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Emanzipationskritik - Männer fürchten sich vor weiblicher Konkurrenz

Ein läppischer „Herr Professorin“ löst Empörung aus. Die Sprachhüter müssen sich fragen lassen, ob es ihnen nicht einfach nur darum geht, den status quo zu wahren

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Dieser Artikel ist eine Kostprobe aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie in unserem Online-Shop erwerben können.

 

 

 

Herrlich, was konnten wir uns wieder über diese dämlichen Gutmenschen aufregen! Da beschließt die Universität Leipzig doch tatsächlich, beide Geschlechter als „Professorin“ zu titulieren. „Herr Professorin“ soll es künftig also in Sachsen heißen. Es handelte sich bei dieser sprachlichen Maßnahme offenbar zwar nur um die pragmatische Lösung zur Vermeidung der vom Hochschulsenat als umständlich empfundenen Schrägstrichvariante „Professor/Professorin“. Aber manchmal macht Pragmatismus die Dinge eben nicht leichter, sondern schwieriger.

Denn in der ideologisch ohnehin schon aufgeheizten Männer-Frauen-Debatte vertiefen solche Eingriffe in die gewohnte Ausdrucksweise die Gräben zwischen den gegnerischen Lagern. Wer den Feminismus schon immer als Grundübel und Gefahr für die abendländische Zivilisation angesehen hat, wird sich nun im Hass auf die vermeintliche Diktatur des Gender Mainstreaming bestätigt sehen – während von der anderen Seite unangenehmes Triumphgeschrei zu vernehmen ist nach dem Motto: „Jetzt wird der Spieß mal umgedreht!“

Natürlich hätte ich keine Lust darauf, offiziell als „stellvertretende Chefredakteurin“ zu firmieren. Andererseits kann man sich schon fragen, warum im Impressum dieses Magazins zwei Frauen ganz selbstverständlich als „Ressortleiter“ bezeichnet werden und eine weitere Kollegin den Titel „Art Director“ trägt. Nein, in der Geschlechterfrage, die naturgemäß zuallererst eine Frage der Gerechtigkeit ist, liegt immer noch einiges im Argen. Und ich frage mich ernsthaft, wie sehr mir selbst diese offensichtlich immer noch existierende Gerechtigkeitslücke eigentlich am Herzen liegt.

Der Schweizer Autor Markus Theunert hat in seinem unlängst erschienenen Buch „Co-Feminismus: Wie Männer Emanzipation sabotieren – und was Frauen davon haben“ sehr schön die Figur des „Co-Feministen“ herausgearbeitet, der Gleichstellung eine gute Sache findet, solange er damit nichts zu tun hat. „Aus Indifferenz, Angst oder Kalkül gibt er den Frauenversteher und drückt sich damit erfolgreich vor der Auseinandersetzung mit seinem Mann-Sein“, so Theunert. Da ist mehr dran, als einem lieb sein kann.

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Meine bisherige Argumentationsweise als klassischer Co-Feminist ging ungefähr so: Natürlich bin ich für die bedingungslose Gleichberechtigung von Männern und Frauen, was denn sonst! Aber deswegen brauchen wir doch keine Quote, denn die Frauen holen uns schon seit Jahren ein und werden demnächst in allen gesellschaftlichen Bereichen mindestens genauso zahlreich vertreten sein wie Männer. Marissa Mayer ist immerhin Vorstandschefin bei Yahoo; Angela Merkel Bundeskanzlerin. Und überhaupt sind Mädchen in der Schule erfolgreicher als Jungs. Also bitte nicht noch mehr staatliche Eingriffe und erst recht keine weitere Verhunzung der deutschen Sprache – die berühmte Binnenversalie war schon schlimm genug. Lauter Sätze, die einem halt so einfallen, wenn man eigentlich nicht will, dass sich irgendetwas ändert. So ist es nämlich: Die meisten Männer, die treuherzig von Frauenrechten schwafeln, setzen insgeheim auf den Status quo. Was auch verständlich ist, wer freut sich schon über Konkurrenz?

An der Universität Leipzig liegt der Anteil der Professorinnen übrigens bei unter 20 Prozent (was sicher nicht daran liegt, dass Frauen über weniger wissenschaftliches Talent verfügen als Männer). Auf dieses krasse Missverhältnis hat die Leipziger Hochschulrektorin hingewiesen, als sie sich wegen der auf den ersten Blick bizarr erscheinenden Sprachregelung öffentlich rechtfertigen musste. Aber an solche Zahlen ist man ja gewöhnt, genau deswegen verursachen sie auch keine Empörungswellen. Ein läppischer „Herr Professorin“ dagegen schon. Solange sich daran nichts ändert, sollten sich die aufgeregten Hüter der deutschen Sprache fragen, ob es ihnen in Wahrheit nicht um etwas ganz anderes geht: Besitzstandswahrung nämlich.

 

 

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