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() Der Anteil an Bio-Lebensmitteln in Deutschland steigt jährlich.
Schöne heile Welt

Bio verspricht "heile Welt" und ist gleichzeitig ein Milliardengeschäft geworden. Doch der Mythos hält nicht, was er verspricht. Genau betrachtet sind Biolebensmittel weder gesünder noch besser für die Umwelt.

Michael Mirsch: Biodiesel tötet Nashörner Essen ist längst nicht mehr Geschmackssache. Schlagzeilen über Pestizidmissbrauch, Rinderwahn, Käfighühner oder obskure Zusatzstoffe haben vielen Menschen den Appetit verdorben. Je tiefer der Ruf der modernen Landwirtschaft sank, desto heller erstrahlte der Stern des Biolandbaus. Auf diesem Stern, so heißt es, sind die Körner naturrein, die Hühner glücklich und die bäuerliche Welt noch in Ordnung. Weil immer mehr Menschen daran glauben, boomt der Biomarkt. Zwar liegt der Anteil der Bioware am Gesamtumsatz für Lebensmittel bei mageren drei Prozent. Doch 2007 waren das immerhin fünf Milliarden Euro. Global beträgt der Bio-Umsatz bereits 30 Milliarden. "Viele Verbraucher", so die taz, "wissen nicht was 'Bio' eigentlich konkret bedeutet – aber sie finden es gut." Laut einer Umfrage von Ernst & Young vom Herbst 2007 glauben 81,9 Prozent, 'Bio' sei gesünder, 60 Prozent, es sei besser für die Umwelt und 69,9 Prozent meinen, Biolandwirtschaft sei humaner zu den Tieren. Doch was bedeutet die sympathische Bezeichnung 'Bio' wirklich? Was unterscheidet diese Form der Landwirtschaft von den anderen Formen? Im deutschen Sprachraum nennt man sie "Bio" oder "Öko", im englischen "organic". Damit sind landwirtschaftliche Methoden gemeint, die auf Kunstdünger und bestimmte Pflanzenschutzmittel verzichten. Biobauern nützen dagegen Stallmist, Kompost und ausgeklügelte Fruchtfolgen, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten. Gegen Schädlinge und Unkräuter setzen sie zwar ebenfalls Giftstoffe ein, allerdings nur solche, die nicht synthetisch (also im Chemielabor) erzeugt wurden. Außerdem sollte jeder Hof ein Kreislauf aus pflanzlicher und tierischer Produktion sein, der möglichst wenige Zugaben von außen benötigt. Bei den Anhängern Rudolf Steiners (Demeter-Produkte) kommen noch esoterische Rituale hinzu, die dem Boden, den Pflanzen und Tieren spirituelle Kräfte zuführen sollen. Wie im Biolandbau konkret gearbeitet wird, welche Methoden angewendet, welche Stoffe eingesetzt werden, interessiert die meisten Verbraucher nicht so genau. Sie möchten in etwas Gutes und Reines vertrauen. Doch die Vermutung, dass "Bio" gesünder sei, ist unbewiesen. Und das, obwohl Anhänger verschiedener Bio-Richtungen und unabhängige Forscher seit den zwanziger Jahren des 20.Jahrhunderts versuchen, endlich den Beweis zu erbringen. Bis heute vergeblich. Der gute Ruf ist Gefühlssache ohne Faktenbasis. Manche Vertreter der Ökobranche geben das offen zu. "Biogemüse hat denselben Nährstoffgehalt wie konventionell angebautes Gemüse, ist also nicht per se gesünder", sagt Georg Schweisfurth, Gründer der deutschen Bio-Supermarktkette "Basic". Auch Urs Niggli vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) bestätigt, dass es bis heute keine wissenschaftlichen Beweise gibt, dass Bioprodukte gesünder seien, so wie es die Verbraucher beim Kauf erwarten. "Biomilch ist nicht gesünder", sagte er der Basler Zeitung. Ein wirklich harter wissenschaftlicher Beweis, dass "Bio" gesünder sei, wäre auch schwer zu erbringen. Denn dafür müsste man über viele Jahrzehnte zwei getrennte Gruppen untersuchen, Bioköstler und Normalkonsumenten. Alle anderen Belastungsfaktoren sollten ausgeschlossen werden: Gene, Stress, Medikamente, Umweltverschmutzung. Um wirklich aussagekräftig zu sein, müsste man sogar den Tod der Probanden abwarten, denn es könnte ja auch sein, dass die einen zwar häufiger