Serie. Ich gucke gerade die amerikanische Serie Homeland und kann nicht aufhören, weil ich wissen will, wie die Geschichte weiter geht. Es gibt so viele Wendungen in den Drehbüchern, das ist toll gemacht. Und das hat nicht immer etwas mit dem Budget zu tun, sondern mit der Grundeinstellung, mit dem Bekenntnis zu einer Geschichte, die man erzählen will oder zu einem Format: Wir finden das Format toll, wir finden die Leute toll und wir bestellen jetzt einfach mal dreißig Folgen und denken uns dafür einen großen Bogen aus. Bei uns wollen die Sender, dass jede Folge abgeschlossen für sich als Geschichte funktioniert. Da gebe ich dem Spiegel dann vollkommen recht und sage: Da ist, was diese fiktionalen Serien angeht, in Deutschland ziemlich viel verpennt worden.

Herr Mädel, vielen Dank für das Gespräch.
Danke auch. Gute Besserung.

 

Das Interview führte Marie Amrhein

 

 

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