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Gabriele Krone-Schmalz über Russland - Verantwortungslose Verharmlosung der russischen Aggression

Gabriele Krone-Schmalz hat ein Buch verfasst, in dem sie sich einiges vornimmt. Sie möchte „Russland verstehen“. Doch ihr Verständnisappell entwickelt sich zu einer Verteidigungsschrift. Einer Verteidigung der völkerrechtswidrigen Politik Putins

Autoreninfo

Franziska Davies ist Historikerin an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München

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Krone-Schmalz’ Sicht der Dinge ist aus vielen Auftritten im von ihr vehement kritisierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen bekannt: Die Ursachen für den heutigen Konflikt in der Ukraine sieht sie in der westlichen Politik gegenüber Russland in den Jahrzehnten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Mit Recht erinnert sie daran, dass die 1990er Jahre für viele in Russland eine Zeit der Armut und des Niedergangs waren und dass die westliche Politik dafür eine Mitverantwortung trug. Die Missachtung russischer Interessen habe sich seit dem Amtsantritt Wladimir Putins fortgesetzt. Der entscheidende Fehler sei schließlich die Osterweiterung der NATO gewesen sowie das Angebot eines EU-Assoziierungsabkommens an die Ukraine. Dies habe das Land vor eine unmögliche Wahl gestellt und schließlich zum Sturz des Janukowitsch-Regimes geführt.

Keine Annexion?
 

Auf der Krim habe Russland dann in „Notwehr unter Zeitdruck“ gehandelt, aber es habe sich keineswegs um eine Annexion gehandelt. Die fragwürdigen Umstände des nachweislich unter russischer Militärpräsenz in aller Eile abgehaltenen Pseudo-Referendums diskutiert Krone-Schmalz nicht, stellt aber einen Völkerrechtsbruch in Abrede. Das Misstrauen in Teilen der Ostukraine gegenüber der neuen Kiewer Regierung habe schließlich zu einem „innerukrainischen Bürgerkrieg“ geführt, in dem Russland allenfalls „Unterstützung“ für die eine Seite leiste. Eigentlich aber wolle Russland nichts anderes als innere Ruhe, ganz sicher keine „destabilisierte Ukraine“. Die Verantwortung für all das trage der Westen.

Mit dieser Darstellung scheitert Krone-Schmalz an ihrem eigenen Anspruch, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. Dass das Sicherheitsbedürfnis des Kreml stärker wiegt als die Souveränität von Polen, Litauen oder der Ukraine ist für Krone-Schmalz so selbstverständlich, dass sie diesen Interessensgegensatz nicht einmal einer Erörterung für würdig hält. Auch die sprachliche Präzision, die Krone-Schmalz so sehr bei ihren ehemaligen Kollegen vermisst hat, sucht man in ihrem Buch vergebens. Der Krieg im Donbass ist für sie der „Kampf um die Ostukraine“, ein „Bürgerkrieg“. Dieser Begriff ist eine verantwortungslose Verharmlosung der russischen Aggression.

Zwar genossen die so genannten Separatisten zunächst bei einem überschaubaren Teil der lokalen Bevölkerung Unterstützung und rekrutierten sich teilweise aus ihr. Aber seit Monaten ist bekannt, dass sie von Beginn an zu großen Teilen aus russischen Staatsbürgern bestanden. Igor Girkin, der inzwischen recht freimütig über die militärische Intervention Russlands in der Ukraine spricht, ist dabei lediglich das prominenteste Beispiel. Das erwähnt Krone-Schmalz nicht, sondern spricht reichlich beschönigend von „russischer Hilfe.“ Etwas absurd wirkt da ihr Vorwurf, dass die deutschen Medien die beteiligten Akteure im Krieg nicht klar benannt und sich hinter allgemeinen Begriffen versteckt hätten.

Noch in einer anderen Hinsicht scheitert Krone-Schmalz an ihren eigenen Ansprüchen. Vehement fordert sie einen kritischen Umgang mit Quellen. Aber ihre pessimistische Einordnung der ukrainischen Parlamentswahlen im Oktober 2014 begründet Krone-Schmalz u.a. mit einer Studie von Ina Kirsch van de Water, die sie als „Osteuropa-Wissenschaftlerin“ und „Mitarbeiterin des Europäischen Parlamentes“ vorstellt. Wäre es nicht ein Gebot des kritischen Journalismus gewesen, den Leser zu informieren, dass jene Autorin in den vergangenen Jahren in Brüssel auch als Lobbyistin für das Janukowitsch-Regime tätig war?

