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Springer-Funke-Deal - Nicht der Untergang des Qualitätsjournalismus

Im Milliarden-Deal von Springer und Funke sehen viele Kritiker den Untergang des Qualitätsjournalismus. Doch dieser These liegt ein irreführender Antagonismus von Print und Online zugrunde, schreibt Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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In der hitzigen und von Ängsten gezeichneten Debatte um den Großverkauf von Zeitschriften und Zeitungen des Springer-Verlags an die Funke-Gruppe gehen manche Gedanken in die Irre, weil die Begrifflichkeiten in die Irre führen. Es wird vielleicht zurecht gesagt, dass Springer nicht länger an eine erfolgreiche Zukunft von Print glaubt und deshalb Titel wie die „Berliner Morgenpost“ oder die „Hörzu“ abstößt. Es wird aber ebenfalls gesagt, dass sich Springer mit der Trennung von „Print“ und der konsequenten Digitalstrategie auch vom Qualitätsjournalismus verabschiede.

Wie so oft wird auch in dieser Debatte Qualitätsjournalismus so verstanden, dass er ausschließlich auf gedrucktem Papier präsentiert werden kann.

Dieser Ansatz ist falsch. Er setzt das Trägermedium, das Vehikel, gleich mit dem Produkt, das auf diesem Trägermedium zum Konsumenten transportiert wird. Und das ist ein Irrtum, dem ein strategischer Handlungsfehler zugrunde liegt, der vor Jahren begangen wurde.

Print und Digital sind zunächst einmal Transportwege, zwei Medien im ursprünglichen Wortsinne. Und die Transportmittel von Nachrichten haben sich seit Jahrhunderten ständig verändert. Indianer haben mit Lagerfeuer und Pferdedecke Rauchzeichen versandt, mit der Brieftaube wurden Depeschen verschickt. Heinrich Heine ließ seine Artikel aus Paris mit der Postkutsche in die deutschen Redaktionen karren.

Mit einem bestimmten Journalismus, Qualität oder Junk, hat das Transportmittel zunächst einmal gar nichts zu tun. Ein Vergleich: Die Transportmittel haben sich auch in der Musik modernisiert. Ich höre (und kaufe auch) weiterhin ausgewählte Vinyl-Schallplatten, weil sie auf einer guten Anlage wärmer und wohliger und besser klingen und weil es ein Fest der Sinne ist, eine Platte aufzulegen, den Staubwischer einmal über sie fahren zu lassen, die Nadel aufzusetzen und sich mit dem schönen großen Plattencover auf das Hörsofa zu setzen.

Praktischer sind trotzdem CDs, und unterwegs noch praktischer sind datenreduzierte MP3-Dateien auf dem Smartphone. Also höre ich zu Hause meistens CDs (weil praktischer), in schönen Momenten Vinyl (weil akustisch und sinnlich reicher), und unterwegs im Zug MP3-Dateien aus dem Smartphone (weil mobil und handlich).

Und genau dieses Nutzungsverhalten spiegelt sich auch jeden Morgen in der S-Bahn auf dem Weg ins Büro im Leseverhalten der Pendler wider: Da sitzen viele mit Zeitungen, die blättern, aber es werden immer mehr, die wischen, die ihr Abo auf e-paper umgestellt haben oder auf den Online-Portalen unterwegs sind.

Guter Journalismus kann ebenso gut auf einem Display wie auf Zeitungspapier erscheinen. Unser Magazin Cicero zum Beispiel sieht auf dem Tablet, wie viele finden, noch besser aus, die Bilder kommen noch besser heraus, die Illustrationen wirken noch plastischer als auf Papier.

Andere finden, das ist Geschmackssache und eine Frage der Gewohnheit und lieben die Sinnlichkeit der gedruckten Seiten. Die Mehrheit unserer Leserinnen und Leser gehört – wie ich selbst – offenbar nach wie vor zu den Papierliebhabern. Das zeigen die Zahlen. Aber wie auch immer die persönliche Vorliebe da aussieht: Auf beiden Transportmitteln, Papier und Bildschirm, wird das gleiche Produkt angeboten, von dem wir selbstbewusst sagen, dass es Qualitätsjournalismus ist.

Für die Leser wie die Verlage hat dieses neue Trägermedium Digital übrigens große Vorteile: Kein Druck, keine langen Transportwege mit palettenweise bedrucktem Papier nachts unterwegs in ganz Deutschland. Kein Altpapierstapel im Windfang.   

Nein, die Demarkationslinie verläuft in Wahrheit nicht zwischen Print und Digital. Sie verläuft zwischen bezahlt und umsonst. Das Missverständnis, dies mit den Begriffen Print und Digital oder Online gleichzusetzen, hat seinen Ursprung darin, dass die Verlage einst online und umsonst gleichsetzten. Man begab sich ins Netz nach dem Prinzip „Erst mal dabei sein, dann sehen wir weiter“ und machte dabei den verhängnisvollen (vielleicht auch seinerzeit unausweichlichen) Fehler, im Zuge dieses Schrittes ins Netz die Umsonstkultur eingeführt und die Leser daran gewöhnt zu haben.

Hinter diesen Fehler wieder zurückzukommen, und vor allem wie? Das ist die 100-Millionen-Frage des Verlagsjournalismus. Wenn man nicht nur sein Mütchen an Springer kühlt, weil man das immer schon getan hat, dann könnte man stattdessen zugunsten von Mathias Döpfner auch annehmen, dass ihn genau diese Fragen umtreiben – und nicht der Vorsatz, Axel Springers feine Traditionsmarken zu verkloppen und zu zerdeppern.

Noch einmal: Guter Journalismus kann ebenso gut auf Papier wie auf einem Computerdisplay erscheinen. Eines Tages vielleicht sogar auf einer aufgedampften Wunderfolie oder einer Spezialkontaktlinse. Aber er kostet Geld und ist zugleich die Grundlage für ein Geschäftsmodell. Er muss sich rechnen.

Verlage müssen mit ihm Geld verdienen können. Sonst wird es ihn nicht mehr geben können. Nicht, weil das Papier nicht mehr der primäre Botenstoff ist. Sondern, weil er dann nicht mehr zu finanzieren ist.

 

 

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