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Die Silhouette eines Stahlarbeiters im Werk der Salzgitter AG / picture alliance

Krise der Stahlindustrie - Schluss mit dem Protektionismus!

Die Stahlindustrie steckt wegen der Energiewende und wegen Billig-Importen aus China in einer tiefen Krise. Am Donnerstag debattiert der Bundestag über die Probleme der Branche. Grünen-Politiker Dieter Janecek fordert Stahlunternehmen auf, sich aktiv am Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beteiligen. Auch dürfen sie die Digitalisierung nicht verschlafen

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Dieter Janecek ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grüne. Bis 2014 war er Vorsitzender der bayerischen Grünen. (Foto: Die Grünen)

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Der Stahlpreis ist im Keller, die europäische Stahlindustrie steckt in der Krise. Wahlweise wird behauptet, China oder der europäische Klimaschutz seien Schuld an der Misere. Gerne übersehen wird, dass viele Probleme der Stahlbranche hausgemacht sind – man denke nur an die Milliarden, die ThyssenKrupp in seinem größenwahnsinnigen Brasilienprojekt versenkt hat.

Aber der Blick zurück auf fatale Managemententscheidungen vor rund einem Jahrzehnt hilft uns heute nicht wirklich weiter. Was wir brauchen, ist ein mutiger Blick nach vorne. Dass wir in Deutschland, in Europa auch zukünftig auf eine starke Stahlindustrie als wichtigen Werkstofflieferant für die industriellen Wertschöpfungsketten angewiesen sind, steht außer Frage. Wir müssen gemeinsam an der Zukunftsfähigkeit der Branche arbeiten.

Druck auf China ausüben
 

China produziert momentan gut 70 Millionen Tonnen Rohstahl im Monat. Bei weltweit knapp 140 Tonnen ist das rund die Hälfte der globalen Produktion. Klar ist: Wir müssen mit China reden, Druck machen, unsere handelspolitischen Schutzmechanismen nutzen, wenn von dort subventionierter Stahl weiterhin auf den Weltmarkt gedrückt wird, zu Preisen unter den Herstellungskosten. Wir müssen entschieden handeln, aber auch Augenmaß bewahren. Ein Handelskrieg mit China bringt niemandem etwas, weder uns noch der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Langfristig kann auch Peking kein Interesse an Überkapazitäten in der Stahlindustrie haben. Dass die chinesische Regierung durchaus zu verantwortungsbewusster Regulierung in der Lage ist, zeigt die jüngste Entscheidung der Regierung in Peking zur Einführung eines Emissionshandelssystems, das ausdrücklich auch für die Stahlbranche gelten soll.

Dem Protektionismus widerstehen
 

Die Verantwortung liegt nicht bei den Chinesen allein. Zu sagen „macht mal schön ein paar Werke dicht, damit sich bei uns nix ändern muss“, ist keine Haltung. Gerade als Exportnation, deren Wohlstand zu guten Teilen darauf beruht, dass andere unsere Produkte kaufen, müssen wir vorsichtig sein, wenn wir uns von den Exporten anderer bedroht fühlen. Es sei nur daran erinnert, dass das Reich der Mitte seit Jahren der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Autobauer ist. Gegen unfairen Wettbewerb müssen wir uns klar stellen. Wir sollten aber Rufen nach einem Protektionismus widerstehen. Ein Blick auf die Markterwartungen hilft hier übrigens auch weiter. Analysten rechnen derzeit wieder mit ansteigenden Stahlpreisen.

Stahl zur ökologischen Modernisierung einsetzen
 

Wo liegen die Perspektiven für die europäische Stahlindustrie? Sie wird nur erfolgreich sein, wenn sie sich konsequent ökologisch modernisiert, wenn sie zum Technologieführer in Sachen Emissionsminderung, Energie- und Materialeinsparung und Recycling wird. Damit dies gelingt, brauchen wir sowohl auf nationalstaatlicher als auch auf europäischer Ebene Investitionen in Forschung und Entwicklung, die an genannte Ziele gekoppelt werden. Aber wir brauchen auch ein Umdenken des Managements. Die Branche muss diese Herausforderung auch annehmen. Eine erneuerbare Energieinfrastruktur braucht Tonnen an Stahl: Die ökologische Modernisierung ist Teil der Lösung, nicht das Problem.

Digitalisierung als wichtiger Geschäftsfaktor
 

Über die Geschäftsstrategien der europäischen Stahlunternehmen entscheiden deren Vorstände, nicht die Politik. Spannend ist daher, welche neuen Wege beispielsweise ThyssenKrupp gerade zu beschreiten versucht. Entstanden aus den einst größten Stahlproduzenten der Welt, ist das Unternehmen heute ein diversifizierter Industriekonzern, in dem die Stahlproduktion nur noch eines von mehreren Standbeinen darstellt. Ein Unternehmen, für dessen Zukunft – zumindest wenn man aktuellen Äußerungen ihres CEO gegenüber der Presse folgt – die Digitalisierung wichtiger ist als der Stahlpreis. In Essen scheint man erkannt zu haben, dass die Nachfrage nach Stahl wohl absehbar nicht mehr signifikant steigen wird und man zukünftig noch stärker andere Geschäftsmodelle entwickeln muss. Beispiel Aufzüge: Zur Herstellung braucht man natürlich Stahl. Entscheidend ist aber, dass man bei Aufzügen nicht nur über den Verkauf verdient, sondern auch über Wartung und Service – also über Jahrzehnte. Bei 12 Millionen Aufzügen weltweit erst mal ein lukrativer Markt, der viel mit Sensorik und digitalen Anwendungen zu tun hat. Die jüngst beschlossene Kooperation mit Microsoft ist für das Essener Traditionsunternehmen langfristig vielleicht wichtiger als die Entwicklung des Stahlpreises.

Ein zweites zukunftsweisendes Beispiel ist der Stahlhändler Klöckner & Co aus Duisburg: Um die Lieferkette in der Stahldistribution effizienter zu gestalten, führte das Unternehmen zunächst einen Online-Shop für seine Kunden ein, der den Bestellvorgang einfach, zeitunabhängig und transparent machte. Nun geht der Stahlhändler noch einen Schritt weiter und will eine Plattform auf die Beine stellen, die es auch anderen Stahlanbietern ermöglicht, ihre Produkte global anzubieten. Damit hat die Firma ein neues Geschäftsmodell geschaffen: den Stahlhandel effizienter zu gestalten.

Der Weg aus der Stahlpreiskrise? Mit Innovationen den Angriff nach vorne wagen und damit im Wettbewerb überzeugen!

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