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(picture alliance) Schon jetzt ein Klassiker: Kaffee aus dem afrikanischen Staat Togo?

Sprachpanscher - Die Englisch-Invasion

Anglizismen bestimmen zunehmend das Straßenbild. Vor allem im Einzelhandel gilt es als modern auf englischsprachige Wörter zurückzugreifen. Leider werden sie entrückt und in einen falschen Kontext gestellt. Die Lächerlichkeit bahnt sich ihren Weg

Menschen gehen schrecklich nachlässig mit ihren Sprachen um. Die meisten Tortenheber, Einbauküchen oder Automobile werden pfleglicher benutzt. Das gilt besonders in Deutschland.

Sprache und Tortenheber sind beides Kulturwerkzeuge. Aber wir dürfen nicht so tun, als seien sie gleichzubehandeln. Sprache bleibt unser primäres, identitätsstiftendes Werkzeug. Wenn wir von dem einen verbindenden Element sprechen, das für Deutschland steht, dann sind es nicht Semmelknödel oder Spätzle, Udo Lindenberg oder Beethovens Neunte. Nein,  das alles Verbindende ist unsere Sprache. Dem folgend ist für dieses zentrale Werkzeug höchste Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu fordern.

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Grade Letztere scheint ihr abhanden gekommen. Der deutsche Wörtersee der Einkaufstempel, des Einzelhandels, der Konsumwelt, der Außenwerbung in „Malls“ und „Centers“ zeigt landesweit erschreckend flache Wasser. Sie locken zurzeit mit New Brands im Fit-for-school-campus. Es ist zum Fürchten. Manche Einkaufsstraße kommt per Zufall noch auf eine Deutsch-Quote von 50 Prozent. Das ist zwar nur eine Problemstrecke für das Deutsche (neben seiner Ausdünnung und Gefährdung in den Bereichen Hochtechnologie, Wissenschaft, Werbung, Medien und Sport), dafür aber eine gut sichtbare.

Das Deutsche ­– mit rund 105 Millionen Muttersprachlern der größte Sprachraum in Europa zwischen Atlantik und Russland – tritt auf wie eine verhuschte Kleinsprache, die ohnehin untergangsgeweiht ist. Von Selbstbewusstsein in Würde keine Spur. Dabei ist Deutsch nicht bedroht, nein: Es wird verkorkst  durch eine sonderbare Form von Globalisierung.

Worte wandern ins Deutsche nicht ein, sie werden eingepresst  im Kontext einer kalten ökonomisch-technologischen Effizienz-Rechnung, die Vereinheitlichung auf Kosten der Vielfalt erzwingt. Deshalb sind auch alle Verweise auf frühere Wortübernahmen ins Deutsche, sei es aus dem Lateinischen oder dem Französischen, verharmlosend und schlicht hinfällig. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts dominiert ein sprachhistorisch bis dato einmaliger Anpassungsdruck hin zur weltweiten Uniformität.

Wie die Englisch-Invasion ungezügelt und ohne nachzudenken in den Schaufenstern Einzug hält 

Dabei wird vor allem die Invasion unnötiger englischer Termini ins Deutsche europaweit bestaunt. Deutsche Verbraucher ertragen es scheinbar mit Achselzucken. „Sale“ hat den Schlussverkauf ersetzt. Schöner? Besser? Oder: Sind wir nun klüger? Im Gegenteil. Alle Innenstädte Deutschlands bieten „Sale“ an, also „Verkauf“. Entzückend. Allerdings erwarten wir nichts anderes von Geschäften. Obendrein: Für Italiener ist „Sale“ einfach Salz und für Franzosen ist „sale“ ein Adjektiv, und zwar mit der weniger hübschen Bedeutung von schmutzig oder dreckig.

Trotz aller Verständnisrisiken betreiben Deutsche weiter ihre ganz eigene, liebedienerische, sprachlich-geistige Selbst-Kolonisierung. Deutsch zu meiden gilt als schick, weltläufig und marktfähig. Ersetzung des Deutschen durch einen verqueren Sprech-Mix heißt dabei das Problem, keineswegs Ergänzung des Deutschen. Freunde aus dem Ausland, etwa aus den USA, dürfen tatsächlich nie in die „City“ (die korrekt ohnehin „Downtown“ heißen müsste) geführt werden: zu peinlich, das Pseudo-Englisch. Der „Body-Bag“ soll für den deutschen Kunden eine Variation von Rucksack sein, im Amerikanischen bezeichnet er den „Leichensack“. Und der lachhafte „Coffee to go“ ist was? Ein Kaffee zum Fortlaufen?

Ein Gang entlang der Schaufenster wird zur Probe für Hartgesottene. Ein Laden bietet „Interiors, accessoires, textiles, kids“ an. Also sind auch Kinder im Angebot. Enorm. Einer verspricht „Big labels, small prices“, das „Travel Center“ bietet „Tui Cruises“, eine Sportschuh-Boutique hat Ware „designed for sport and remixed for life“ und fordert „Respect the hangover!“, der Fahrradladen heißt „“Life on two wheels“, C&A geht – anders als Karstadt – nicht „back“, sondern „cool to school“, der „Unitymedia Shop“ bietet „2play plus50“, „The Phone House“ preist die „Allnet-Flat“ und „Starbucks“ bietet etwas an, das „Caramel Light Frappucino Blended Beverage“ heißt. Offenbar etwas zum Trinken.

„Power-Walking-Jackets“, „Outdoor-Jackets“, „Beach-Tops“ und „City-Weekend-Tops“, „Shortys“ und „Sleepshirts“ – alles quasi zum Lachen, aber vielleicht möchte der Kunde ja gar nicht primär lachen, sondern muttersprachlich ernst genommen werden und einfach nur Jacke, Hose oder Nachthemd kaufen. Womit wir zum Entscheidenden kommen: Alle Verbraucherbefragungen ergeben, dass zu viele Anglizismen das Verständnis blockieren, der Kaufimpuls hemmen und Ärger auslösen. Zudem werden mitunter vollkommen falsche Assoziationen in Bezug auf die Ware entwickelt.

Pure wirtschaftliche Einsicht und Opportunität würde mitten in Deutschland für deutsche Verbraucher tatsächlich die Sprache Deutsch als primär geeignete ansehen. Gerne kreatives, witziges, innovatives Deutsch. Aber kein Deutsch to go. Kein Defizit-Deutsch zum Fortlaufen.  

Am 8. September wird der Tag der deutschen Sprache begangen.

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