Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Frau Fried fragt sich - Was aus ihren jungen Facebook-Freunden wurde

Was nur wurde aus der generationenübergreifenden Solidarität auf Facebook, fragt sich Amelie Fried. Ihre Petitionsaufrufe sind jetzt uncool und peinlich soll sie auch noch sein...

Autoreninfo

Amelie Fried ist Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin. Für Cicero schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben sonst noch an Fragen aufwirft

So erreichen Sie Amelie Fried:

Am Anfang war Facebook Balsam fürs Selbstbewusstsein: Täglich bekam ich Anfragen von Freunden meiner Kinder, die sich mit mir befreunden wollten. Hey, dachte ich, diese jungen Menschen finden dich so cool, dass sie mit dir vernetzt sein wollen, wie geil ist das denn? Ich gebe zu, ich war sehr stolz. Ich verfolgte ihre kryptischen Mitteilungen, die nicht selten unter dem Einfluss interessanter Substanzen entstanden zu sein schienen. Ich verteilte hie und da ein „Gefällt mir“ oder schrieb einen launigen Kommentar unter ein Party-Bild. Ich war berauscht von der generationenübergreifenden Solidarität mit Opfern von Massentierhaltung und Naturkatastrophen und der einhelligen Ablehnung von Karl-Theodor zu Guttenberg. Diese jungen Menschen und ich, wir waren uns wirklich nahe.

Inzwischen hat meine Tochter mich entfreundet. Sie findet es peinlich, wie viel ich poste, was ich poste, ja: dass ich überhaupt poste. Sie (und mit ihr viele Gleichaltrige) ist endgenervt davon, dass wir Oldies ihr junges Facebook gekapert haben und nun mit unseren gesellschaftspolitischen Debatten und intellektuellen Spitzfindigkeiten zumüllen. Wie der Schriftsteller Peter Glaser, der ein Filmfestival mit „Wer Cannes, der Cannes“ kommentiert oder Drogen gendert: „Heute: Omium“. Dass der SPD-Kandidat Christian Nürnberger seinen Bundestagswahlkampf auf FB betreibt (und zur Aufmunterung gelegentlich ein Tierbild von mir erhält). Und dass der vegan lebende Antiquar und Kleinverleger Tobias W. Fotos seiner Frau, seiner Tattoos, seiner Katzen und seiner Abendmahlzeiten nebst Weinauswahl postet – gern mit dem Zusatz „100% bio#organic, wie immer“.

Mein Coolness-Faktor ist dahin


„Ihr habt wohl alle kein Leben!“, lautet die jugendliche Standardantwort auf Fragen, was denn an solchen Mitteilungen schlechter sein solle als an ihren. Facebook, so wird man belehrt, sei nicht mehr das Medium, über das man Befindlichkeiten mitteile oder sich ernsthaft austausche. Jedenfalls nicht, wenn man cool sei. Man benutze FB höchstens noch als Mail-Programm, um Veranstaltungen zu organisieren oder um sich für Events zu verabreden. Wer heute noch Petitionsaufrufe für die Rettung der Wale oder die Abschaffung von Kinderarbeit poste oder sich mit ironischen Sprüchen profiliere, könne nur ein armer Nerd sein, der keine Freunde habe.

Diese Diagnose schmerzt. Neben Tierbildern poste ich nämlich leidenschaftlich gern Petitionsaufrufe. Das gibt mir das angenehme Gefühl, politisch aktiv zu sein, ohne mich anstrengen zu müssen. Meine Ironiefähigkeit hat sich in den Jahren meiner Facebook-Aktivität bestimmt auch verbessert. Aber mein Coolness-Faktor ist definitiv im Eimer.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.