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Alamode Film

Blau ist eine warme Farbe - „So eine Rolle kommt nie wieder“

In Cannes lösten die Sex-Szenen fast einen Skandal aus, am Ende aber gewann „Blau ist eine warme Farbe“ die Goldene Palme. Jetzt kommt die Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Frauen in die deutschen Kinos. Die Hauptdarstellerin Adèle Exarchopoulos über zermürbende Dreharbeiten, die Lust am Essen und Tricks bei Gewichtsproblemen

Autoreninfo

Studierte Politikwissenschaft, Medienrecht und Werbepsychologie in München und Bologna.

So erreichen Sie Katharina Dippold:

Der Film basiert ursprünglich auf einer Graphic Novel. Dort heißt die Protagonistin jedoch Clementine. Der Regisseur Abdellatif Kechiche hat dann aber Ihren richtigen Namen für die Rolle gewählt. Wieso?
Wir waren einmal mit dem gesamten Filmteam im Zug unterwegs. Die ganze Zeit über hat uns Abdel mit der Kamera begleitet. Dabei hatte er selbstverständlich auch beobachtet, wie mich die anderen bei meinem Namen nannten. Das hat ihm irgendwie gut gefallen. Er mag den Namen ohnehin sehr gerne, im Arabischen bedeutet er nämlich Gerechtigkeit. So kam es, dass er mich gefragt hat, ob es für mich in Ordnung ginge, auch im Film Adèle zu heißen. Und ich war damit einverstanden.

Wie war das für Sie? Fällt es da nicht besonders schwer, zwischen Ihrem echten Leben und der Adèle im Film zu unterscheiden?
Nein, gar nicht, zumindest für mich persönlich war das kein Problem. Ich war stets sehr darauf bedacht, eine Distanz zu der Rolle zu wahren. Das fiel mir auch nicht schwer. Was mir eher Sorgen bereitete, war die Frage, ob auch die Zuschauer so eindeutig zwischen diesen beiden Charakteren unterscheiden.

[video:Blau ist eine warme Farbe]

Den gesamten Film zeichnet eine unglaubliche Nähe zur Kamera aus. Auch die Sexszenen zwischen Ihnen und Léa Seydoux sind intensiv und sehr direkt. Seydoux sagt mittlerweile, dass sie sich sehr dafür geschämt habe. Wie haben Sie das empfunden?
Das war wirklich nicht ganz einfach. Man darf sich dabei nicht umschauen. Denn während des Drehs sind in einem Raum schnell bis zu zehn Personen. Dazu kommen zwei Kameras, die einen permanent verfolgen. Aber auch daran gewöhnt man sich. Ich bin glücklicherweise körperlich kein schüchterner Mensch. Und um dieser Rolle gerecht zu werden, gehören diese Szenen nun einmal dazu.

Wie war die Zusammenarbeit mit Abdellatif Kechiche, dem Regisseur? Immer wieder ist zu lesen, dass die Dreharbeiten äußerst anstrengend und belastend gewesen sein mussten.
Anstrengend war es schon, denn Abdel ist nun einmal ein absoluter Perfektionist. Er verwendet keine Einstellung, mit der er nicht hundertprozentig zufrieden ist. Gleichzeitig lässt er seinen Schauspielern aber auch viele Freiheiten. Ist man beispielsweise der Meinung, seine Figur würde einer bestimmten Szene gut tun, auch wenn sie ursprünglich gar nicht vorgesehen war, lässt er durchaus mit sich reden. Er improvisiert einfach sehr gerne. Um die unterschiedlichen Jahreszeiten darzustellen, ist er beispielsweise selbst in den Baum geklettert und hat Blätter herunterrieseln lassen. Das war sehr spannend, jeder Tag war eine neue Entdeckung.

Würden Sie noch einmal mit ihm drehen?
Nicht sofort, aber zu einem späteren Zeitpunkt auf jeden Fall.

 

Sie sind gewissermaßen durch das Essen eines Zitronenkuchens zu der Rolle gekommen. Was für eine Person ist Adèle und welchen Stellenwert hat das Essen für sie?
Ja, das haben Sie richtig beobachtet (lacht): Adèle isst für ihr Leben gerne. Das grenzt regelrecht an Völlerei. Und das passt durchaus zu ihrem Charakter und zu ihrer ganzen Lebenssituation, da Völlerei ja immer auch zwischen Sünde und Hochgenuss changiert.

Auch die Lehrer sind ein wichtiger Bezugspunkt für Adèle. Was fasziniert sie an diesem Beruf?
Lehrer spielen auch schon in Abdels früheren Filmen eine große Rolle. Er ist davon überzeugt, dass Lehrer junge Menschen bei ihrer Entwicklung sehr inspirieren können. Dennoch erweist die Gesellschaft ihnen kaum den Respekt, der ihnen eigentlich gebührt. Es geht ihm also auch ein Stück weit um die Ehrenrettung dieses Berufsstands.Vielleicht wird Adèle deswegen am Ende auch selbst Lehrerin. Ihr geregeltes Leben steht nur scheinbar in Kontrast zur unendlichen Freiheit ihrer Freundin, die Kunst studiert. Aber diese Freiheit ist ja nicht echt, auch sie steckt in ihren Zwängen und Konventionen. Ich denke, das wollte er deutlich machen.

Der Film umspannt eine Zeitspanne von ungefähr fünf Jahren und begleitet Adèle beim Erwachsen-Werden. Wie schwierig war es für Sie, diesen Charakter über die gesamte Zeitspanne zu verkörpern? Immerhin durchläuft sie in diesem Zeitraum große Veränderungen…
Das ist richtig. Mir hat dabei sehr geholfen, dass wir stets chronologisch gedreht haben. Eigentlich sollte Adèle nach der Trennung von Emma abnehmen. Der ganze Dreh aber hatte sich so verzögert, dass mir dafür schlichtweg die Zeit fehlte. Also haben wir mit schwarzer Kleidung getrickst, die ja bekanntlich schlank macht.

Am Ende scheitert die Beziehung zwischen Adèle und Emma. Woran?
Da kommt wohl vieles zusammen. Ich denke aber, für das Scheitern ist weniger die Außenwelt verantwortlich, sondern eher die gänzlich unterschiedlichen Lebensentwürfe der beiden. Adèle stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen und fremdelt deswegen mit den reichen Künstlerkreisen, in denen sich Emma bewegt. Am Ende fühlt sie sich ziemlich ausgenutzt und von Emma im Stich gelassen. Ich glaube, es gibt dabei nicht den einen, alles entscheidenden Moment. Vielmehr sind es viele kleine alltägliche Situationen, in denen sich die beiden mental voneinander lösen.

Würden Sie diese Rolle nochmal spielen?
So eine Rolle kommt nie wieder.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Der Film "Blau ist eine warme Farbe" ist ab morgen, 19.12. in den deutschen Kinos zu sehen.

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