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(picture alliance) Heiterkeit für die Kameras. Merkel, Sarkozy und Monti in Straßburg.

Gipfeltreffen in Straßburg - Rutscht Deutschland in die Euro-Krise?

Sarkozy, Merkel und Monti suchen einen Weg aus dem Dilemma. Was haben die Regierungsspitzen der drei größten Euroländer auf dem Gipfel in Straßburg vereinbart? Wie lange kann Merkel sich noch gegen Eurobonds stellen?

Angela Merkel kam zu spät. Was manchem Beobachter wie ein Symbol für die Rolle Deutschlands bei der Bewältigung der Euro-Schuldenkrise erschienen sein mag, war allein einer technischen Panne geschuldet: Das Flugzeug, das die Bundeskanzlerin zu ihrem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und dem italienischen Regierungschef Mario Monti in Straßburg bringen sollte, hatte einen Defekt – sie konnte erst dreißig Minuten später fliegen.

Schon vor dem Treffen, bei dem der Italiener seine Sparpläne erläuterte, hatte Merkel klargemacht, dass sie in der Sache hart bleiben würde: Nicht die Europäische Zentralbank (EZB) soll die Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Schuldenkrise spielen.

Und obwohl Frankreichs Außenminister Alain Juppé vor dem Dreier-Gipfel noch einmal die „wesentliche Rolle“ der EZB bei der Rettung der Euro-Zone betont hatte, gelang es der Kanzlerin, den französischen Präsidenten auf ihre Linie zu bringen. In den nächsten Tagen, noch vor dem EU-Gipfel am 9. Dezember, wollen Merkel und Sarkozy Vorschläge für eine Änderung der EU-Verträge vorlegen. „Es geht nur darum, dass die, die den Stabilitätspakt nicht einhalten, in Zukunft zur Rechenschaft gezogen werden können“, sagte Merkel nach dem Treffen. Die Initiative gehe „in Richtung einer Fiskalunion“. Die Vorschläge sollten die Steuerung der Euro-Zone verbessern, ergänzte Sarkozy. Und: Der Vorstoß habe nichts mit der Europäischen Zentralbank (EZB) zu tun, sagte Merkel, und Sarkozy bestätigte dies. „Die EZB ist unabhängig. (...) Sie ist für die Stabilität des Geldes zuständig“, sagte Merkel. Sarkozy sprach von „roten Linien“. „Ich versuche, die deutsche rote Linie zu verstehen.“ Und umgekehrt müsse Deutschland Frankreichs rote Linie verstehen. Damit verzichtete Sarkozy in aller Form zwar auf das Ansinnen, das EZB-Mandat auszuweiten, damit die Währungshüter nicht nur die Preise stabil halten, sondern auch die Konjunktur stützen könnten. Im Gegenzug erwartet er allerdings von der Bundesregierung, dass sie den Aufkauf von Staatsanleihen durch die Notenbank künftig stillschweigend duldet.

[gallery:Schicksalstage einer Kanzlerin.]

Auch bei Euro-Bonds rückte Merkel nicht von ihrer bisherigen Linie ab. Unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit drücke sich in unterschiedlichen Zinssätzen aus. Mit gemeinsamen europäischen Staatsanleihen die Zinssätze anzugleichen, sei ein falsches Zeichen. Vor der Krise seien die Zinssätze im Euro-Raum nahezu gleich gewesen – durch die Märkte bewertet. Dies aber „zwangsweise herbeizuführen, wird uns alle schwächen“, sagte sie. Auf einen Kuhhandel will sich Merkel nicht einlassen: Sie werde ihre Haltung zu Euro-Bonds nicht als Gegenleistung für vertraglich geregelte Verschärfungen der Stabilitätskriterien aufgeben. „Es geht nicht um Leistung und Gegenleistung.“ Die Konstruktionsschwäche des Euro-Raums – dass es keine politische Union gebe – müsse man Schritt für Schritt überwinden, sagte die Kanzlerin.

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Rutscht auch Deutschland in die Krise?

Es ist keine Flucht, aber ein schleichender Abschied: Anleger verkaufen seit Tagen deutsche Staatsanleihen. Auch am Donnerstag gab der Bund-Future – ein „Barometer“ für die künftige Zinsentwicklung – deutlich nach. Im Gegenzug stieg die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen auf 2,152 Prozent. Am Mittwoch hatte sie noch bei 2,015 Prozent gelegen. Das ist immer noch deutlich weniger, als etwa Italien oder Frankreich Investoren zahlen müssen, die Staatsanleihen dieser Länder kaufen. Aber nach der missglückten Auktion deutscher Anleihen am Mittwoch zeigen sich Marktbeobachter alarmiert: „Es herrscht eine hohe Unsicherheit und Misstrauen gegenüber Deutschland“, sagte Viola Stork, Analystin bei der Helaba.

