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(picture alliance) Erkaufte Freundschaften? "Alles ist möglich!"

Schöne neue Facebook-Welt - Eine Freundschaft für 14 Cent

Dass mit sensiblen Daten Handel getrieben wird, ist hinlänglich bekannt. Doch das Phänomen des Freunde-Kaufs auf Facebook findet weitgehend wenig Beachtung, ist jedoch im Netz seit längerem Realität. Cicero Online hat sich auf virtuelle Spurensuche begeben, sich Freunde „erkauft“ und mit Anbietern gesprochen.

Susi E. grillt gerne. Sie hat eine Vorliebe für Marilyn Manson und ist in einer Beziehung mit C. Sie teilt ihren Freunden auf Facebook mit, wo sie arbeitet, wo sie zur Schule gegangen ist, in welcher Stadt sie lebt, welche Filme sie mag, auf welche Konzerte sie geht und anhand ihrer Bilder ist festzustellen, mit wem und wo sie ihren letzten Urlaub verbracht hat. Außerdem fährt sie gerne schnell Auto, was ihr kürzlich ein Bußgeld in Höhe von 370 Euro einbrachte. Susi ist eine gewöhnlich Facebook-Nutzerin, hat 166 Facebook-Freunde und geht nicht wesentlich offenherziger als viele andere Facebook-Nutzer mit ihren Daten um, nimmt sie doch an, dass die Menschen, die Zugriff auf ihr Persönlichkeitsprofil haben, zumindest in irgendeiner Art und Weise mit ihr bekannt sind.

Was Susi nicht weiß, sie ist mit dem Autor dieses Artikels „befreundet“, obwohl sie ihn nicht kennt. Er hat sich ihre Facebook-Freundschaft erkauft. Susis Freundschaft hat den Autor 0,1398 Euro gekostet.

Was wie ein virtueller Fetisch klingt, ist mittlerweile zu einem richtigen Markt avanciert. Bei Ebay werden 50 Facebook-Freunde bereits für 6.99 Euro angeboten. Ein solcher Anbieter ist beispielsweise der Ebay-Verkäufer „Media.solutions14“, der eine Freundschaft bereits für knappe 14 Cent feilbietet. Natürlich seien auch größere Pakete möglich, versichert der Verkäufer auf Nachfrage. Fünf Prozent Stammkundenrabatt gebe es bereits ab einer Bestellung von 500 Freunden. Die Freunde, so der Anbieter, kämen aus Deutschland und seien keine Fake-Accounts. Hinter den jeweiligen Profilen verbergen sich reale Personen. Bei einem Aufpreis von 0,05 Cent pro Freund können sogar Freunde nach Interessen generiert werden. Auf die Frage, ob auch das Geschlecht der künftigen Freunde wählbar sei, ob es beispielsweise möglich sei, nur fußballinteressierte Frauen zu „bestellen“, heißt es von Seiten des Anbieters: „Natürlich. Alles ist möglich!“ What a brave new Facebook-World! Wie genau die Freunde „generiert“ werden, will der Verkäufer nicht verraten. Dabei ist sein Schweigen weniger Ausdruck einer Angst vor möglichen datenschutzrechtlichen Konsequenzen, als er vielmehr um die vermeintliche Exklusivität seiner Geschäftsidee fürchtet.

Wesentlich auskunftsfreudiger ist da Jafeth Mariani. Seine Agentur Aladygma-Marketing bietet 10000 Freunde für bereits 390 Euro an. Mariani ist ein sehr umtriebiger und findiger Geschäftsmann, der seine Ideen in den Bereichen des Online-Marketings und Viralen-Marketings verortet. Er wirbt ganz offen und in verschiedenen Portalen für seine Angebote. Das kommerzielle Geschäft beziehe sich aber mehr auf sogenannte Facebook-Fans als auf Freunde, sagt Mariani. Fan kann ein Facebook-Mitglied einer gewerblich erstellten Facebook-Seite werden. Facebook-Freunde beschränken sich auf Profile zum Zwecke privater Nutzung. An Mariani treten vorrangig Anbieter solch kommerzieller Facebook-Seiten heran, um die Anzahl ihrer Fans zu erhöhen. Die Käufer erhoffen sich einerseits davon, ihre Inhalte unter mehr Anhängern zu verbreiten, andererseits signalisiert eine hohe Anzahl an Fans der Konkurrenz und der Kundschaft das Florieren des eigenen Geschäftes.

Um an die Fans zu kommen, bedient sich Mariani mehrerer Methoden. Er hat beispielsweise einen viel gelesenen Blog, auf dem er ein Thema bewirbt, das der Auftragsfirma entspricht. Bekommt er etwa einen Auftrag einer Autofirma, schreibt er auf seinem Blog einen auto-beziehungsweise unternehmens-affinen Artikel, der wiederum auf den Facebook-Auftritt des Kunden verweist und mal mehr, mal weniger subtil dazu auffordert, Fan dieser Seite zu werden. Außerdem wirbt Mariani in anderen Blogs und Netzwerken, um Fans für seine Kunden zu gewinnen. Mariani klagt jedoch, dass es immer schwerer geworden sei, Fans zu rekrutieren, da Facebook versuche, solche Entwicklungen zu erschweren.

