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Akademiker - Jung, qualifiziert und ohne Job

Junge Akademiker haben große Freiheiten, aber auch große Unsicherheiten. Das Loblied auf die guten Perspektiven von Akademikern ist zu einseitig

Nils Heisterhagen

Autoreninfo

Nils Heisterhagen ist Sozialdemokrat und Publizist. Zuletzt sind von ihm im Dietz-Verlag erschienen: „Das Streben nach Freiheit“ und  „Die liberale Illusion“.

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Marie Müller sitzt im Café, tippt auf dem Smartphone herum und tunkt nebenbei ihren Keks in den Kaffee. Mit ihrem Blazer, weißer Bluse, braunen Lederstiefeln und ihrem Schal in Orientoptik sieht die 25–Jährige aus wie eine Junior-Marketingleiterin. Sie wirkt selbstbewusst und agil.

Marie Müller hat Kommunikationswissenschaften und Englisch studiert. Sie hat einen sehr guten Bachelor- und Masterabschluss, den Master sogar in Amsterdam erworben; sie hat die überall geforderte Auslandserfahrung. Eigentlich eine ideale Besetzung für jede Kommunikationsabteilung. Doch statt eines Jobs hat sie unzählige Absagen erhalten. Da viele Arbeitgeber ihre Absagen nüchtern und allgemein halten, um sich rechtlich nicht angreifbar zu machen, weiß sie auch nicht, woran es liegt, dass sie keiner einstellen will.

„Ich hatte erwartet, dass es schwierig werden könnte“, sagt sie. „Ich hatte erwartet, dass es etwas dauern könnte. Aber die Realität ist ernüchternd.“ Auf einem Zettel, den sie mitgebracht hat, steht: „Hochschulabschluss? Ja. Ehrgeiz? Ja. Talent? Ja. Realität? Bäm.“ Da steht sie nun: hoch qualifiziert und ohne Job. Aus ihren Sätzen spricht Frust. Enttäuschung. Ernüchterung.

Junge Menschen sind bereit viel für einen Job zu tun
 

Sie wäre bereit, viel in Kauf zu nehmen für einen Job. Auch wenn das bedeutet, weit weg von ihrem Freund und der Familie zu wohnen. „Sicher habe ich gewisse Präferenzen, aber ich bin weder örtlich gebunden noch auf eine bestimmte Branche festgelegt. Bisher wurde ich noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen – und das nach mehreren Dutzend Bewerbungen.“

Ihre Tage verbringt sie im Netz, sie durchforstet Online-Jobbörsen, oder fährt auf Messen für Berufseinsteiger. „Die Suche fühlt sich fast an wie ein Vollzeitjob. Das ist schon frustrierend. Allerdings war ich auch nie der Typ, der den Kopf in den Sand steckt.“

Es ist dieses Wechselspiel aus Frustration und Hoffnung, das viele junge Akademiker kennen.

Eigentlich sind die Perspektiven für Akademiker gut. 2012 waren nur 2,5 Prozent aller Akademiker erwerbslos, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit errechnet hat. Das ist fast Vollbeschäftigung. Dagegen lag die Arbeitslosenquote von Personen ohne einen Berufsabschluss bei 19 Prozent. Bildung, so der Schluss, sei der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Am besten sei der Abschluss eines Studiums. Das Studium sei somit die Quelle von Wohlstand, Jobsicherheit, ja vielleicht auch Glück, sagen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Letztlich finden so gut wie alle Akademiker einen Job. Nur der Weg dahin ist keineswegs eine Gerade. Man muss bei den Perspektiven der Akademiker genauer hinsehen. Der Weg in den Job ist beschwerlicher als es die Statistik suggeriert.

