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(picture alliance) „Warum sollte er ein kleiner Peter Maffay werden wollen?“

Von Uslar über Bushido - „I love the guy“

14 bekannte Juroren küren im neuen Cicero in sieben unterschiedlichen Kategorien ihre Auf- und Absteiger des Jahres. Der Schriftsteller und Reporter Moritz von Uslar nominiert den Rapper und Bambi-Gewinner Bushido als Aufsteiger

 

 

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Die Wahrheit ist doch, dass der angebliche Rüpelrapper selber ein wenig wie das Rehkitz aussieht, das er angeblich nicht verdient hat – schön zu sehen während der Bambi-Verleihung, bei der Bushido eine wirklich irre, wirre und schwer verständliche Rede hielt: Der lange Oberkörper fuhr sinnlos hin und her, die Hände fuchtelten, die großen dunklen Bushido-Augen guckten ängstlich in den Saal. Der Zuschauer sah: Da ist ein Mann, der sich irgendwie entschuldigen will, aber gleichzeitig unbedingt eine Entschuldigung vermeiden möchte, damit ihm seine Kumpels, die draußen vor der Tür warten, später nicht zu doll auf die Schulter boxen. Kurz vor Bushidos Auftritt hatte Peter Plate, Sänger der Band Rosenstolz, verkündet, dass die Verleihung des Bambis für Integration an den Rüpelrapper „nicht korrekt“ sei. Es war also keine einfache Rede für Bu­shido, den „schlimmsten Rapper im ganzen Land“ (du liebes bisschen, ja). Vielleicht hat er es gar nicht so schlecht gemacht.

Ach Bushido, du Killer-Proll, du böser, harter, gemeiner, angeblich so menschenverachtender Gangsterrapper. Man musste schon Familienministerin sein oder SPD-Ministerpräsident oder Sänger der Band mit dem brutal spießigen Namen Rosenstolz, um nicht zu sehen, wie gut daneben, wie niedlich oder einfach saukomisch die Sprüche und Aktionen des Bushido in den vergangenen Jahren waren: all die lustigen Lieder mit den verbotenen Worten „Tunte“ und „Nutte“; die lustige Böse-Buben-Fehde zwischen Bushido und seinem Gangster-Rap-Kollegen Sido; das lustige Wort „Schwanzlutschen“, das Bushido so gerne in Talkshows in den Mund nahm; das lustige Wort „topintegriert“, das Bushido in letzter Zeit so gerne aufsagt; der lustige Volkssänger Heino, der sein Bambi wegen Bushido zurückgab. Wenn sich einer ganz, ganz schlimm benimmt, man weiß es doch eigentlich, dann ist meistens alles gar nicht so schlimm.

Echt rührend, ein zum Scheitern verurteilter Ausflug in die moderne Sprachkritik, waren Bushidos Versuche in verschiedenen Talkshows, die Plastizität seines Liedvokabulars zu erklären: Das böse Wort „schwul“ beispielsweise sei eben keine Diskriminierung einer Minderheit, sondern ein schlichtweg in allen deutschen Schulen sehr populärer Begriff, der in maximaler Indifferenz so große Gefühle wie Missfallen, Irritation, Erstaunen und Amusement zum Ausdruck bringt (hat bis heute niemand verstanden). Lustig war zuletzt das Missverständnis des Bambi-Laudators Peter Maffay, der dachte, der Junge mit dem Reh in der Hand sei ein geläuterter Sünder, auf gutem Weg, ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft zu werden. Irre Idee: Warum sollte Deutschlands erfolgreichster Rapper ein kleiner Peter Maffay werden wollen?

Wenn es in der Gute-Laune-Republik Deutschland in den vergangenen Jahren einen sozialen Aufsteiger gegeben hat – und zwar einen, der im schönsten Sinne da oben stört –, dann war es ­Bushido. Bei der Bambi-Verleihung war er es, der den Showgiganten unseres Landes, die Verena Pooth, Eva Padberg, Barbara Becker und Ruth-Maria Kubitschek heißen, für einen Abend die Show stahl: Dafür musste man ihm schon mal dankbar sein. Und nun stellt Bushido uns superduften, aufgeklärten und windelweichen Bundesbürgern die Frage: Sind wir wirklich so liberal wie wir immer tun?

Offen ist die Frage, ob der eklige Bandname Rosenstolz das ästhetische Empfinden von nicht mindestens so vielen Menschen verletzt hat wie alle Pöbeltexte von Bushido zusammen. Weiter ließe sich argumentieren, dass eine der ultrahässlichen, mit Strasssteinen besetzte Killer-Proll-Jeans, die Bu­shido so gerne trägt, für mehr Irritation und Widerspruch sorgt als alle Reden des Bundespräsidenten Wulff. Man könnte fortfahren mit der These, dass Bushidos Pöbeltexte viel Aufregung ausgelöst haben und damit, auf verquere Art, so viel für die Akzeptanz von Homosexuellen und anderen Minderheiten getan haben wie alle tapfer kämpfenden Schwulenverbände und rosafarbenen Aktionsgruppen.

Der Burda-Verlag und Peter Maffay hätten Bushido gerne in ihrer Mitte aufgenommen, damit er endlich still ist und ein weiterer trostloser Gutbürger wird. Aber daraus wird nichts: Der Rapper wird weiter Scheiße bauen. Und so viel Gutes tun. I love the guy.

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