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„Herr Professorin“ - Genderwahn auf dem Vormarsch

„Herr Professorin“: Das erste Opfer der Gleichstellung ist an der Universität Leipzig die Grammatik. Woher kommt diese Gewalt der Begriffsverbieger, fragt sich Alexander Kissler

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Nun gut, man kann die ganze Sache entspannt sehen, als humoristische Fußnote in der Globalgeschichte der Dekadenz. Dort steht dann zu lesen: Leipzig sei eine Stadt im Osten der Bundesrepublik Deutschland mit einer regional bemerkenswerten Universität.

Ebendort sei im Juni 2013 beschlossen worden, im akademischen Binnenbereich nur die weibliche Form zu verwenden. Männliche Beschäftigte müssen darum „Herr Doktorin“ oder „Herr Professorin“ genannt werden. Fortan habe es Bestrebungen gegeben, diese Regelung auf die ganze Republik auszuweiten. Das Kabinett, hieß es, solle künftig einen Herrn Außenministerin haben und einen Herrn Verteidigungsministerin, die Polizei solle künftig von Taschendiebinnen, Vergewaltigerinnen, Einbrecherinnen und Serienmörderinnen reden, die Geschichtsforschung von Nationalsozialistinnen, Stalinistinnen, Faschistinnen, die Soziologie von Arbeiterführerinnen und Erfinderinnen, die Ökonomie von Kapitalistinnen.

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Irgendwann aber, noch weit vor der Mitte des 21. Jahrhunderts, hätten Bundesrat und Bundestag vor der Welle des Gelächters kapituliert, das vom Rest der Welt über Deutschland hereinbrach. Man habe sich nicht mehr verständlich machen können außerhalb des Deutschtums und sei deshalb zur alten Redeweise zurückgekehrt. Ein Mann sei schließlich ein Mann, eine Frau eine Frau, ein Drittes gebe es nicht.

Man kann sich aber angesichts der realen Leipziger Entscheidung auch fragen: Woher kommt die Lust an der Gewalt? Dass die Gleichstellungseuphoriker der Sprache, dem Sinn, dem Verstand Gewalt antun und dass niemand jenseits dieser akademischen Elite den brutalen Sprachmissbrauch gutheißt, niemand ihm folgen wird, steht außer Frage. Woher also kommt die Gewalt der Begriffsverbieger – und woher der Selbsthass der männlichen Befürworter im erweiterten Senat der Universität Leipzig, die mehrheitlich zustimmten? Beide zusammen erst, die entmannten Männer und die zum Sinnbruch entschlossenen Amazonen, machten die Begriffskatastrophe perfekt. Sprache war, nach dem Wort Heideggers, einmal das „Haus des Seins“. Nun ist sie, zumindest in Leipzig, das „Haus des Scheins“ – des Scheins von Fortschritt, der finsterste Reaktion bemäntelt. Sprache ist dort kein einendes Band, nicht einmal Mittel der Verständigung, sondern radikalfeministisches Herrschaftsinstrument zum Austrieb des Männlichen.

Vielleicht also hat der Schriftsteller und ehemalige Kinderbuchautor Bernhard Lassahn („Käpt‘n Blaubär“) das Logbuch zur Stunde vorgelegt, wenn er in der zuverlässig aufmüpfigen „Edition Sonderwege“ des Manuscriptum-Verlages zum Auftakt einer „Trilogie zur Rettung der Liebe“ jetzt ein Pamphlet vorlegt über den tatsächlichen oder vermeintlichen „Krieg gegen den Mann.“ Ein solch martialischer Begriff erschreckt; doch das Erschrecken wurde seit der Entscheidung von Leipzig geringer. Das Buch ist, ganz ohne eigenes Zutun, näher an die Wirklichkeit gerückt.

Lassahn zufolge soll die – nun in Leipzig triumphierende – „Gender-Perspektive nicht etwa eine Ergänzung sein, sondern Ersatz für Sichtweisen, in denen noch die Natur vorkommt.“ Die „Gender-Dogmatiker“ wollten „eine neue Form von Normalität ohne herkömmliche Normalität“ durchsetzen – und zwar als allgemeinen Zwang ohne jede Abweichung.“ So werde ein „totalitäres System“ errichtet, im Namen, versteht sich, des Kampfes gegen Norm und Ausgrenzung und Ungleichheit. Das Abgelehnte kehre so, unter neuen Vorzeichen, doppelt und dreifach zurück. Die Sexismuskritiker(innen) seien derart vom Sex, vom Geschlecht, besessen, dass letztlich sie die neuen Sexist(inn)en seien.

Lassahn gräbt als Fahrplan zur Schleifung des Männlichen eine Sechs-Punkte-Agenda aus, die die Gender-Forscherinnen Ingelore und Isabell Welpe vor zehn Jahren ersonnen haben. Darin schreiben sie – und das ist ebenso wenig ein Aprilscherz wie die Entscheidung von Leipzig: Der Mann sei im Gegensatz zur Frau „das sekundäre Geschlecht“, jeder Mensch sei nach der Zeugung „zuerst weiblich“. Frauen seien „das Zukunftsmodell der Evolution, Männer das frühere Modell unserer Stammesgeschichte. (...) Die männliche Form ist (...) eher ein Auslaufmodell.“ Frauen leisteten auch „den erheblicheren Beitrag zum Überleben der Menschheit durch Sammeln, Kommunikation und Kooperation.“ Mit einem Wort: Der Mann ist Geschichte. Immerhin zur Zeugung taugt er, vorerst. Die Wissenschaft arbeitet daran, ihn auch da entbehrlich zu machen.

Deutschland leistet sich derzeit rund 250 Lehrstühle und Zentren für „Gender-Studies.“ Nicht überall wird simples Allotria verbreitet. Doch Hand aufs Herz: Stünde es um die akademische Freiheit, um die Freiheit des Denkens und Forschens, nicht besser, wenn es diese Katheder mit ihrer behaupteten Allzuständigkeit nicht gäbe? Dort werden Waffen geschmiedet im Kampf gegen das Männliche als Prinzip, Form und Person, mal auf grammatikalischen, mal auf diskurspolitischen Wegen.

Es sind letztlich Verteilungskämpfe um Macht und Geld, die eine männerfeindliche Lobbygruppe momentan zu ihren Gunsten entschieden hat. Spätestens aber, wenn die globale Rezession ihr Haupt erhebt und die Armen der Erde auch in Deutschland stranden werden, wird sich diese Operation am offenen Herzen der Vernunft als das entpuppen, was sie heute schon ist: eine Luxusbeschäftigung für verwöhnte, anderweitig unausgelastete Akademiker. Pardon: Akademikerinnen und Herren Akademikerinnen.

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