„Ausländische Investoren ziehen ihre Gelder ab und legen sie außerhalb der Euro-Zone an, zum Beispiel in Großbritannien oder den USA.“

Volkswirte hatten am Vortag von einem „absoluten Desaster“ für den Bundesfinanzminister gesprochen, nachdem es der Finanzagentur des Bundes nicht gelungen war, zehnjährige Bundesanleihen im Wert von sechs Milliarden Euro zu einem Zins von 1,98 Prozent am Markt zu platzieren. Die Gebote von Investoren und Banken beliefen sich nur auf 3,89 Milliarden Euro. Rund ein Drittel der Emission konnte die Agentur, die im Auftrag des Finanzministers möglichst günstig Geld für den Bund beschaffen soll, nicht unterbringen. „Offenbar machen sich die Investoren jetzt auch Gedanken über die Qualität der Bundesanleihen“, sagt Eugen Keller vom Bankhaus Metzler. Möglicherweise sei die schiefgelaufene Emission auch ein Indiz dafür, dass der Widerstand gegen Euro-Bonds abbröckele. „In jedem Fall muss der Bund künftig eine höhere Rendite bieten.“

Die Frage, ob damit die Schuldenkrise den vermeintlich „sicheren Hafen“ Deutschland erreicht hat, beantworten Experten zurückhaltend. Im laufenden Jahr hatte die Finanzagentur bereits bei acht Emissionen von Bundeswertpapieren Probleme, für alle Bonds Käufer zu finden. Unter anderem drei Mal bei zehnjährigen und je zwei Mal bei fünf- und bei 30-jährigen Bundesanleihen. Insgesamt fehlten dabei Gebote im Volumen von sechs Milliarden Euro. Im Vergleich zum gesamten Refinanzierungsbedarf des Bundes von 275 Milliarden Euro, den die Finanzagentur 2011 abdecken muss, entspricht dies weniger als einem Prozent. „Für diese 275 Milliarden Euro gingen insgesamt in diesem Jahr Gebote von 413 Milliarden Euro ein“, sagt Jörg Müller, Sprecher der Finanzagentur. Generell sei der Vorgang indes nicht ungewöhnlich, auch 2010 und 2009 sei dies vorgekommen. Allerdings hatte es bislang selten eine so geringe Nachfrage nach einer Bundesanleihe gegeben wie am Mittwoch. Volkswirte sprechen von einem Stimmungsumschwung. „Man muss sich gewisse Sorgen machen“, sagte Eugen Keller vom Bankhaus Metzler.

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Eurobonds: Der Druck auf die Kanzlerin wächst

Manchmal macht in der Politik der Ton die Musik. Und der Ton, in dem manche Unionspolitiker dieser Tage das Wort „Euro-Bonds“ im Mund führen, klingt nicht mehr ganz so kategorisch abweisend wie bisher. „Wir sagen nicht: nie“, sagt etwa der CDU-Haushälter Norbert Barthle, und auch sein Kollege Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher, kann sich gemeinsame Anleihen der Euro-Länder als „Schlussstein“ einer europäischen Stabilitätsunion vorstellen.

Tatsächlich hat selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel sich nie kategorisch gegen gemeinsame Euro-Anleihen ausgesprochen. Ihr Nein galt nur mit dem Zusatz „derzeit“. Als kurzfristiges Mittel gegen die Krise erklärt die Kanzlerin die Bonds für Gift – Deutschland würde voll für andere Schuldensünder haften, für die von da an jeder Anreiz entfiele, sich schnell zu solider Haushaltsführung vorzuarbeiten.

Die Lage wäre anders, gäbe es schon eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik im Euroland mit effektiven Sanktionen gegen Schuldenmacherei. Dann, am Ende des Weges, kann sich auch Merkel Euro-Anleihen vorstellen.

Nichts anderes sagen Barthle und Pfeiffer, der „vielleicht zehn, 15 Jahre“ veranschlagt. Dass der bekannte Ton plötzlich anders klingt, hängt mit Klaus Regling zusammen. Dem Chef des Euro-Rettungsschirms EFSF ist es bisher nicht gelungen, Investoren aus Asien und anderswo die Hebel schmackhaft zu machen, mit deren Hilfe der Fonds die Staatsanleihen kriselnder Südländer wie Italien stützen soll. Wenn der EFSF aber nicht funktioniert, sind nur noch zwei Alternativen in Sicht: Entweder kauft die Euro-Zentralbank (EZB) weiter massenhaft Anleihen auf, oder die Transferunion mit Euro-Bonds wird Wirklichkeit.

Der schwarz-gelben Koalition geht beides gegen geheiligte Prinzipien, die Bonds-Idee aber obendrein an die Existenz. Die CSU lehnte sofort vehement ab. FDP-Chef Philipp Rösler legte sich am Donnerstag in der Wirtschaftsdebatte im Bundestag ebenfalls auf ein Nein fest, ja er forderte – vergeblich – alle Fraktionen auf, sich gegen die Bonds-Modelle auszusprechen, die EU-Kommissionspräsident Barroso ausgearbeitet hatte. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle spricht gar von „Zinssozialismus“. Und Fraktions-Vize Patrick Döring sagte dem Tagesspiegel: „Das wird die FDP in Europa nicht mittragen.“

Für die FDP-Spitze kommt die Debatte zur denkbar übelsten Zeit. Bis zum 13. Dezember läuft ihr Mitgliederentscheid, und dessen Initiator Frank Schäffler würde jede Abweichung vom strikten Nein zur Transferunion als Bestätigung seiner Skepsis werten. Würde also im Dokument des Euro-Gipfels am 8. und 9. Dezember auch nur das Wort „Euro-Bonds“ oder die Barrososche Neusprech-Schöpfung „Stabilitätsbonds“ auftauchen, kann die FDP-Spitze den Mitgliederentscheid wahrscheinlich gleich verloren geben.

Merkel weiß das natürlich. Deshalb auch der Ärger der Kanzlerin über Barrosos Vorstoß zu dieser Zeit: „Wir werden nicht unsere Regierung in die Luft sprengen“, sagt ein Koalitionär aus der Union. Merkel nimmt da schon lieber in Kauf, dass die EZB in immer schnellerer Folge und mit immer höheren Milliardensummen in die Anleihen- Märkte eingreift. Das, so die Kanzlerinnen-Sprachregelung, verbiete sich zu kritisieren – wegen der Unabhängigkeit der EZB.

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