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Germanwings-Kommentar in der „Emma“ - Feminismus war einmal

Kisslers Konter: Mit der Frauenquote Flugzeugunglücke verhindern? Antifeminismus ächten? Solche Vorschläge zeigen: Der Feminismus hat seine besten Zeiten hinter sich

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Feministinnen: Das waren einmal Frauen, die sich sehr für die Sache ihres Geschlechts einsetzten, Frauen, die hartnäckig und mitunter gewitzt und manchmal gelehrt dafür warben, die Hälfte von allem zu bekommen, weil sie nun einmal die Hälfte der Weltbevölkerung stellten. Ich gestehe, dass ich mir bis zuletzt Sympathien für diesen Menschenschlag bewahrt habe. Warum, dachte ich bis zuletzt, sollen kämpferische Frauen sich nicht über alles beschweren, was ihnen der Beschwerde wert erscheint? Feministinnen haben gerade so ein Recht, mir auf die Nerven zu gehen, wie es Veganer, Castingshow-Moderatoren oder Topmodels haben.

Seit der vergangenen Woche aber ist der Feminismus in seine historische Phase eingetreten. Nur im Museum (und an manchen Universitäten, was manchmal dasselbe ist) können wir ihm künftig begegnen. Er hat sich aus der Gegenwart ebenso entschlossen verabschiedet wie aus dem Raum des Argumentierens und Räsonierens. Er hat nur Ressentiments und Rückzugsgefechte zu bieten. Der mittlerweile berüchtigte, bei der „Emma“ veröffentlichte, Kommentar zur „Germanwings“-Katastrophe und eine Notiz aus der akademischen Welt der Berliner Freien Universität lassen kaum einen Zweifel: Feminismus, das war einmal. Ihn heute noch ernstnehmen, hieße bei den Kelten anfragen, wie man zum Mars gelangt.

Luise Pusch – das habe ich gelernt – ist eine 71-jährige feministische Sprachwissenschaftlerin und Schriftstellerin, die sich Meriten erworben habe im Kampf wider den „Androzentrismus“ der deutschen Sprache. Das meint vermutlich, dass unsere Muttersprache zwar Muttersprache heißt, tatsächlich aber durch ihre Struktur eher männliche denn weibliche Vorstellungen transportiere, zementiere. Das „Binnen-I“ war eine ihrer Anregungen, diesem Mangel abzuhelfen. In ihren Kolumnen, deren neueste Emma.de zweitveröffentlichte, schlägt sie das Maskulinum, wo sie es trifft, sei es beim Saarländischen Rundfunk, wo partout nur „Fragen an den Autor“ gestellt werden, sei es bei jener „typisch männlichen Kombination von Überheblichkeit und Unwissenheit“, die sich in der U-Bahn durch das „Mannspreizen“ der Beine manifestiere. Gerne spielen Luise Pusch und Mit-Feministin Senta Trömel-Plötz (76) sich die Bälle des Dünkels zu.

Zu „Germanwings“ wusste Pusch den Gedanken beizusteuern, mit einer Frauenquote im Cockpit wäre der Todesflug des Airbus 320 vermutlich nicht passiert. Wer die Quote hintertreibt, spielt mit dem Leben Unschuldiger? Das lässt sich herauslesen aus Puschs Sätzen: „Die Lufthansa könnte das Risiko, dass ihre Piloten das Flugzeug zu Selbstmord und vielfachem Mord missbrauchen, mit jeder Frau, die sie zur Pilotin ausbilden, ganz erheblich reduzieren.“ Frauen, weiß Pusch, neigen kaum zu solchen Taten, derlei Aggressivität gegen sich und andere sei eine Männerspezialität. Dumm nur, dass wesentlich weniger Frauen als Männer sich für den Pilotenberuf interessieren, das hoffentlich ausschlaggebende Kriterium der Qualifikation massiv hintanstehen müsste, wollte man Puschs Vorschlag folgen. Zudem ist es atemberaubend zynisch und relativ dämlich, das Lieblingsspielzeug der feministischen Akademikerinnen, die Quote, als „Vorbeugungsmaßnahme gegen weitere Katastrophen in der Luftfahrt“ anzupreisen.

Dass ein solcher Setzkasten-Feminismus, der selbst tragischste Phänomene durch die Brille des Geschlechtermachtkampfes betrachtet, der die Gegenwart also einteilt in Geländegewinne und Geländeverluste, dieser Gegenwart keine Fingerzeige geben kann, liegt auf der Hand. So ist es vielleicht logisch, dass die Freie Universität Berlin zum feministischen Rückzug auf Raten bläst. Eine 1981 gegründete „Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung“ (ZEFG) hat ein neues, ein letztes Arbeitsfeld entdeckt: den Kampf gegen den „Antifeminismus“.

Nicht mehr also soll konstruktiv und staatlich alimentiert eine „gerechtere Partizipation von Wissenschaftlerinnen“ – ohne Binnen-I, versteht sich – an der Universität erreicht werden. So steht es als Reminiszenz im Selbstbild des ZEFG. Defensive ist jetzt angesagt und Destruktion. Die „Antifeministen“ werden als der neue Feind ausgemacht. Ihnen, den Kritikern von Gender und Gleichstellung, widmet das ZEFG ein „Werkstattgespräch“ mit klarer Zielsetzung: Feministische „Gegenstrategien“ sollen gefunden werden, denn „Antifeministen“ tun schlimme Dinge.

Mit dem „Antifeminismus“ hat der akademische Feminismus, noch immer staatlich alimentiert, eine finale Spielwiese gefunden. Er definiert sich nun im Gegenüber, im Kontra, im Ablehnen, nicht länger im Aufbauen und Fordern. Er kapituliert vor seinen eigenen Ansprüchen. Der Versuch, mit dem „Antifeminismus“ einen Straftatbestand des Denkens zu etablieren, ein künftiges hate crime, zeigt, wie rasch und endgültig dem Feminismus die Felle davon geschwommen sind. Er will drohen statt argumentieren, netzwerken statt aufklären. Die Rückverwandlung feministischer Wissenschaft ins Parolen- und Radaumachen, in den kommunardenhaften Agitprop also, ist der eine Knall zu viel, mit dem nun der ganze Luftballon zerstiebt. Friede seinen Fetzinnen.

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