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(picture alliance) Kein Latin Lover – Antonio Banderas

Antonio Banderas - Latin Lover? Fuck it!

Über die Gefahr einer europäischen Revolution, spanische Protestbewegungen und seine schwulen Charaktere: Ein Gespräch mit Antonio Banderas.

In einer Suite des Berliner Regent Hotel sitzt, äußerst perfekt aussehend, der Schauspieler Antonio Banderas. Soeben hat er seinen Berlinale-Film „Haywire“ vorgestellt, einen beinharten, aufregenden Actionthriller unter der Regie von Stephen Soderbergh. Banderas fährt sich durch das pechschwarze, ölige Haar und grinst.

Herr Banderas, Sie wirken etwas aufgekratzt.
Reine Vorfreude. Ich hatte gerade den großartigen Regisseur Carlos Sauras am Telefon, mit dem ich demnächst einen Film über Picasso drehen werde. Er wird „34 Tage“ heißen, und erzählen, wie Picasso das Bild „Guernica“ in Paris malt. Picasso war mir immer sehr nah, schon allein, weil er wie ich aus Malaga stammt, und wie ich die Stadt sehr jung verlassen hat. Und es ist immer so ein wunderbar freies Gefühl, Filme in Spanien zu drehen...

Freier als in Hollywood, meinen Sie?
Ja, zumindest was das Ideologische betrifft. Der europäische Zugang zum Kino ist die Kunst, der amerikanische der Markt. Hollywood ist im Grunde eine Fabrik. Wobei das natürlich auch seine Vorteile hat. In Spanien werden Filme vor allem durch öffentliche Gelder finanziert. Und wie Sie wissen, sind die momentan nicht allzu üppig gefüllt.

Im Gegenteil. Die Ratingagentur Moodys hat Spaniens Kreditwürdigkeit gerade deutlich gesenkt. Sie sind gebürtiger Spanier. Deprimiert Sie das?
Naja, ich selber war bettelarm bis ich als 32-Jähriger nach Amerika kam. Heute gehören ich und meine Familie zu den privilegierten Menschen, die nur indirekt von der Krise betroffen sind. Das ändert aber nichts daran, dass wir alle, unsere Leben und unsere Politik, von Motoren angetrieben werden, die wir längst nicht mehr kontrollieren: Von Märkten, von Geld, von Lobbygruppen...

Sicherlich würden Sie sich gut als Gesicht einer Protestbewegung machen. Hatten Sie schon Kontakt mit den spanischen Indignados?
Nein, und ich bin auch noch nicht mit ihnen auf der Straße marschiert. Allerdings verstehe ich das Anliegen, den Bürgern die Macht zurückgeben zu wollen, vollkommen. In Spanien sowieso, aber selbst in den USA. Da ist dann ein Mann wie Obama, der seine Versprechungen und Ideen einfach nicht umsetzen kann, weil die falschen Leute die Fäden in der Hand halten. Wo das alles enden soll, weiß ich auch nicht. Ehrlich gesagt finde ich, dass wir uns insbesondere in Europa historisch an einem sehr, sehr unheimlichen Zeitpunkt befinden. Wenn einfach alles so weitergeht wie bisher, werden bald mehr als die Protestbewegungen auf die Straßen ziehen. Was dann geschieht, wage ich nicht vorauszusagen...

Sprechen Sie von der Gefahr einer Revolution?
Nun, es ist ja nicht so, als wären Revolutionen noch nicht vorgekommen. Schauen Sie sich ein Land wie Venezuela an. Wenn Menschen zu lange nicht an der Macht ihres Landes beteiligt werden, muss nur ein Typ wie Chavez um die Ecke biegen, und schon ist es so weit. Ich hoffe nicht, dass es in Europa soweit kommt. Das Ergebnis einer Revolution ist meist weit schlimmer, als alles, was davor war.

Glauben Sie, dass die Probleme durch Politik alleine gelöst werden können?
Sicherlich längst nicht mehr allein durch Wirtschaftspolitik. Was wir in Europa brauchen, ist eine neue Sozialpolitik, die den gewaltigen, rasend schnellen Veränderungsprozessen gerecht wird. Und natürlich müssen wir in Spanien die Haushaltsdefizite in den Griff bekommen. Aber ob das ruckartig geschehen muss, und ob dafür 30.000 Arbeiter entlassen und nach Hause geschickt werden müssen, das ist die Frage. Ich persönlich Glaube, der Heilungsprozess muss viel langsamer und organischer vollzogen werden.

Zurück zur Schauspielerei: Gerade haben Sie mit Stephen Soderbergh „Haywire“ gedreht, davor standen Sie für Woody Allen und Pedro Almodovar vor der Kamera. Was ist nach all diesen Kunstfilmen eigentlich aus dem alten Haudegen Banderas geworden, dem Rächer aus „Desperado“ und „Zorro“?
Von dem habe ich genug. Die sollen sich einen anderen Rächer suchen. Und vom Latin Lover habe ich auch die Schnauze voll.

Wie bitte?
Ja, es reicht. Wahrscheinlich gibt es in der Geschichte des bewegten Films keinen einzigen Schauspieler, der so viele schwule Charaktere gespielt hat wie ich. Und trotzdem nennen sie mich nach all den Jahren immer noch Latin Lover. Latin Lover? Fuck it! Wenn sie dir einmal eine Marke verpasst haben, wirst du damit sterben.

Danke sehr für das Gespräch!

Das Interview führte Constantin Magnis

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