krank sind, aber dennoch länger leben. Und schließlich müsste man die Teilnehmer mit diktatorischen Mitteln dazu verdonnern, lebenslang der einen oder anderen Ernährungsweise treu zu bleiben. Das kommt im richtigen Leben kaum vor. Die meisten Menschen kaufen nicht alle Produkte in Bio-Qualität und viele tun es nur eine Zeit lang. Da also ein hieb- und stichfester Beweis kaum zu erbringen ist, muss man sich mit Indizien begnügen. Die Stiftung Warentest konnte keine grundsätzlichen Unterschiede feststellen. In einem Artikel der Zeitschrift Test über eine Vergleichsstudie der Stiftung zwischen Bio- und Nicht-Bio-Lebensmitteln heißt es kurz und prägnant: "Tops und Flops auf beiden Seiten." 41 Prozent der Bioware erhielten bei den Untersuchungen, die zwischen 2002 und 2007 stattfanden, die Bewertung "gut" und vier Prozent "sehr gut". Bei den Nicht-Bio-Produkten war das Resultat ähnlich: Dort bekamen 46 Prozent "gut" und ein Prozent "sehr gut". Auch bei den schlechten Noten gab es keine größeren Unterschiede zwischen beiden Lagern. Der umfassendste Überblick über Forschungsarbeiten zu dem Thema stand 1997 im britischen "Journal of the Science of Food and Agriculture". Fazit: "Es konnten keine klaren und konsistenten Unterschiede bezüglich des Nährwertes zwischen 'Bio'- und konventionell angebauten Lebensmitteln gefunden werden." Eine von der ehemaligen deutschen Verbraucherministerin Renate Künast in Auftrag gegebene Studie des Senats der Bundesforschungsanstalten aus dem Jahre 2003 fand ebenfalls keine Unterschiede. Ob Getreideprodukte, Kartoffeln, Obst oder Schweinefleisch – in den vergleichenden Tabellen zu der Studie steht immer wieder die gleiche Bemerkung: "Kein Unterschied." Fazit: "Die bisher vorliegenden Erkenntnisse erlauben aus wissenschaftlicher Sicht nicht den Schluss, dass der ausschließliche oder überwiegende Verzehr von ökologisch erzeugten Lebensmitteln die Gesundheit des Menschen direkt fördern würde." Forscher der Universität Athen sichteten und werteten alle wissenschaftlichen Arbeiten, die sie zum Thema "Lebensmittelsicherheit und Biokost" finden konnten. Die Bilanz wurde im Jahr 2006 veröffentlicht. "Es gibt derzeit keinen Beweis", heißt es darin, "der die These bestätigen oder widerlegen würde, dass Biolebensmittel sicherer oder gesünder sind als konventionell erzeugte." "Was aber deutlich gemacht werden sollte", betonen die griechischen Wissenschaftler, "dass 'bio' nicht automatisch 'sicher' bedeutet." Bleibt von den vielen vermuteten Vorteilen nichts als ein fantasierter Wohlfühleffekt übrig? Schließlich ist erwiesen, dass auf Biokost normalerweise deutlich weniger Rückstände von synthetischen Pestiziden zu finden sind. Doch – was die meisten Verbraucher nicht wissen – Pestizide stehen in der Rangfolge der realen Gesundheitsgefahren ganz weit unten. Selbst in den fünfziger und sechziger Jahren, als die harten Pflanzenschutzmittel der ersten Generation völlig sorglos gespritzt wurden, stieg die Lebenserwartung der Menschen rapide an. Dennoch hat die Angst vor Pestiziden einen rationalen Kern: Pflanzenschutzmittel sind schließlich Gifte, die Pilze, Unkräuter oder Insekten vernichten sollen. Landwirte müssen vorsichtig damit umgehen. Wer diese Stoffe kanisterweise auf dem Acker verteilt und nicht aufpasst, kann sich und andere gefährden. Giftigkeit ist jedoch immer eine Frage der Dosis. Die berühmte, bis heute gültige Regel von Paracelsus (1493 bis 1541) lautet: "Alle Ding’ sind Gift und nichts ohn’ Gift – allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist." Viele ­Substanzen, mit denen wir im Alltag umgehen, wie Salz oder Alkohol, sind tödlich, wenn wir zu große Mengen davon aufnehmen. Nach Ansicht führender Toxikologen sind die minimalen Pestizidmengen, die Endverbraucher aufnehmen, ungefährlich. Zwar