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USA-Bashing - Die USA sind das Böse!

Obama = Stasi. Der amerikanische Präsident muss mal wieder die ungeheuerlichsten Vergleiche über sich und sein Land ertragen. Denn eines hat hierzulande ganz sicher Konjunktur: Amerika-Bashing

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Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Obama kommt. Der neue Obama. Nicht der, auf den sich alle Hoffnungen auf ein besseres Amerikas projzieren ließen. Diesen Gefallen tut er uns längst nicht mehr. Es kommt der Drohnen-, NSA, Guantanamo-Obama, der Menschenrechte mit Füßen tritt.

Danke, müsste man eigentlichen rufen. Endlich passt wieder zusammen, was zusammen gehört. Die USA und das Böse. Ohne dass uns ein konzilianter Sympathieträger an der Spitze eines verdorbenen Volkes das Weltbild verwässert. Der Ressentimentschuh drückt nicht mehr, der ideologische Anzug sitzt wieder. God bless you, Mr. President! Zeit also für die europäische Brille im deutschen Anzug, Zeit, um dem mächtigen Mann aus Übersee die Leviten zu lesen.

Dabei hatte doch alles so harmonisch begonnen: Obama war Lichtblick, der Europäer unter den Amerikanern, das Gute im Bösen. Doch der Wohlfühlobama wurde unlängst amerikanisiert. Und wenn eines traditionell Konjunktur hat, neben feuchtem Toilettenpapier, dann die Kritik am amerikanischen Wesen.

Amerika-Bashing hat Konjunktur

Testen Sie das mal: Versuchen Sie auf einer Festivität ihrer Wahl das Themen-Eis zwischen sich zuvor unbekannten Menschen zu brechen. Beim Thema Fußball könnten Sie Glück haben, aber meist auf wenig Verstand treffen. Einigkeit und einen größtmöglich gemeinsamen Nenner finden Sie aber mit Sicherheit bei genau welcher Stoßrichtung? Richtig! USA-Bashing.

Das Vorurteil hat im Besonderen die USA lieb. Diesen supermächtigen Imperialisten, mit der „Wall Street“ als Hort des Bösen, dort, wo sich der ungezügelte Kapitalismus über den Rest der Welt legt. Die USA als die größte Gefahr für den Weltfrieden. Diese kulturlose Nation, (die uns ganz nebenbei mit den wohl besten Kulturgütern beliefert: Immerhin kommen die besten zeitgenössischen Literaten und Musiker aus den USA.)

Wir sind sehr streng, wenn es um klischeehafte Charakterisierungen gegenüber Ethnien und religiösen Minderheiten, Geschlechterrollen oder sexuellen Orientierungen geht. Zurecht. Bei den USA allerdings ist der Holzschnitt chic. Kein Aufschrei, wenn der Amerikaner mit Attributen wie einfältig, kapitalistisch oder kulturlos bestückt wird. So sind sie doch irgendwie selbst schuld, die Amis.

Und es ist wenig überraschend, dass sechs Demos gegen Obama angekündigt sind. Auch nicht überraschend, dass Volker Beck erklärt: „Barack Obama kommt nicht mehr als Lichtgestalt nach Berlin.“ Verehrung und Verachtung stehen in dem Moment synonym, da der Verstand assoziativ auf das vermeintlich imperialistische Bollwerk USA trifft.

USA-Bild von Negativklischees geprägt

Der Trend ist deutlich. Die USA werden trotz des kurzen Obama-Hochs vor fünf Jahren in der Tendenz unbeliebter. Laut einer Umfrage aus dem Jahre 2009 (Allensbach) fiel der Anteil derer, die die Vereinigten Staaten als besten Freund Deutschlands sahen auf 11 Prozent. Zum Vergleich: In den 70er bis 90er Jahren standen die USA mit Abstand an der Spitze der Beliebtheitsskala.

