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EU-Kommissarin Maria Damanaki - Retterin der Meere

Die griechische EU-Kommissarin für Fischerei Maria Damanaki hat mit der Klientelpolitik ihrer Vorgänger gebrochen und kämpft erfolgreich gegen die Überfischung

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Christian Schägerl arbeitet als freier Journalist in Berlin.

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Ihre Kampfbereitschaft hat Maria Damanaki früh bewiesen. 1973 war sie die Stimme des Aufstands gegen die griechische Militärdiktatur. Damals 21 Jahre alt, Studentin, angehende Chemieingenieurin, rief sie in einer Radiosendung vom Gelände der besetzten Polytechnischen Hochschule die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Generäle auf. Diese schlugen den „Polytechnio-Aufstand“ blutig nieder. Damanaki landete im Gefängnis und wurde gefoltert. Weniger als ein Jahr später brach die Militärdiktatur in sich zusammen, es war auch ein Sieg Damanakis.

40 Jahre später ist Damanaki Athens Vertreterin in der EU-Kommission und dabei auf dem Weg, als die Fischereikommissarin in die Annalen Europas einzugehen, die die jahrzehntelange Überfischung der Meere durch bis zu 100 000 europäische Fangschiffe beendet hat. Dabei war ihr jetziges Amt alles andere als ihr Traumjob: „Wenn man als Grieche schon EU-Kommissar wird, kann man sich das Ressort nicht aussuchen“, hat sie einmal lakonisch gesagt. Die ehemalige Vorsitzende der sozialistischen Partei Synaspismos muss schon bis in ihre Kindheit auf Kreta zurückgehen, um etwas über ihre Beziehung zur Welt der Fische erzählen zu können. Und ihr EU-Amt sah zunächst auch tatsächlich nicht nach einem Gewinnerposten aus: Fischereipolitik galt bis zu Damanakis Amtsantritt 2010 als sehr technisch, der zuständige Kommissar stand stets in der hinteren Reihe.

Ihre Vorgänger waren darauf bedacht, die kurzfristigen Interessen der Fischereiwirtschaft zu schützen, vor allem die der Eigner großer, industrieller Fangschiffe. Milliardensubventionen flossen in den Aufbau einer übergroßen Flotte, die heute bis in den Südpazifik tuckert, um die Weltmeere zu leeren. In den Gewässern rund um Europa rächt sich die falsche Politik von früher bereits brutal: Der Fischfang ging von acht Millionen Tonnen 1995 auf fünf Millionen Tonnen im Jahr 2012 zurück – nicht wegen strikterer Auflagen, sondern weil nichts mehr zu holen ist.

Damanaki hat sich vom ersten Tag an vorgenommen, die alten Strukturen aufzubrechen, und steht kurz vor dem Ziel. Bis spätestens Juni will sie sich mit dem Europaparlament und den 27 Mitgliedstaaten auf eine umfassende Reform der ­EU‑Fischereipolitik einigen.

Damanaki sorgt sich dabei um mehr als die Fische. Es geht ihr eben nicht nur um Kabeljau, Hering und Makrelen, es geht auch um 400 000 Arbeitsplätze in der Fischereibranche, um viele Milliarden Euro Umsatz und rund drei Milliarden Euro Subventionen. Die Kritik der Fischereilobby, Damanakis Reformen schadeten der Wirtschaft, weist sie barsch zurück und sieht Parallelen zur Schuldenkrise in ihrer Heimat: „Unser Umgang mit den Meeren ist genauso verantwortungslos wie der griechische Umgang mit Geld. Wenn wir weiter zu viel Fisch-Kapital abheben, ist das Meereskonto bald leer.“ Mit ihren Reformen strebt sie eine nachhaltige Regeneration der Fischbestände an. Der Branchenumsatz könne dadurch sogar um 1,8 Milliarden Euro wachsen, rechnet sie ihren Kritikern vor.

Die kennen den kämpferischen Kurs der Kommissarin schon. Kaum im Amt, entließ sie einen EU-Spitzenbeamten, der als verkappter Lobbyist der großen Fischereifirmen galt, und sorgte gleichzeitig dafür, dass neue Stimmen in Brüssel Gehör finden. „Bei den ersten Sitzungen war niemand da, der die Besitzer kleiner Boote in den Küstengemeinden vertreten hat“, erzählt Damanaki, „das musste ich natürlich sofort ändern.“

2011 legte sie den ersten Reformentwurf vor, mit dem sie seither durch Europa zieht, durch Hauptstädte und Küstendörfer, zu Wissenschaftskonferenzen und den Treffen der Fischereiwirtschaft. Mit einer einfachen, zugespitzten und zugleich warmen Sprache wirbt sie für ihren Plan. Die Rettung der Meere scheint ihr zur Herzensangelegenheit geworden zu sein, und ihre Kampagne hat Erfolg.

„Am Anfang haben die Lobbyisten über den Reformplan gelacht, aber inzwischen ist ihnen das Lachen vergangen“, sagt Thilo Maack, Meeresexperte bei Greenpeace. Damanaki ging auf Konfrontationskurs mit den EU-Fischereiministern, als sie forderte, die Kungelei bei den Fangquoten zu beenden. Deren berüchtigte Dezembertreffen verliefen meist nach einem einfachen Prinzip: „Gibst du mir mehr Kabeljau, dann gebe ich dir mehr Thunfisch.“

Künftig sollen wissenschaftliche Empfehlungen den Ausschlag geben. Zweitens geht sie das Thema „Beifang“ an. Europas Fischer werfen knapp ein Viertel ihres Fangs tot zurück ins Meer, weil die Tiere nicht zu den Fangplänen passen. Ab 2014 soll schrittweise die Pflicht gelten, alle gefischten Tiere an Land zu bringen und zu verwerten. Drittens will sie Subventionen an strenge Kriterien knüpfen. Es sei unverantwortlich bei der anhaltenden Überfischung, den Bau immer größerer Schiffe zu fördern, die durch leere Meere schippern, schimpft Damanaki.

Das EU-Parlament hat ihren Kurs Anfang Februar mit großer Mehrheit bestätigt. Nun muss sie einen Kompromiss mit den Regierungen finden, vor allem mit den Fischereinationen Spanien und Frankreich. Damanaki droht: „Wenn wir so weitermachen, sind die Meere bald leer.“ 

Christian Schwägerl gehört zu den profilierten Fachjournalisten für Umweltthemen in Deutschland.

 

 

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