entdecken Lebensmittelüberwacher immer wieder mal Grenzwertüberschreitungen auf Gemüse oder Obst (was dann für alarmierende Schlagzeilen sorgt). Doch solche Überschreitungen liegen meist weit unter den gesundheitlich relevanten Grenzen. Die gesetzlichen Grenzwerte in Deutschland sind extrem niedrig angesetzt. Sie liegen in der Regel 100- bis 100000-mal tiefer als die Dosis, bei der in Tierversuchen gesundheitliche Folgen festzustellen sind. "In einer einzigen Tasse Kaffee", schrieb Bruce Ames, einer der weltweit führenden Forscher auf den Gebieten der Biochemie und Molekularbiologe, "sind mehr Stoffe, die im Tierversuch Krebs auslösten, als potenziell krebserregende Pestizidrückstände in dem Essen, das ein Durchschnittsamerikaner in einem Jahr verzehrt." Dazu sollte man wissen, dass etwa die Hälfte aller Stoffe, egal ob synthetisch oder natürlich, bei Versuchstieren Krebs auslöst, wenn man sie in hohen Dosen verabreicht. Kaum ein Käufer weiß, dass selbst ungespritzte Pflanzen nicht pestizidfrei sind. Denn die Pflanzen selbst produzieren Giftstoffe, die Tiere – etwa Raupen – davon abhalten sollen, sie aufzufressen. Daher sind 99,99 Prozent aller Pestizide, die wir aufnehmen, natürlichen Ursprungs. Der britische Molekularbiologe Anthony Trewavas wies darauf hin, dass jeder Mensch mit seiner ganz normalen Nahrung täglich mehrere Tausend natürliche toxische Pestizide zu sich nimmt. Er schätzt die Gesamtmenge dieser Stoffe auf einen viertel Teelöffel am Tag. Die Krebsgefahr von den natürlichen Giftstoffen in Obst und Gemüse, sagt Ames, sei 10000-mal höher als die von Pestizidresten. Die regelmäßige Skandalisierung des Themas Pestizidrückstände spiegelt auch den Fortschritt der Messtechnik. Verdünnungen von eins zu einer Trillion sind heute messbar. Der schon sprichwörtliche Zuckerwürfel im Starnberger See könnte also tatsächlich nachgewiesen werden. Dass Biobauern keine synthetischen Gifte benutzen, bedeutet nicht, dass sie keinerlei Gift benutzen. Sie dürfen schädliche Insekten, Unkräuter und Pilze mit einer ganzen Palette von Stoffen bekämpfen. Die Liste umfasst mehrere Dutzend Mittel, darunter pflanzliche Substanzen, Mineralöle, Bakterienstämme und Chemikalien. Kupfer- und Schwefelpräparate werden insbesondere im Obst- und Weinbau eingesetzt. Weil für bestimmte Pflanzenkrankheiten keine wirksamen Stoffe zugelassen sind, spritzen Bio-Obstbauern 12- bis 16-mal Kupfer und Schwefel. "Dass im Biobereich Kupfer verwendet wird", sagt der deutsche Lebensmittelchemiker und Bestsellerautor Udo Pollmer, "straft die ganze Ökopropaganda Lügen. Kupfer ist ein Schwermetall, das wir nie wieder aus den Böden kriegen. Es schädigt massiv das Bodenleben, insbesondere die Regenwürmer." Während sich viele Menschen vor Pestizidrückständen in der Nahrung fürchten, machen sich nur wenige Sorgen um die Verschmutzung durch natürliche Krankheitserreger wie Schimmelpilze, Einzeller, Bakterien oder Viren. Die Fälle der Erkrankungen durch solche Erreger im Essen gehen in Deutschland alljährlich in die Hunderttausende. Jahr für Jahr sterben über 200 Bundesbürger an Lebensmittelvergiftungen und -infektionen. Bis zum Aufkommen der modernen Hygiene und der wissenschaftlichen Medizin waren natürliche Gifte in der Nahrung eine der großen Menschheitsplagen. Insbesondre Pilzgifte (Myko­toxine) kosteten viele das Leben. Manche dieser Mykotoxine gehören zu den potentesten Krebsauslösern. Durch Qualitätskontrolle und Schutzmaßnahmen ist die Gefahr von Pilzgiften im Essen heute geringer als früher – zumindest in den reichen Industrieländern. Doch sie ist immer noch wesentlich größer als das Risiko von Pestizidrückständen. Naturdünger aus Tierfäkalien (den auch viele konventionelle Landwirte einsetzen) kann Krankheitskeime enthalten. Nach den Regeln des Biolandbaus