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ARD-Talkshows - Plasberg muss weg

Die ARD muss eine Talkshow streichen. Wer aber soll gehen? Für Alexander Kissler ist die Antwort klar

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Die Reise nach Jerusalem ist eröffnet, fünf sind einer zuviel: Mit Ulrich Wilhelm vom Bayerischen Rundfunk hat sich nun der erste Intendant einer ARD-Anstalt aus der Deckung gewagt und ausgesprochen, was unwidersprochen bleiben muss. In der ARD werde zu viel getalkt, also gequatscht, gestritten, gelabert. Die Zahl der Sendungen, so Wilhelm, müsse reduziert werden. Wen aber wird es treffen? Welches Format muss weichen, „Günther Jauch“ oder „Hart, aber fair“, „Menschen bei Maischberger“, „Anne Will“ oder doch eher „Beckmann“?

Die Frage stellen, heißt sie zu beantworten. Die ARD gönnt sich zwar fünf Talkshow-Moderatoren, aber letztlich doch nur vier Talkshows. „Hart, aber fair“ ist zum Trash verkommen. Was immer man den vier übrigen Shows vorhalten mag, die Lust am Gekeife, das unstrukturierte Themen-Hopping, die ewiggleichen Phrasen und die Leidenschaft zum Vorurteil – jedes Defizit findet sich bei „Hart, aber fair“ in seiner reinsten Form. „Hart, aber fair“ ist die Mutter aller Überflüssigkeiten geworden, eine negative Auslese, wie sie im Buche steht. Wenn es einmal keine einzige Talkshow mehr geben sollte, weil sie alle an innerer Auszehrung zugrunde gegangen sind, dann genügt eine Folge von „Hart, aber fair“ und man wird wissen: Gut, dass es vorbei ist.

Ja, Frank Plasberg war einmal ein Hoffnungsträger. Sein Motto „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ hatte ein Jota der Wahrhaftigkeit für sich. Plasberg gab den Pitbull der Spontannachfrage, jonglierte virtuos mit den Einspielern und Faktendiagrammen, um manch eine selbstverliebte Charaktermaske zu entzaubern. Mittlerweile jedoch mutierte er zur Primadonna der guten Denkungsart. Er nimmt es persönlich, wenn es zu politisch wird. Er will anklagen und aburteilen, kaum aufklären. Letztlich, sehen wir nun, war der Claim „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ schon immer eine Anmaßung. Politik im eigentlichen Sinn war geduldet, nicht erwünscht, und statt dem Licht der Wirklichkeit strahlte nur die künstliche Studiosonne, die alles Wirkliche zum Format verklappt.

„Hart, aber fair“ ist die Tribunalisierung der Lebenswirklichkeit im Gestus des Bescheidwissens. Die Sendung nervt so kolossal, weil sie einzig dazu dient, das doppelt fest gefugte Weltbild der „Hart, aber fair“-Macher zu bestätigen. Gestern etwa brachte man das Kunststück fertig, zum schnarchigen Dauerthema, ob die Kirche zeitgemäß sei, sich fast ausnahmslos Mitredner zu gönnen, die im Brustton der eigenen Überzeugungsstärke ein Nein schmetterten. Huch, wie originell. Für die ganz Begriffsstutzigen inszenierte man eine Straßenumfrage – der neue Stein der Fernsehweisen –, die zum selben Ergebnis führte. Die Einheitsmeinung triumphiert.

Nicht anders geschieht es, wenn wieder einmal die Überflüssigkeit der FDP, die Raffgier der Reichen, die Skrupellosigkeit der Industrie, die Faulheit der Griechen, die Verlogenheit des Politikbetriebs gebrandmarkt werden sollen. Brandmarkung ist hier Kernkompetenz. „Hart, aber fair“ lässt sich die Hoheit über den Stammtischen nicht nehmen.

Das billige Bohei, das Frank Plasberg mit einer Mischung aus routiniertem Widerwillen und monumentaler Herrschbegierde organisiert, vermittelt die Illusion, Streit diene dazu, Minderheitenmeinungen auszusortieren. Wer hier ins Fadenkreuz des Gelächters gerät, dem soll das Lachen vergehen. Wer hier vorgeführt wird, der soll sich schämen. Nach 75 Minuten sind sich alle einig, die sich vorher schon einig waren: Schlecht ist die Welt, schlimm sind immer die anderen. Insofern ist „Hart, aber fair“, das so wunderbar hoffnungsfroh einst startete, den Weg allen Fernsehens gegangen. Was kritisch beginnt, endet in der Affirmation, und wo Aufklärung war, spreizt sich der Zynismus. Schade.

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