Kurz und Bündig - Heinz Bude: Generation Berlin

Es sind jetzt genau zehn Jahre, seit der Bonner Bundestag am 20. Juni 1991 den Umzugsbeschluss zugunsten Berlins fasste. Der Rückblick auf diese ebenso klug wie emotional geführte Parlamentsdebatte macht klar: Von «Berlin» geht inzwischen eine intellektuell-politische Dynamik aus, die sich auch die entschiedensten Befürworter der neu-alten Hauptstadt damals kaum hätten träumen lassen.

Es sind jetzt genau zehn Jahre, seit der Bonner Bundestag am 20. Juni 1991 den Umzugsbeschluss zugunsten Berlins fasste. Der Rückblick auf diese ebenso klug wie emotional geführte Parlamentsdebatte macht klar: Von «Berlin» geht inzwischen eine intellektuell-politische Dynamik aus, die sich auch die entschiedensten Befürworter der neu-alten Hauptstadt damals kaum hätten träumen lassen. Den endgültigen Aufbruch in die «Berliner Republik» zwischen Bundestagswahl 1998 und dem Umzug von Parlament und Regierung ein Jahr später hat der Hamburger Soziologe Heinz Bude, seit kurzem Professor in Kassel, mit einer Reihe von Essays begleitet, die jetzt, um zwei Originalbeiträge ergänzt, in einem schmalen Bändchen nachzulesen sind. «Generation Berlin»: mit diesem Schlagwort bezeichnet Bude die um 1960/65 Geborenen, die letzten Kinder der alten Bundesrepublik, aufgewachsen in der Schmidt-Ära, zwischen Ölkrise und Friedensbewegung. Von ihnen, von ihrem intellektuellen Gestus der Nüchternheit hält Bude viel; sie sollen zu den eigentlichen Gestaltern der Berliner Republik werden. Etwas überspitzt, aber doch sehr treffend wird die «Generation Berlin» in die Abfolge von vier Generationen hineingestellt: Auf die Weimarer Generation mit ihrer «Kälte» folgte die «Skepsis» der Flakhelfer-Generation, darauf die 68er-Generation mit ihrer Grundhaltung der «Kritik». Sie bevölkert noch, so Bude, mit Schröder und Fischer die politische «Vorderbühne», aber die Zukunft gehört bereits der Generation Berlin, den Post-68ern und ihrem Projekt des nüchternen «Definierens».

Was da eigentlich definiert werden soll im Projekt dieser Generation, darüber gibt das Buch jedoch nicht so recht Auskunft. Der von Bude immer wieder deklarierte Abschied von der Geschichte, das Leben allein aus Gegenwart und für Zukunft, kann es nicht sein. Das wäre gefährlich – es stimmt aber auch nicht, denn anders als Bude glaubt, ist die «Generation Berlin» vergangenheitspolitisch sehr sensibel, nur trieft diese Sensibilität nicht mehr so moralig wie die der 68er. Und Gesellschaftsveränderung stünde nicht mehr auf der Agenda? Wieder falsch, denn wir sind inzwischen mitten in einer längst überfälligen Renaissance der Gesellschaftspolitik, und es sind die 30- bis 40-Jährigen, die sagen, «Reformen – ja, bitte!» Die Anstöße, die Heinz Bude gibt, müssen deshalb weitergedacht werden.

 

Heinz Bude
Generation Berlin
Merve, Berlin 2001. 87 S., 16 DM

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