Das weiß auch die Politikwissenschaftlerin Emilia Friedrichs. Sie ist groß, blond, keck und belesen, hat Auslandserfahrung. Der Inbegriff einer selbstbewussten und eigenständigen Person. Seit Mai 2012 ist sie auf Jobsuche. Sie versteht diesen Arbeitsmarkt einfach nicht: „Wenn man in der Schule gut war und das Studium mit 23 und sehr gut abgeschlossen hat und dann plötzlich Monate lang nur Absagen kassiert, kommt man sich vor, als wäre man plötzlich von der High-Potential- auf die Loser-Fahrbahn gewechselt.“

Dass Marie Müller und Emilia Friedrichs nichts finden, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die beiden Geistes- bzw. Sozialwissenschaftlerinnen sind. Wirtschaftlich ist das eher schlecht verwertbar. Die Politikwissenschaftlerin Friedrichs zweifelt inzwischen schon ihre ganze Studienwahl an: „Irgendwann nach langer erfolgloser Bewerbung habe ich angefangen, an allem zu zweifeln. Wie konnte ich nur so blöd sein, Politikwissenschaften zu studieren?“

Nun wäre es übertrieben, würde man allen Geistes- und Sozialwissenschaftler selbst die Schuld dafür zuschreiben, dass sie keinen Job finden, und mal lieber etwas anderes hätten studieren sollen. Auch Politikwissenschaftler können gut einen Job finden – auch wenn das bedeutet, fachfremd arbeiten zu müssen. Axel Plünnecke vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln sagt: „Während Lehrer, Ingenieure und Ärzte innerhalb weniger Monate eine Anstellung finden, haben ein Jahr nach dem Abschluss erst rund 50 Prozent der Geisteswissenschaftler eine reguläre Erwerbstätigkeit aufgenommen.“

Tatsächlich haben Techniker und Naturwissenschaftler recht sichere Perspektiven. Im Wettbewerb um die besten Köpfe sind Unternehmen mitunter kreativ und großzügig. Da werden Sabbaticals oder Home-Office-Tage in Aussicht gestellt.

Für Lisa Behnke, Biochemikerin und leidenschaftliche Kletterin, ist es dann doch nicht so einfach. Eine sichere Zukunft als Biochemiker habe sie nicht, sagt sie. „Es ist ehrlicherweise sogar sehr schwer, einen Job zu finden.“ Naturwissenschaftler sind also nicht automatisch begehrte Arbeitskräfte. Sie werden überall beworben und gefordert, aber ein Jobversprechen ist keine Selbstverständlichkeit.

Auch die Betriebswirte sind nicht für Jobs gesetzt. Da kommt es auch darauf an, wie man sich spezialisiert hat. Marketingjobs etwa gelten als überlaufen. Aber selbst Controller müssen länger suchen. Fabian Gislasson suchte länger nach einem Job, nachdem seine Ausbildungsfirma Konkurs anmelden musste. 30 Bewerbungen bei sieben Vorstellungsgesprächen. Vergleicht man dies mit der Kommunikationswissenschaftlerin Müller, eigentlich aber noch eine recht gute Quote. Gislasson sagt, sein duales Studium sei von den Personalabteilungen honoriert worden.

In einer arbeitsteiligen Gesellschaft kommt es stark auf die Spezialisierung an, die man sich als Akademiker nach dem Studium auch erst einmal erarbeiten muss. Durch Praktika „Kontakte zu Unternehmen zu suchen“, erleichtere auch den „späteren Jobeinstieg“, sagt Arbeitsforscher Plünnecke.

Nur auf Marie Müller trifft das nicht zu: Sie hat Praktika absolviert und sich im Bereich Unternehmenskommunikation spezialisiert. Trotzdem hat es bislang nicht geklappt. Bei der Arbeitsagentur heißt es, dass sie selbst besser nach Jobs suchen könne. Sie ist auf sich allein gestellt. Und ihre Arbeitserfahrung nützt ihr bislang nichts.

Die Politik interessiert sich nicht für die jungen Akademiker. Denn sie seien ja diejenigen mit der größten Wahlfreiheit, mit den besten Perspektiven.

 

 

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Alex Hellbusch | Fr., 12. Mai 2017 - 15:51

Klasse Artikel!
Das habe ich selber durchlitten.
2 Jahre lang habe ich nach einem Arbeitgeber gesucht der gewillt war mich, einen studierten Politikwissenschaftler, zu beschäftigen. Habe natürlich viel über das Internet gesucht. Da haben mir gerade die kleineren spezialisierteren Jobportale weitergeholfen. Besonders https://www.yourfirm.de/ fand ich gut!
Viel Glück bei der Suche :)