muss der Mist zwar lange kompostiert werden, damit die Hitze Keime abtötet, aber in der Praxis gelangt doch immer wieder infektiöser Dung aufs Gemüse. In den USA wurde nachgewiesen, dass daran einige Menschen starben und Hunderte mit schweren Magen-Darm-Beschwerden ins Krankenhaus mussten. "Zurück zu mittelalterlichen Produktionsweisen kann eben auch bedeuten, dass mittelalterliche Gefahren wieder auftauchen", sagt Beda M.Stadler, Professor für Immunologie an der Universität Bern. Wenn "Bio" nicht gesünder ist, ist es wenigstens besser für die Umwelt? Die Antwort lauter ja und nein. Biohöfe inmitten intensiv genutzter Agrarlandschaften können eine höhere Artenvielfalt von Singvögeln und anderen wildlebenden Tieren und Pflanzen vorweisen. Das liegt jedoch weniger an der Anbauweise als daran, dass viele Biobauern Hecken und Bäume pflanzen und Tümpel nicht trockenlegen. Doch der Biolandbau hat einen gewaltigen Nachteil für die Natur. Da die Ernten geringer ausfallen, benötigt er mindestens ein Drittel mehr Fläche, um gleich viel zu produzieren. Angenommen, alle Bauern der Welt würden auf "Bio" umstellen, wäre dies das Ende der Wälder, der Steppen, der Feuchtgebiete und der dort lebenden Wildtiere – ein Desaster für die Natur. Die dann frei laufenden Nutztiere würden riesige Areale benötigen. Im Jahr 2007 lebten bereits über eine Milliarde Schweine auf der Welt. Freilaufend würden sie ungefähr die Fläche Australiens benötigen. Ihre Ausscheidungen würden in kurzer Zeit die Böden zu Sondermüll degradieren. Das ist natürlich nur ein Gedankenspiel, keine realistische Option – doch wenn die Verfechter des Biolandbaus behaupten, sie hätten eine Lösung für Ernährungsprobleme der Welt, sollte man die Konsequenzen dieser vermeintlichen Lösung zu Ende denken. Mehr Agrarfläche bedeutet weniger Natur – an diesem Dilemma kommt niemand vorbei. Diesem Argument widersprechen überzeugte Anhänger des Biolandbaus mit dem Hinweis, die Menschheit könne auch vegetarisch leben. Dann müsste zwar kein Futter mehr angebaut werden. Doch auch in einer vegetarischen Welt würden weiterhin Nutztiere gebraucht, um den Dünger für den Bio-Ackerbau zu liefern, da Kunstdünger im Biolandbau verboten ist. Der Agrarwissenschaftler und Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug errechnete, dass über fünf Milliarden Rinder notwendig wären, um den für den Getreideanbau notwendigen Stickstoff auf biologischem Wege zu erzeugen (derzeit umfasst die globale Rinderherde 1,3 Milliarden). Ende der neunziger Jahre beauftragte die dänische Regierung eine Forschungskommission herauszufinden, was passieren würde, wenn Dänemark komplett auf Biolandbau umschaltet. Sie wurde als Birchel-Kommission bekannt, nach dem Namen ihres Vorsitzenden, des ehemaligen Präsidenten der dänischen Gesellschaft für Naturschutz. Ergebnis der Berechnungen: Die Nahrungsmittelproduktion würde um fast die Hälfte sinken. Um den Bedarf an Fleisch, Milch und Naturdünger zu decken, müsste das Weideland um 160 Prozent erweitert werden: das Ende jeglichen Naturschutzes. Obendrein würde die Komplettumstellung auf Biolandbau die dänischen Steuerzahler viele Milliarden Euro kosten. Bliebe noch der dritte Vorteil, für den viele Konsumenten bereit sind, mehr Geld auszugeben: der Tierschutz. Darin sind die Bio-Landwirte tatsächlich besser. Zwar gibt es immer mehr moderne Betriebsleiter, die bessere Stallungen bauen, weil ihnen ein humaner Umgang mit den Nutztieren wichtig ist. Doch im Durchschnitt sind die Haltungsbedingungen auf Biohöfen tierfreundlicher. Artgerechte Tierhaltung ist oft kompliziert und arbeitsintensiv und erfordert viel Wissen. Bei Schweinen und Hühnern kommt Freilandhaltung in Deutschland nur für wenige Betriebe infrage, da die nötigen Flächen nicht vorhanden sind. Veterinäre