Heute bezeichnen 24 Prozent Frankreich und 22 Prozent die Vereinigten Staaten als besten Freund Deutschlands. Auf die Frage „Welches Land wird in zehn Jahren der wichtigste Partner Deutschlands sein?“, geben gerade einmal  20 Prozent die Vereinigten Staaten zu Protokoll. Der erste Platz geht hier mit 36 Prozent an (Achtung!) China.

Eine andere Frage gibt 21 Eigenschaften vor, die den Ländern zugeordnet werden sollen: 77 Prozent der Befragten ordneten der USA die Eigenschaft „viel Kriminalität“ zu. „Oberflächlichkeit“ immerhin noch 42 Prozent. Lediglich 19 Prozent der Befragten glaubten,  dass die USA ein Land seien, in dem es sich gut leben ließe. 17 Prozent vermuteten „gebildete Leute“ in den USA, eine „hochstehende Kultur“ gerade einmal 8 Prozent.

Auf 72 Prozent angestiegen ist die Zahl derer, die der Aussage zustimmen, die Amerikaner seien „als Konsum- und Wegwerfgesellschaft ein abschreckendes Beispiel für den Rest der Welt“. Eine andere Frage: „Wenn jemand sagt, kein Land tritt immer wieder so für die Demokratie ein, ist ein so starker Verfechter von Freiheit und Menschenrechten wie die Vereinigten Staaten. Würden Sie da zustimmen oder nicht zustimmen?“ 31 Prozent würden zustimmen.

Und selbst hier schwingt bei dem aufgeklärtesten Amerikafreund ein „selbst Schuld“ mit. Antiamerikanismus ist abenteuerlich weit verbreitet. Findet sich in allen gesellschaftlichen Lagern  und in besonderem Maße in den gebildeten. Und die Kritik schießt immer dann über ihr Ziel hinaus, wenn nicht über die Politik, sondern über „die USA“ geschimpft wird. Der Historiker Dan Diner beschreibt Antiamerikanismus als ein „ideologisch befrachteter Rationalisierungsversuch, die unübersichtlich gewordenen Lebenswirklichkeiten und Lebenswelten durch projektive Schuldzuweisung an den definitiv Anderen erträglicher zu machen.“

Kleine Geschichte des Antiamerikanismus

Was heute allem voran in der politischen Linken verankert ist, wurde vor dem 20. Jahrhundert vor allem in konservativen Eliten formuliert. Amerika vereinigte alles Moderne und Progressive, was der Konservative ablehnte. Zu Zeiten der Weimarer Republik war der Antiamerikanist ein Konservativer, der Amerika mit Versailler Vertrag und Reparationszahlungen gleich setzte. Er blieb bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus vornehmlich Merkmal faschistischer und konservativer Strömungen. All jener also, die ihre Nation und Kultur durch die moderne Macht aus Übersee bedroht sahen.

Politisiert und in die Mitte der Gesellschaft getragen, wurde das Zerrbild Amerikas mit dem Kalten Krieg. Blockbildung schematisierte auch das Vorurteil. Unter Linken, Studenten und Friedensaktivisten galt mit Korea, spätestens aber mit Vietnam die USA als Feind Nummer 1. Die Kritik an der Außenpolitik ging einher mit einer zunehmenden Wesenskritik Amerikas, eine Haltung, die sich bereits im antimodernistischen Denken deutscher Konservativer im 19. Jahrhundert fand.

Einen weiteren Schub erhielt die ideologiegebundene USA-Kritik nach dem 11. September 2001 und den von den USA geleiteten Militäraktionen in Afghanistan und im Irak. Während die einen sich, kurz nachdem die Flugzeuge in die Zwillingstürme einschlugen, unter dem Tisch heimlich oder offen die Hände rieben und die Selbst-Schuld-These verbalisierten, flüchteten sich andere in ungeheuerliche Verschwörungstheorien über die Ereignisse des 11. September, die oft mit der CIA beginnen und beim Mossad enden. USA und Juden als verhasster Repräsentant der Moderne.

So ist und bleibt wenigstens auf eines Verlass: Die unerbittliche Kontinuität in der Verzerrung des Amerikabildes.

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