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(picture alliance) Hat seine Integration noch vor sich: "Döner mit alles"

Fremdwörter - Der Döner ist vollintegriert

Fremdwörter versetzen die Liebhaber der deutschen Sprache in Erregung. Deshalb hat der Potsdamer Germanist Peter Eisenberg ein Buch geschrieben, in welchem er zu dem Schluss kommt, das Fremdwort ist im Deutschen heimisch geworden. Eine Einführung ins Deutsche für alle, die schon Deutsch können

 

Der Döner ist vollintegriert. Diese beiläufige Feststellung Peter Eisenbergs taugt zum Lehrbuchbeispiel fürs Lehrbuchbeispiel. Man ist verblüfft und versteht. Anders gesagt, mit Eisenbergs Thema: Man ist frappiert und kapiert. Über die Fremdwörter, den Gegenstand, der wie kein anderer die Liebhaber der deutschen Sprache in Erregung versetzt, hat der Potsdamer Germanist ein dickes und dichtes Buch geschrieben.

Die entscheidende Prämisse des Autors: «Fremdwörter sind Wörter der deutschen Sprache.» Das Fremdwort ist im Deutschen heimisch – ein hoher Anteil importierter Wörter, die ins Auge fallen, ist eine Eigenheit unserer Sprache.

Dafür gibt es historische Ursachen und strukturelle Gründe. Als die Normannen England eroberten, brachten sie die französische Sprache mit. Die Übermacht der neuen Herren erzwang die Assimilation ihres Vokabulars. Sechshundert Jahre später erlernten die deutschen Oberschichten die Sprache Ludwigs XIV. Mit den Domestiken wollte man nicht parlieren. Französische Brocken auf deutschen Zungen sind ein Distinktionssignal geblieben.

Deutsche Wörter durchlaufen beim Gang durch Fälle und Zeiten vielfältige Endungswechsel. Die in der journalistischen Sprachkritik geäußerte Befürchtung, Anglizismen zerstörten die deutsche Grammatik, knüpft an die dadurch gegebenen Eingliederungsschwierigkeiten an. Wie soll etwa bei «Performance», einem neudeutschen Synonym für «Leistung », der Plural lauten?

Fremdwortkritik fürs gebildete Publikum wird seit den Befreiungskriegen betrieben. Die puristischen Kampagnen setzten just zu dem Zeitpunkt ein, da das Deutsche sich als Literatur- und Wissenschaftssprache durchgesetzt hatte. Der Kampf gegen das Französische war gewonnen – der Kampf gegen die französischen Wörter war nicht zu gewinnen. In solchen Selbsttäuschungen bleiben die Sprachhygieniker auch heute befangen.

Treffend bemerkt Eisenberg, dass dieselben Leute, die über Anglizismen klagen, auf der vermeintlich korrekten Aussprache der übernommenen Ausdrücke bestehen, obwohl die Anpassung an die im Deutschen übliche Lautbildung und Schreibung der Weg der Integration ist. So ist aus «recycled» im Kreislauf der Wiederverwendung schon «recycelt» geworden; wenn man den Infinitiv nicht mehr «recyclen», sondern «recyceln» schreibt, kann man das Verb konjugieren wie «regeln».

Dieter E. Zimmer rät vom Gebrauch von Verben wie «updaten» ab, weil man doch nicht sagen wolle, jemand date seinen Computer up. Eisenberg hält dagegen, dass es auch aus deutschen Elementen zusammengesetzte Verben gibt, bei denen man die getrennten Formen vermeidet, «spart bau» und «steigt berg». Die Fremdwortdebatte wird mit starken Meinungen bestritten, die sich auf das Sprachgefühl der Teilnehmer stützen. Eisenberg stellt dazu das Wissen zusammen, dessen Quellen und Grenzen er genau angibt. Er lässt die Sache sprechen, die deutsche Sprache, die im Umgang mit hartnäckig unvertraut klingenden Wörtern überraschend robust und kreativ ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum es häufig Zufall ist, ob sich ein fremdes Wort sich einpasst

Ob und wie ein fremdes Wort sich einpasst, hat mit Zufälligkeiten zu tun. «Döner» entspricht einem Urtypus des deutschen Wortschatzes, unter den unzählige Alltagswörter einheimischen Rechts fallen, von «Anker» bis «Zünder»: zweisilbig, auf der ersten Silbe betont, ausgehend auf «er», wobei die Endung als eine Art tonloses «a» gesprochen wird. Der Umlaut und seine Schreibung sind vertraut; das unterscheidet den «Döner » vom «Banker», dessen englische Herkunft man kennen muss, um das Wort richtig auszusprechen. Ist die Integration der unter Asozialitätsverdacht gestellten Finanzarbeiter gewünscht, dann ist der sprachliche Weg der Übergang zum «Bänker».

Eisenberg geht von einem synchronen Sprachbegriff aus, vom Deutschen, wie es heute gesprochen wird. Ein uraltes lateinisches Lehnwort wie «Acker» wird nicht mehr als fremd empfunden. Nicht die Herkunft macht das Fremdwort, sondern Gestalt und Verhalten, die vom «Kernwortschatz» abweichen. Nach diesem Maßstab ist «Döner» kein Fremdwort: Der Genitiv «des Döners» und der Plural «die Döner» werden regulär gebildet.

Eisenberg legt ein Hausbuch vor, eine Einführung ins Deutsche für alle, die Deutsch können. Man spricht die Beispielwörter laut mit und kommt sich vor wie im Deutschen Museum, wenn er durch die faszinierenden Innenwelten der Laut-, Wort- und Satzbildung führt, über deren Mechanik man sich beim Sprechen keine Gedanken macht. «Man darf gespannt sein», schreibt Eisenberg, neugierig und gelassen, «wie sich der Einfluss des Türkischen auf das Deutsche entwickeln wird.» Hat der «Döner mit alles» seine Integration noch vor sich, oder ist er genau in dieser Form schon ein deutsches Nationalgericht?

Peter Eisenberg: Das Fremdwort im Deutschen. De Gruyter, Berlin 2011. 440 S., 29,95 €

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