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Black Sabbath - Dieses Album ist ein Meisterwerk

Die Alterswerke von Deep Purple und Black Sabbath – zwei Platten, ein Kniefall

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Natürlich habe ich mich bei nächster Gelegenheit aus dem Büro gestohlen und sie geholt – nach all den wohlwollenden bis begeisterten Kritiken, die ich gelesen hatte. Und zu Beginn hatte diese Begeisterung von mir auch Besitz ergriffen. Doch je öfter ich „Now What?“ von Deep Purple hörte, umso mehr schröckelte diese Scheibe zusammen wie eine Dörrpflaume. Am Ende blieb nicht mehr als ein gelungenes Gesangs-Intro von Ian Gillan und eine schöne, lockere Boogie-Nummer irgendwo in der Mitte. Ansonsten ist es halt so: Don Airey ist ein brillanter Keyboarder, der Jon Lords Orgelspiel gut nachäffen kann, aber es bleibt hörbar ein Nachäffen. Und Steve Morse ist ein ebenso brillanter Gitarrist, aber sein Spiel hat keine Seele, keine Sinnlichkeit, schon gar nicht die Sinnlichkeit eines Ritchie Blackmore.

Deshalb, nur weil Deep Purple so fragen: Now what? Now nix. Leider, muss ich sagen.

Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin. Die harte Spielart dess Rock’n Roll, etwas hilflos und plump Heavy Metal genannt, speist sich aus drei Urströmen: Vor einem halben Jahrhundert entsprungen, haben sie eine ganze musikalische Landschaft geformt.  Und der zähste, schwerste, schwärzeste diese Urströme war Black Sabbath. Er war lange versiegt.[[nid:54641]]

Nach diesem ernüchternden Erlebnis mit Deep Purple 2013 waren also die Reserven groß, als die ersten Hymnen auf das Comeback-Album von Black Sabbath zu lesen waren. Aber trotzdem habe ich mich bei nächster Gelegenheit wieder aus dem Büro gestohlen und sie geholt, und zwar selbstverständlich – Marketingbluff hin oder her – die Langfassung mit den drei Bonustracks, dem Wackelbild und den paar Fotos im dürren Begleitheft..

Bin ich froh, dass ich das gemacht habe. Dieses Album ist ein Meisterwerk. Lange, lange, lange keine solche Neuerscheinung mehr gehört. Ich habe sie inzwischen etwa 30 bis 40 Mal durchlaufen lassen. Durchlaufen lassen, wohlgemerkt. Normalerwesie geht das Reinhören in neue Platten anders: Anspielen, Riff prüfen, na ja, geht so. Weiter. Nächster Titel.

Aber nicht bei der 13. Ich höre sie wieder und wieder in einem durch. Sie leistet sich keine Schwächen. Ozzy Osbourne trifft den Ton wie zuletzt in seiner zweiten kreativen Phase mit dem früh verunglückten Gitarren-Wunderkind Randy Rhoads. Aber das ist auch schon 30 Jahre her. Es ist kaum zu glauben, dass das der Ozzy Osbourne sein soll, den seine ehrgeizige Ehefrau Sharon in einer Soap namens „The Osbournes“ zwischenzeitlich der Menschenwürde beraubt hat, weil alle Welt sehen konnte, wie Alkoholmissbrauch aus einem Menschen ein körperliches und mentales Wrack machen kann.

 

Es gibt leise, aber nicht aufdringliche Anspielungen auf das Debutalbum der Band von vor über 40 Jahren, der zweite Melodie-Part des Openers sowie der prasselnde Regen und das Kirchengeläut am Ende des regulären Programms. Ansonsten aber ist 13 absolut frische Ware nicht mehr ganz frischer Herren. Es gleicht einer musikalischen Auferstehung. Diese unverhoffte Wunder vollbracht hat – einmal mehr - Rick Rubin, der alte Zausel (ein Porträt über ihn gibt’s in der Juli-Ausgabe von Cicero).

Tony Iommis Gitarrenriffs sind wuchtig und schleppend, seine Soli präzise und leicht. Sie tänzeln auf dem schweren Flor, den Geezer Butlers wunderbar wummernder Bass und der Beat des Gastdrummers von Rage Against The Machine auslegen. Brad Wilk lässt nur Puristen unter uns Nostalgikern Bill Ward vermissen. Wilks Spiel gibt der ganzen Sache stets Halt, und manchmal macht es kleine Ausflüge ins fast zärtlich Streichelnde. 

Die Songs nehmen sich Zeit. Sie haben keine Eile. Sie entwickeln sich. Sie bauen sich auf. Es sind wahre Kompositionen. Und sie tragen so bis zu acht Minuten. Spielend, spielerisch.[[nid:54641]]

Das direkteste Riff wartet auf  Position drei. Und bei Minute 2.11 nimmt „Loner“ nach einem hymnisch-melodiösen Intermezzo von Ozzy Osbourne eine tonale Wendung, die einen beim ersten Mal umhaut, in einem Moment, in dem das Riff in seiner Schlichtheit gerade Gefahr läuft, doch zu langweilen. Ich bin kein Musiker. Ich weiß nicht, wie man das nennt, so einen Tempo- oder Tonartwechsel. Aber ich weiß, wie er wirkt. Er wirkt, als würde man im Hirn Strom anlegen, und alle Gliedmaßen fangen unweigerlich an zu zucken.

Das Zucken mögen die Herren auf der anstehenden Tour übrigens einfach uns überlassen und sich bitte nicht überanstrengen. Sollen sie ruhig auf den Hockern Platz nehmen, auf denen sie bei Rubin im Studio saßen und auf den Promo-Fotos zu sehen sind. Sieht entspannt aus, kontemplativ, wie die Einspielung eines Singer-Songwriter-Albums. Und hat dennoch diesen enormen Druck.  

Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin. Das erste Urstromtal des Heavy Rock bleibt ausgetrocknet. Das zweite führt noch mal schweres Wasser. Jetzt müssen Jimmy Page und Robert Plant zeigen, ob sie so etwas auch noch einmal hinkriegen. Dieses 13. Album von Black Sabbath setzt dafür den Maßstab. 

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