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(picture alliance) Niemand weiß, welche Strategie derzeit die richtige ist. Brüning hin, Hoover her – die Euro-Zonen-Krise hat keine historischen Vorgänger.

Joschka Fischer und der Stammtisch - Über den Euro wird viel Unsinn orakelt

Der deutsche Stammtisch ist sich einig: Griechenland soll den Euroraum verlassen. Indes fordert Joschka Fischer, dass Deutschland mit seiner Wirtschaftsmacht das finanzielle Überleben der Euro-Zone sichern müsse. Beides sagt sich leicht

„Griechenland soll die Euro-Zone verlassen.“ Das sagt sich leicht, und das sagen immer mehr. Inzwischen ist jeder zweite Deutsche dafür. Zudem wünschen fast zwei Drittel des Volkes, dass die Bundeskanzlerin sich durchsetzen möge in Europa mit ihrer Forderung nach striktem Sparen. Vox populi ist also glasklar: Sollen sie uns bloß alle verschonen mit Euro-Bonds und weiterer Kohle für dieses Esel- und Olivenland, dessen elf Millionen Bewohner kaum mehr als ein halbes Prozentchen der Weltwirtschaftsleistung erbringen.

Wer sich klüger als der Stammtisch wähnt, fordert das genaue Gegenteil. Alt-Außenminister Joschka Fischer hat soeben in der Süddeutschen Zeitung die Kanzlerin geradezu angebrüllt wegen ihres Sparwillens. Kein Bild scheint ihm da gewaltig genug, um Angela Merkel als mutwillige Zerstörerin Europas darzustellen:  „Das europäische Haus steht in Flammen“, dröhnt er, doch „Feuerwehrhauptfrau Angela Merkel (…) löscht lieber weiter mit Kerosin statt mit Wasser, und der Brand wird so mit der von Merkel erzwungenen Austeritätspolitik beschleunigt.“ Wegen dieser rigorosen Sparpolitik Merkels habe sich „die Finanzkrise in der Euro-Zone innerhalb von drei Jahren zu einer wirklichen Existenzkrise ausgewachsen“, beschuldigt Fischer.

In seinem Zorn wirft der vormalige Vize-Kanzler wild mit Metaphern um sich. Europa stehe nicht nur in Flammen, sondern zugleich „am Abgrund“ wenn jetzt nicht Deutschland und Frankreich gemeinsam „das Steuer herumreißen“ würden. Wegen der „dogmatischen Sparpolitik“ erscheine Deutschland „einem Geisterfahrer gleich gegen die Spur fahrend“. Ein dann noch drohender „Sturm auf die Banken in Spanien, Italien und Frankreich wird eine Lawine auslösen, die Europa unter sich begraben wird“.  

Wie derzeit üblich erinnert Fischer natürlich auch an Brünings Sparpolitik von 1929, marschiert rhetorisch jedoch forsch weiter: „Schreiben wir dann ab, was mehr als zwei Generationen Europäer investiert haben und was zu der längsten Friedens- und Wohlstandsperiode unseres Kontinents geführt hat?“ Das soll wohl schlicht heißen: Deutschlands Sparwille könnte Krieg auslösen! „Im 20. Jahrhundert hat Deutschland zweimal mit Krieg bis hin zum Verbrechen und Völkermord sich selbst und die europäische Ordnung zerstört, um den Kontinent zu unterjochen“, holt Fischer dann aus zum Finale seines Untergang-Szenarios. Allen Ernstes schließt er mit dem Satz: „Es wäre eine Tragödie und Ironie zugleich, wenn jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, das wiedervereinigte Deutschland, diesmal friedlich und mit den besten Absichten, die europäische Ordnung ein drittes Mal zugrunde richten würde.“

Fischers Donnern ließe sich abtun mit den Worten: Der mag es eben dramatisch. Soll er halt wüten. Ist doch ein „has been“, ein Ex. Doch die Frage drängt sich auf, als wessen Ex-Minister Fischer da eigentlich schreibt. Denn von seinem eigenen Land verlangt er mal eben, „dass Deutschland schlussendlich das finanzielle Überleben der Euro-Zone mit seiner Wirtschaftsmacht und seinem Vermögen wird garantieren müssen: uneingeschränkter Kauf der Staatsanleihen der Krisenländer durch die EZB, Europäisierung der nationalen Schulden mittels Euro-Bonds, Wachstumsprogramme, um eine Depression in der Euro-Zone zu verhindern und Wachstum zu generieren“. Fischer verweist auf das große Schuldenmachen in den USA, das schließlich dem deutschen Export zugute komme. Mit dieser schiefen Begründung höhnt er über alle, die nun bang ans eigene Staatsbudget dächten und vor Inflation warnten.

Niemand weiß derzeit, welche Strategie die richtige ist

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um ein nationales Konjunkturpaket mit Abwrackprämie und Gebäudesanierungsprogramm. Fischer verlangt, Deutschland werde – so wörtlich: „wirtschaftlich und finanziell über seinen Schatten springen müssen“. Doch das, um nicht nur die eigene, sondern zirka 16 bis 26 weitere europäische Volkswirtschaften in Gang zu halten. Gottlob war Fischer nie Finanzminister!

Auch wenn viele in der Politik so tun wie er: Niemand weiß, welche Strategie derzeit die richtige ist. Brüning hin, Hoover her – die Euro-Zonen-Krise hat keine historischen Vorgänger. Deshalb wird sicherlich viel Unsinn orakelt; werden gewiss ebenso auch wahre Warnhinweise gegeben. Es ist sogar Auftrag der Opposition, zu der Fischer ja als prominenter Grüner in gewisser Weise ja noch immer zählt, die Politik der Regierung zu kritisieren.

Aber dreist ist Fischers Richten der Nachfolgerregierung, weil während seiner Vize-Kanzlerzeit als Schwelbrand begann, was nun lodert. Und zwar genau deswegen, weil Deutschland unter Kanzler Schröder und ihm den Feuermelder der Euro-Zone, den Stabilitätspakt, kurzerhand kappte.

Anstatt Deutschland wie versprochen „aus der Schuldenfalle hinaus“ zu führen, regierte Rot-Grün nach dem 11. September 2001 immer weiter genau dort hinein. Weil Deutschlands Nettoneuverschuldung seit 2002 in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren die in den Maastricht-Regeln maximal erlaubten drei Prozent riss, leitete die Europäische Kommission ein Defizitverfahren ein. Die Regierung Schröder/Fischer setzte daraufhin im Verbund mit Frankreich diesen ihr lästigen Stabilitätspakt faktisch außer Kraft.

Griechenland war just 2001, also zwei Jahre nach Gründung der Währungsunion, deren Mitglied geworden. Von der damaligen deutschen Regierung konnte die griechische lernen, dass man die zuvor so streng wirkenden Klubregeln recht lässig nehmen kann. Wenn sich selbst die Großen und Reichen nicht darum scheren... Jedenfalls machte Griechenland von da an munter Schulden, Schulden, Schulden – und ging daran bankrott.

Die Mehrheit der Deutschen mag Recht haben: Ein solches Mitglied, für das wir nun unter Beschimpfung auch noch ständig zahlen sollen, ist schwer erträglich. Doch selbst wenn alle 16 von 17 Staaten der Euro-Gruppe Griechenlands Rauswurf wünschten: Es gibt dazu keine rechtliche Möglichkeit. Nicht einmal dann, wenn auch Joschka Fischer dafür wäre.

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