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Die neuen „alten Männer“ - Weißheit statt Weisheit

Der "weiße alte Männer" ist ein neuer Kampfbegriff. Wer steckt hinter dieser Chiffre politischer Demographie? Und sind diese Männer auf dem absteigeneden Ast oder kurz vor der Weltherrschaft? Ein Gedankenspiel

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Dieser Artikel erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe des Cicero. Das Magazin für politische Kultur erhalten Sie am Kiosk oder direkt hier im Online-Shop.

 

 

Nachdem jetzt lange genug auf dem sogenannten Gutmenschen herumgeritten wurde, ist es so langsam wirklich Zeit für einen neuen Kampfbegriff. Gute Chancen hat meines Erachtens der „weiße alte Mann“. Vor Kurzem wurde zum Beispiel Rainer Brüderle als solcher bezeichnet, in irgendeinem Zeitungsartikel. Das war nicht als sachliche Zustandsbeschreibung gemeint, sondern als charakterliche Bewertung, ungefähr nach dem Motto: Was will man von dem schon anderes erwarten?

Ist Ströbele verabscheuungswürdiger als Brüderle?


Der „weiße alte Mann“ gilt in solchen Zusammenhängen als das Gegenteil des weisen alten Mannes: hoffnungslos verjährt, sexistisch, nur auf den eigenen Vorteil bedacht, nicht nachhaltig genug für unsere Zeit. Kurzum: ein Auslaufmodell mit längst überschrittenem Verfallsdatum. Und während sich der Gutmensch aus Sicht seiner Kritiker durch Aneignung von Boshaftigkeit zum Besseren entwickeln könnte, ist der „weiße alte Mann“ offenbar ganz und gar ein Gefangener seines Geschlechts, seiner Hautfarbe, seiner verflossenen Lebensjahre.

Es gibt praktisch kein Entrinnen aus diesem Schicksal. Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob alle weißen alten Männer auch „weiße alte Männer“ im engeren Sinne sind: Ist etwa Hans-Christian Ströbele am Ende sogar verabscheuungswürdiger als Rainer Brüderle, weil noch älter und irgendwie noch ein bisschen weißer? Wie steht es um bisher unangefochtene Weltorakel vom Schlage eines Günter Grass oder Helmut Schmidt? Ist deren Deutungshoheit womöglich nur noch ein Raunen aus den dunklen Katakomben des Doktor Mabuse?

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Demnächst erscheint sogar ein ganzes Buch über den Niedergang des weißen alten Mannes, geschrieben von einem auch nicht mehr ganz so jungen weißen Mann namens Luca Di Blasi. Ich erhoffe mir von ihm Auskunft darüber, wer denn nun die Nachfolge des weißen alten Mannes antreten wird. Junge schwarze Frauen wie Rihanna oder Beyoncé? Mittelalte Misch­linge wie Barack Obama, welche sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie die Verhaltensmuster weißer alter Männer kopieren? Oder liegt die Zukunft im Herrschaftswissen älterer weißer Frauen des Typs Angela Merkel?

Demografisch gesehen liegt das Pro­blem natürlich darin, dass die weißen alten Männer in Zukunft eher mehr werden als weniger, zumindest im Verhältnis zu den nachwachsenden jungen weißen Männern.

Für unsere Gesellschaft verheißt das insgesamt nichts Gutes. Es sei denn, aus jüngeren männlichen Gutmenschen werden irgendwann doch wie von selbst ältere männliche Gutmenschen. Aber das ist dann ja auch wieder nicht recht.

 

 

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