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Franziskus und die Karnickel - Das ist nicht lustig

Kisslers Konter: Laut Papst Franziskus brauchen sich Katholiken nicht wie die Karnickel zu vermehren. Auch zu den Attentaten von Paris fiel ihm eine Pointe ein. Der Stuhl Petri aber ist keine Bühne der eigenen Witzigkeit

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Beliebt ist Papst Franziskus wegen seiner Gesten. Sie senden eine klare Botschaft aus: Kommt her zu mir, ihr Armen und Kranken, die Kirche steht an eurer Seite, euer Bruder will ich sein. Der Argentinier lässt sich gerne umarmen und umarmt selbst gern. Mit ihm regiert eine neue Nahbarkeit im Vatikan. Hier soll, durchaus jesusgemäß, rasten und aufatmen, wer es sonst schwer hat im Leben. Franziskus will ein Papst der Ränder sein und der Randständigen, geographisch wie soziologisch. Die Bilder lassen daran keinen Zweifel.

Weniger klar sind die Botschaften des Wortes. Ein Heer von Hermeneutikern steigt tief hinab in die schlicht gehaltenen, oft spontan formulierten Ansprachen, um Stein oder Perle ans Tageslicht zu befördern. Auf einen Begriff lässt sich dieses Pontifikat nicht bringen; es schillert gerade so wie der Amtsinhaber selbst, steht mal im progressiven und dann im konservativen Licht. So hat er nun im Rückblick auf seine Philippinen-Reise den seligen Vorgänger Paul VI. dafür gelobt, dass er das Ehesakrament deutlich an die Bereitschaft der Eheleute gekoppelt habe, Eltern zu werden, Kinder zu empfangen. Und er empfahl zur Lektüre den 1903 erschienenen Roman „Der Herr der Welt“ des englischen Konvertiten Robert Hugh Benson – eine düstere Parabel vom letzten Papst auf Erden und dem Kampf gegen den Antichristen. Das Buch endet mit der Apokalypse, darf also als Ermunterung gelesen werden, gerade in Bedrängnis dem katholischen Glauben treu zu bleiben.

Andererseits – und bei Franziskus ist das Einerseits-Andererseits Methode – warnte er vor unkontrollierter Fortpflanzung im Namen des Glaubens. „Verantwortete Elternschaft“ laute das Zauberwort. Darum sei die Null-Kind-Familie in Teilen Europas ebenso ein Problem wie die Vermehrung um der Vermehrung willen in anderen Regionen. Gegen natürliche Empfängnisverhütung habe die Kirche nichts einzuwenden. Gute Katholiken bräuchten nicht wie die Karnickel zu sein.

Mit Verlaub: Das ist anmaßend und eher dreist als schrullig, eher verletzend als witzig. Einerseits kritisiert Franziskus immer wieder und zu Recht die Versuchung des Geschwätzes, gerade unter Kirchenleuten, andererseits plappert er in einer Weise drauf los, die an seinem Amtsverständnis zweifeln lässt. Nicht jeder lockere Spruch ist papabile. Hinter jeder Pointe lauert bekanntlich eine Eitelkeit, hier ist sie mit Händen zu greifen. Was sollen nun, dies- und jenseits der Philippinen, Eltern mit vielen Kindern denken? Dass sie zu viele Karnickel geworfen haben?

Acht Kinder? Unverantwortlich
 

Der Papst meinte belehren zu müssen, laut der Experten seien „drei Kinder pro Paar“ die richtige Zahl, um das Überleben der Bevölkerung zu sichern. Soll künftig in katholischen Beratungsstellen vom vierten Kind abgeraten werden? Übernehmen die Demographen und Populationsforscher das Lehramt? Soll vom Kaiserschnitt abgeraten werden, den Franziskus offenbar als Synonym für eine Risikoschwangerschaft deutet? Er berichtete, er habe eine Frau dafür gescholten, dass sie zum achten Mal schwanger wurde trotz bisheriger Geburten qua Kaiserschnitt – damit habe die Frau Gott herausgefordert und unverantwortlich gehandelt. Eine solche Maßregelung ist genau das, was die Bilder des Papstes doch vermeiden sollen, ein Schurigeln von hoher Warte, eine Strafpredigt ex cathedra.

Kaum klüger handelte Franziskus zuvor, als er die islamistischen Attentate von Paris zum Anlass für einen Witz nahm. Einerseits sei die Meinungsfreiheit ein fundamentales Recht, niemand dürfe „töten im Namen der eigenen Religion, das heißt im Namen Gottes“. Andererseits gebe es Grenzen der Meinungsfreiheit: Wer zum Beispiel seine Mutter beleidige, müsse damit rechnen, „eins auf die Nase“, also einen Faustschlag zu bekommen. Was folgt aus der päpstlichen Pointe? Dass die Mörder von Paris die falschen Mittel wählten, aber den richtigen Impuls hatten? Dass die Brüder Kouachi es dabei hätten bewenden lassen sollen, die Zeichner von „Charlie Hebdo“ zu verprügeln? Empfiehlt Franziskus als religionspolitisches Motto „Wer nicht hören will, muss fühlen“? Auf jeden Fall schwingt im Witz ein gerüttelt Maß Verständnis für die vermeintlichen Motive der Mörder mit – und abermals eine Prise Eitelkeit.

Ich weiß nicht, ob die Journalisten gelacht haben, als der Papst katholische Ehepaare, die eigenen Leute also, mit Karnickeln verglich; ob gelacht wurde, als er vom Nasenstüber schwadronierte. Glücklicherweise sind die Zeiten lange vorbei, da das Lachen in der Kirche als sakrilegisch galt. Wer zum Lachen in den Keller geht, ist kein überzeugender Bote Jesu. Diesen Vorwurf muss sich Franziskus nicht machen. Ein Pontifex aber sollte den Stuhl Petri nicht zur Bühne der eigenen Witzigkeit machen. Er sollte wissen, dass er nie nur persönlich spricht, dass in den Scherzen von heute der Unfriede von morgen liegen kann. Bei aller Wertschätzung für das Erbe des Namenspatrons von Bergoglio: Die Zeiten sind zu ernst für einen Gottesgaukler.

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