Krone-Schmalz’ Buch führt noch einmal vor Augen, warum der Begriff des „Russlandverstehers“ in die Irre führt. In Deutschland wird diese Bezeichnung ausgerechnet denjenigen verliehen, die die offizielle Sicht des Kremls unreflektiert zur maßgeblichen erklären. „Verstehen“ heißt aber nicht nur, mehrere Perspektiven (einschließlich die der Ukrainer) einzunehmen, sondern auch nach Beweggründen jenseits offizieller Verlautbarungen zu fragen. Hat Putin tatsächlich die NATO gefürchtet oder nicht doch das demokratische Gegenmodell zu seiner Herrschaft, das die Ukrainer auf dem Majdan für sich einforderten? Solche Überlegungen spielen aber keine Rolle. So verwundert es nicht, dass Krone-Schmalz die monatelangen Proteste auf dem Majdan praktisch ausspart. Die Ukraine ist für sie nur in ihrem Verhältnis zum „Westen“ oder zu Russland relevant.

Krone-Schmalz' Russlandbild
 

Aber was für ein Russland-Bild hat Krone-Schmalz eigentlich? Für sie ist Russland seit den 2000er Jahren vor allem eines: das Regime Wladimir Putins. Warum versucht sie nicht diejenigen in Russland zu verstehen, die keine Angst haben vor der NATO, sondern vor der eigenen Regierung? Warum nicht diejenigen Mütter, die um ihre toten Söhne trauern, die in einem unerklärten Krieg gegen die Ukraine gestorben sind? Warum nicht jene Intellektuellen und Wissenschaftler, die gerade in Scharen das Land verlassen? Gehören diese Menschen nicht zu Russland?

Gabriele Krone-Schmalz spricht von journalistischem Ethos und von der Pressefreiheit. Dabei interessiert sie sich aber vor allem für Deutschland. Es ist zynisch, diejenigen mutigen russischen Journalisten, die in den letzten Jahren ihr Leben verloren haben und deren Kollegen trotzdem bis heute weiter arbeiten, mit keiner Silbe zu erwähnen. Ihnen verdanken wir wichtige Recherchen über die Hintergründe zum Krieg im Donbass. Diese Menschen müssten doch für Krone-Schmalz das Ideal des mutigen und aufrichtigen Journalisten verkörpern. Aber sie gehören offenbar ebenso wenig zu dem Russland, das sie verstehen möchte.

Stattdessen stürzt Krone-Schmalz sich auf eine Auswahl begrifflicher Unschärfen und Ungenauigkeiten besonders in diversen Nachrichtensendungen des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Angesichts dessen fragt man sich, ob es Krone-Schmalz wirklich um ein differenzierteres Russland-Bild geht oder nicht vor allem um eine innerdeutsche mediale Nabelschau. Im Deckmantel der Forderung nach interkultureller Verständigung leistet Krone-Schmalz über weite Strecken eine oberflächliche, selektive und manchmal unangenehm selbstgerechte Medienkritik. Mit „Russland verstehen“ hat das wenig zu tun.

Dabei bräuchten wir ein solches Buch mehr denn je. Wir bräuchten ein Buch, das uns die Verfehlungen westlicher wie russischer Eliten in den 1990er Jahren präzise vor Augen führt. Wir bräuchten ein Buch, das uns die inneren und äußeren Faktoren der Radikalisierung des Putin-Regimes und die Ursachen seines Kriegs gegen die Ukraine erklärt und was dies mit der russischen Gesellschaft macht. Wir bräuchten ein Buch, das uns hilft, Russland in all seiner Komplexität und seiner Widersprüchlichkeit zu verstehen.

Gabriele Krone-Schmalz hat dieses Buch nicht geschrieben.
 

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Friedel Brasseur | Fr., 23. März 2018 - 11:28

Danke für den Kommentar. Dem ist nichts hinzuzufügen - ausser - wer lädt diese Dame immer wieder neu in Talkshows ein - warum -

Der Show wegen? Ich möchte in den wichtigen Fragen informiert und nicht einseitig und durch und durch für dumm gehalten und unterhalten werden!!!

Für wie blöd hält die einen und wer in "Gottes Namen" kauft Ihre Bücher?

Friedel