Kurz und Bündig - Hans-Joachim Maaz: Die Liebesfalle

Zugegeben, verführerisch klingt es nicht, wenn Hans-Joachim Maaz die ideale Partnerschaft mit einer «seriösen Geschäftsbeziehung» vergleicht. Das soll das höchste der Gefühle sein? Wer ihm in seinem neuesten Buch «Die Liebesfalle» bis auf Seite 178 gefolgt ist, weiß jedoch schon, dass der Psychiater aus Halle nicht nur einen schnörkellosen Schreibstil pflegt, sondern auch Psycho­analyse mit protestantischer Nüchternheit betreibt.

Zugegeben, verführerisch klingt es nicht, wenn Hans-Joachim Maaz die ideale Partnerschaft mit einer «seriösen Geschäftsbeziehung» vergleicht. Das soll das höchste der Gefühle sein? Wer ihm in seinem neuesten Buch «Die Liebesfalle» bis auf Seite 178 gefolgt ist, weiß jedoch schon, dass der Psychiater aus Halle nicht nur einen schnörkellosen Schreibstil pflegt, sondern auch Psycho­analyse mit protestantischer Nüchternheit betreibt. «Ohne Liebe kein Leben», lautet lapidar der erste Satz. Und der letzte: «Der gute Umgang mit Kindern ist unsere wichtigste Investition in die Zukunft.» Kurz nach der Wende hatte der 1943 geborene Ostdeutsche seine Landsleute kollektiv auf die Couch gelegt, hatte der Ost-Seele einen «Gefühlsstau» diagnostiziert und diesen auf autoritäre Erziehung und repressive Praxis im real existierenden Sozialismus zurückgeführt. Und vor vier Jahren erklärte er anhand des Mythos von Lilith – dem kinderlosen, selbstbestimmten und gleichberechtigten Gegenentwurf zu Adams Frau Eva –, dass kindliche Frühstörungen haupt­sächlich auf Mütter zurück­gehen, die sich ihre Lilith-Anteile nicht eingestehen. «Der Gefühlsstau» und «Der Lilith-Komplex»: beide Bücher stehen Pate, wenn Maaz in seiner neuesten Publikation erklärt, weshalb und bei wem Liebesbeziehungen immer wieder scheitern. Maaz macht dafür das Begehrensgefüge der Kleinfamilie verantwortlich: Eltern, die auf ihre Kinder Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen richten, verursachen unbeabsichtigt «Früh­störungen», die das künftige Beziehungsverhalten prägen. Wie Hamster im Rad wiederholen die bedingt Geliebten noch als Erwachsene die Erfah­rung, dass Zuneigung an Leistung oder Selbstverleugnung gekoppelt ist. Sie provozieren sogar das Scheitern der Liebe, um nicht an den frühen Mangel erinnert zu werden. Gut nachvollziehbar zerlegt der Autor die unterschwelligen Enttäuschungen und Erwartungen, die Beziehungen zersetzen können, und entwickelt da­gegen ein offenes, illusionsloses Liebesmodell, in dem beide Partner ihre eigenen Gefühle wahrnehmen und verstehen können, bevor sie den anderen dafür verantwortlich machen. Der blitzblanke Pragmatismus, der in der modischen Rede von der «Beziehungskultur» oder beim Ideal der «seriösen Geschäftsbeziehung» aufscheint, erhält dennoch einige Kratzer. Denn Maaz begnügt sich nicht mit der Kritik der frühstörungsgestörten Beziehung, sondern er spickt sie mit kulturkritischen Predigten. Leere Politikerversprechen, soziale Kälte, die Konsumgesellschaft, diese und andere Unbehaglichkeiten der Kultur lei­tet er ebenfalls von der «Liebesfalle» ab. Der «Elternführerschein», für den er überaus fürsorglich plädiert, müsste demzufolge das Land von allen Übeln kurieren. Fast sieht es so aus, als stecke im Analytiker Maaz nicht nur ein Aufklärer, sondern auch ein tollkühner Utopist.

 

Hans-Joachim Maaz
Die Liebesfalle. Spielregeln für eine neue Beziehungskultur
C. H. Beck, München 2007. 239 S., 14,90 €

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