der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover fanden heraus, dass Freilandhaltung nicht nur ökologisch schädlich ist, sondern auch für die Tiere weniger angenehm als man früher dachte. Hennen, die unter freiem Himmel leben, werden häufiger krank und sterben im Durchschnitt jünger. Denn Wildvögel wie Tauben und Spatzen verteilen unkontrollierbar Krankheiten und Parasiten. Freilandhühner leiden verstärkt unter Salmonellen und Wurmbefall, auch das Risiko einer Infektion mit Geflügelgrippe ist höher. Außerdem kommt es weitaus häufiger als im Käfig zu dem von Hühnerhaltern gefürchteten Federpicken und Kannibalismus: Die Hennen picken sich gegenseitig die Federn aus oder hacken sich zu Tode. Die Hennen in Käfighaltung leben vergleichsweise gesünder und auch ihre Eier sind weniger von Keimen belastet. Andererseits steht fest, dass Legehennen in der Enge der Käfige sich nicht selten die Knochen brechen, und dass ihr Federkleid oftmals spärlich, zerrupft und ungepflegt aussieht. Außerdem wurde nachgewiesen, dass bestimmte, wichtige Verhaltensweisen, die bei Hühnern genetisch vorprogrammiert sind, im Käfig lebenslang unterdrückt werden. Sie können nicht scharren, sie können sich zum Eierlegen nicht zurückziehen, sie haben keine erhöhte Sitzgelegenheit zum Schlafen. Gibt es also für Landwirte nur die Wahl, verhaltensgestörte Vogelwracks im Käfig zu halten oder salmonellenverseuchtes Geflügel im Freiland, das obendrein die Umwelt verschmutzt? Verhaltenforscher sagen, dass es in der Tierhaltung nicht so sehr auf große Auslaufflächen, sondern vielmehr auf die Ausstattung der Ställe ankommt. Die Zukunft gehört wohl tierfreundlichen Haltungsformen, die mit begrenztem Raum auskommen. Für Legehennen ist die sogenannte Volierenhaltung entwickelt worden. Dort können die Hühner an die frische Luft gehen, haben dort aber nicht so viel Platz wie ihre Artgenossinnen in der Freilandhaltung. Es gibt jedoch Sitzstangen und Legenester. Wildvögel werden durch engmaschigen Draht gehindert, in den Auslauf einzudringen. Ein Kompromiss aus Tierschutz und Hygiene. Die Tierhaltung der Zukunft wird vermutlich anders aussehen als auf den beschaulichen Bilderbuchbauernhöfen der Werbespots. Sie wird hoch technisiert und automatisiert sein, hygienisch, pflegeleicht und wirtschaftlich. Sie wird aber gleichzeitig die Verhaltensansprüche der Tiere erfüllen müssen – denn Tierethik spielt in allen westlichen Gesellschaften eine immer größere Rolle. Ein Zurück zu Opas Bauernhof ist kein Ausweg, starrer Bio-Dogmatismus ebenfalls nicht. Die besten Lösungen aus dem Biolandbau und der modernen Landwirtschaft sind gefragt, intelligente Technik plus ökologisches Gewissen. Diese Kombination könnte nicht nur Hühner glücklich machen, sondern auch Verbraucher.

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Georg Stejskal | Do., 8. Februar 2018 - 00:56

Nur "Bio" zu essen ist ja auch nicht der Gedanke. Das ist so wie ein gestresster Manager dann noch schnell Yoga geht. Leider ist das die Krankheit unserer Gesellschaft, man glaubt mit einer Pille alles heilen zu können. Kopfweh - Pille, Erkältung - Pille, Abnehmen - Pille....
"Bio" heisst ja nichts anderes als Leben. Also es geht darum, das Leben selbst wieder in den Vordergrund zu stellen und nicht etwa Gewinnmaximierung oder Arbeitsplatzbeschaffung. Ein einfacheres Lebens dafür mit mehr Qualität ist sicher Genussvoller als ein schnelles mit Quantität. Das wussten schon die "alten Chinesen". Dann bräuchten wir nicht sooo viel von allem, wovon einTeil eh nur in die Mülltonne wandert. Aber Gesellschaftsänderung kann man nicht diktieren, also wird auch Mc Donalds noch lange Kundschaft haben und ich werde mir wie immer meine Äpfel von Streuobstwiesen holen, weil die einfach viel viel besser sind als die im Supermarkt.