Von Seiten einer Facebook-Sprecherin heißt es dazu nüchtern: „Facebook verurteilt Ansätze, die den Handel mit Facebook-Fans und -Freunden betreffen und prüft solche Hinweise selbstverständlich. Facebook behält sich dabei die Möglichkeit offen gegen Firmen und Marken, die den Kauf oder Verkauf von Fans unterstützen, rechtlich vorzugehen.“

Selbst Mariani warnt vor schwarzen Schafen in dem Bereich. Als solche bezeichnet er Anbieter, die beispielsweise damit werben, tausende Fans/Freunde innerhalb von 24 Stunden zu generieren. Das sei definitiv nicht möglich, ist sich Mariani sicher. Um 10 Leute zu erreichen, rechnet er vor, müssten mindestens 100 eingeladen werden.

Der prominenteste Fall, der wegen des Verdachts des Anhänger-Kaufs in die Schlagzeilen geriet, war der Fall der Pro-Guttenberg-Unterstützer-Seite. Innerhalb kürzester Zeit mobilisierte die Gegen-die-Jagd-auf-Karl-Theodor-zu-Guttenberg-Facebook-Seite hunderttausende Fans. Die Skepsis vergrößerte sich als von diesen letztlich nur sehr wenige den Weg auf die Straße fanden, um den Wir-wollen-Guttenberg-zurück-Protesten beizuwohnen. FDP-Mitglied und Initiator der Guttenberg-Facebook-Seite Tobias Huch dementiert dieses Gerücht vehement. Bei den Anhängern handele es sich um echte Fans, die freiwillig der Seite beigetreten seien, so Huch. Und auch Jafeth Mariani, der der Pro-Guttenberg-Seite aufgrund ihres kometenhaften Aufstiegs mit anfänglicher Skepsis begegnete, spricht mittlerweile fast schon in einem Ton der Bewunderung über den rasanten Erfolg der Seite.

Erfolg, für den Mariani auch ausgefallenere Wünsche seiner Kunden bedient: Ein Bekleidungsunternehmen etwa wünschte sich Frauen eines bestimmten Alters aus einer bestimmten Stadt. Marianis Geschäftigkeit hat jedoch Grenzen. So gebe es auch Anfragen, die er ablehne. Eine Sekte, die einst an ihn herangetreten sei, um sich mit ein paar tausend virtuellen Anhängern zu schmücken, verhalf er beispielsweise nicht zum gewünschten Erfolg. Gibt es sie also doch noch, Moral im Netz? Weit weniger moralisch als ökonomisch denkend, zeigt sich Mariani aber, wenn er beispielsweise Profilinhabern anbietet, ihr Profil quasi zu „verkaufen“. 100 Klicks entsprechender Seiten sind Mariani beispielsweise 20 Euro wert. Das sei jedoch bei seinen Kunden nicht so gern gesehen, wollen die Kunden Marianis doch „Fans“, die sich mit der angebotenen Seite, dem Produkt auch identifizieren.

Erfahren Sie im zweiten Teil, wie Datenschützer und Juristen das Phänomen des Freunde-Kaufs einordnen.

Probleme mit Datenschützern, die Anstoß an seinen Geschäften nehmen könnten – immerhin werden teils sensible Daten gehandelt – hat Mariani bisher nicht. Nein, Ärger gebe es eher mit Kunden, so Mariani, denen es nicht schnell genug gehen könne. Und tatsächlich ist das Phänomen des Freunde-Kaufs den zuständigen Datenschützern mit Sitz in Hamburg weitgehend unbekannt.

„Wo kein Ankläger, da kein Richter“, erklärt Udo Vetter, Fachanwalt für Strafrecht und ausgewiesener Kenner in rechtlichen Angelegenheiten das Internet betreffend. Gerade wettbewerbsrechtlich ist es schon problematisch, wenn zum Beispiel Immobilienmakler oder Reisebüros durch den Kauf von Fans ihren Kunden und Mitbewerbern suggerieren, sie seien besonders gut im Geschäft, so Vetter. Außerdem stellt sich beim Kauf von Freunden die Frage, ob diese letztlich auch darüber Bescheid wüssten, dass sie gekauft seien. Das muss besonders bei der sogenannten Fishing-Methode in Zweifel gezogen werden. Der Anbieter stellt dabei willkürlich Freundschaftsanfragen im Namen des Kunden, in der Hoffnung, dass sich genug Facebookmitglieder finden, die die Anfrage dann in dem Glauben bestätigen, der Antragsteller sei vermutlich irgendwie bekannt.

So geschehen im Falle von Susi E., die höchstwahrscheinlich nicht damit gerechnet hat, dass sich jemand käuflich um ihre virtuelle Freundschaft bemüht. Fakt ist, es gibt einen Markt – und Facebook ist mit über einer halbe Milliarde Nutzern ein gigantischer Markt – in dem Anbieter wie Mariani auf die Nachfrage Dritter reagieren. Längst haben kommerzielle Anbieter soziale Netzwerke wie Facebook für sich entdeckt und machen sich den freizügigen Umgang der User untereinander zunutze. Freunde werden Teil des Geschäfts und dienen den Werbenden als Multiplikatoren, um ihre zum Teil gewerblichen Inhalte unter das virtuelle Volk zu bringen. Es ist an den Nutzern, sich dessen bewusst zu werden und sich für derartige Auswüchse des sogenannten „Viralen Marketings“ zu sensibilisieren. Doch wenn es unmöglich wird, Werbung als solche zu erkennen, wenn „Freundschaften“ Teil eines Merchandise-Systems werden, muss das soziale Netzwerk selbst, also Facebook, eingreifen. In jedem Fall bedarf es einer Diskussion, einer Sensibilisierung für derartige Vorgänge, damit Susi und all den anderen Facebook-Usern ihr Sendebewusstsein nicht zum Nachteil gereicht.

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