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JG Farrells „Troubles“ - Die feinen Risse einer Welt im Umbruch

Der irische Autor James Gordon Farrell spiegelt den Untergang des britischen Weltreichs im Zusammenbruch eines einstigen Prachthotels

Autoreninfo

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Es sind die letzten Tage eines schwankenden Kolosses, zu deren Zeugen wir in James Gordon Farrells Roman «Troubles» werden. Dieser Koloss auf tönernen Füßen ist das britische Empire, dessen Untergang ebenso heraufzieht wie der Zusammenbruch des Prachthotels «Majestic» an der irischen Ostküste, Schauplatz des auf Englisch zuerst 1970 erschienenen Buches. «Troubles» als «Unruhen» zu übersetzen, wäre ein Euphemismus für den Irischen Unabhängigkeitskrieg von 1919–1921, dessen Brutalität Farrell, 1935 in Liverpool geboren, in seinem Roman heraufbeschwört. In melancholischen Bildern erweckt er dabei eine fast vergessene Welt zum Leben. Man hört die Teetassen zum Five O’clock Tea klirren und sieht ältliche Damen mit ihrem Strickzeug im düsteren Hotelfoyer sitzen.

Erzählt wird aus der Perspektive des englischen Kriegsveteranen Brendan Archer, der 1919 nach Irland reist, um seine Verlobte Angela zu heiraten. Katzenhorden hausen in der Zimmerflucht des baufälligen Familienhotels, dessen Leitung Angelas verwirrtem Vater entgleitet, während die Hinterhalte der katholischen Untergrundorganisation «Sinn Fein» den irischen Protestanten demoralisieren. Als Angela stirbt, kümmert sich der Major um die verlorene Restfamilie und die gestrandeten alten Dauergäste. Mit subtiler Spannung beschreibt Farrell die feinen Risse einer Welt im Umbruch. Während das Gebälk im Hotel «Majestic» bedrohlich knarrt, erschüttern Unruhen in Südafrika und Indien die Ränder des britischen Empire. Major Archer, der sanftmütige Außenseiter, wird zum Konkursverwalter wider Willen. Er verhilft dem «Majestic» und seinen Gästen zu einem glänzenden Ball mit allen Finessen der englischen Landküche.

Kontrapunktisch lässt Farrell auf diesem Fest die hoffnungslose Liebe des protestantischen Majors zur katholischen Irin Sarah enden, die ihn abweist. Nur kurz klingt der Ton dieses Schwanengesangs für die irische Upper Class an, als Sarah mit dem Fingernagel ans Champagnerglas schnipst, «was einen einzigen, leisen klaren Laut hervorbrachte, schmerzlich schön, ein Laut, den die zuckrig-wehmütigen Geigen vom Podium niemals übertönen konnten.» Als die Hotelangestellten wegen eines Sturmschadens in die Gästezimmer ziehen müssen, hebt Farrell damit auf der symbolischen Ebene die Klassenunterschiede auf. Humorvoll und mit erfrischender Klarheit entlarvt er die Verwirrung der Gefühle, die hinter großen Gesten steht.

Der Untergang des britischen Kolonialreiches war Farrells Lebensthema, das er mit zwei weiteren Romanen zur «Empire-Trilogie» erweiterte. Der Schriftsteller, der für «Troubles» 2010 posthum den «Lost Man Booker Prize» erhielt, ertrank 1979 mit 44 Jahren beim Fischen in der irischen See. Bewegungseingeschränkt durch die Folgen einer Kinderlähmung, wurde er von einer Sturmwelle ins Meer hinausgezogen.

James Gordon Farrell
Troubles. Roman
Aus dem Englischen von Manfred Allié
Matthes & Seitz, Berlin 2013.
550 S., 24,90 €

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