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(picture alliance) Jean-Claude Juncker und Christine Lagarde scheinen ratlos: wieder einmal ging das Treffen der Eurogruppe ergebnislos aus

Griechenland und der Euro - Ratlose Retter

Es geht zu wie im Kindergarten: Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker verkündet, Griechenland könne erst 2022, und nicht wie vereinbart 2020, seine Schulden selbst tragen. Daraufhin schneidet Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, Grimassen. Sie plädiert für einen zweiten Schuldenschnitt, doch das will Schäuble nicht. Eric Bonse über ergebnislose Europgruppen-Treffen und „echte Lösungen“

Das hat den Euro-Rettern gerade noch gefehlt. Monatelang haben sie auf Reformen in Griechenland und auf den Prüfbericht der Troika gewartet. Am Montag kam endlich das Zeugnis der internationalen Aufseher; es fiel positiv aus. Doch die erhoffte Entspannung ist nicht eingetreten, im Gegenteil: nun sind die Retter heillos zerstritten. Zerbricht der Club der Griechenland-Versteher?

Der Krach kam vor laufenden Kameras. Erst 2022, und nicht wie vereinbart schon 2020, werde Athen seine Schulden wieder selbst tragen können, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Das passte der resoluten Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, gar nicht. Wiederholt verzog sie das Gesicht zu Grimassen, die eindeutig als Ablehnung zu werten waren. So heftig war ihre Mimik, dass einige Journalisten lachen mussten. „Dies ist kein Witz“, konterte Juncker, „ich sage 2022“.

Seither brennt die Lunte zwischen der EU und dem IWF. Denn für Lagarde ist das Datum 2020 sakrosankt. Nur wenn Griechenland es bis dahin schafft, seine Schuldenquote auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken, kann der IWF den Griechen und den Europäern weiter beistehen. Ohne einen zweiten Schuldenschnitt, so warnt Lagarde seit Wochen, werde dies nicht gehen. Schließlich liegt die Quote derzeit bei 180 Prozent, Tendenz steigend. Doch auch damit beißt sie in Brüssel auf Granit.

Ein Schuldenschnitt stehe nicht auf der Tagesordnung, bürstete Schäuble die Debatte am Montag in Brüssel ab. Denn der würde diesmal die öffentlichen Gläubiger treffen - und Deutschland rund 17,5 Milliarden Euro kosten. Der deutsche Kassenwart schloss auch eine Aufstockung des laufenden Hilfsprogramms von 130 Milliarden Euro aus. Zwar gab er seinen Widerstand dagegen auf, den Griechen zwei Jahre mehr Zeit bei der Umsetzung der Sparpläne zu geben. Doch die damit verbundenen Kosten in Höhe von 32 Milliarden Euro will Schäuble nicht tragen.

Das Treffen der Eurogruppe ging aus wie das Hornberger Schießen - ergebnislos. Am Dienstag nächster Woche wollen sich die Finanzminister erneut treffen, um die offenen Fragen zu klären. Wahrscheinlich wird es aber auch dann noch keine endgültige Lösung geben. Denn Schäuble fordert zusätzliche Kontrollen, bevor er neuen Hilfskrediten an Griechenland zustimmt. Erst Ende November, so heißt es in Brüssel, sei mit grünem Licht zu rechnen.

Vielleicht ist aber auch das noch zu optimistisch. Denn beim IWF sitzt die Verärgerung über die Europäer tief. Griechenland brauche eine „echte Lösung“ für seine Schuldenprobleme, warnte Lagarde zuletzt aus dem fernen Malaysia. Ohne eine schnelle und nachhaltige Schuldenentlastung werde es nicht gehen. In Berlin wertet man dies als Alarmsignal, dass der IWF aus dem Club der Euroretter aussteigen könnte. Der Währungsfonds sei schon lange auf dem Rückzug, ein Ausstieg sei nur noch eine Frage der Zeit, sagte der CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch dem „Handelsblatt“.

Seite 2: Das Verhältnis zur EZB ist angespannt

Für die Bundesregierung wäre dies eine Katastrophe. Schließlich war es Berlin, das von Anfang an auf eine Beteiligung des IWF gedrängt hat, zunächst gegen heftigen Widerstand aus Paris und Brüssel. Zudem würde ein Rückzug  der Währungsexperten aus Washington teuer: Bisher trägt der IWF rund ein Drittel der Griechenland-Hilfen. Wenn er ausfällt, müssten Berlin und die anderen noch solventen Euroländer einspringen - oder Athen fallen lassen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Washington und Berlin streiten. Schon vor einem Jahr lag Schäuble mit dem IWF über Kreuz. Denn damals wollte er im Alleingang einen Schuldenschnitt bei den privaten Gläubigern durchboxen. Banken, Versicherungen und Hedgefonds sollten auf rund 100 Milliarden Euro verzichten. Schäuble setzte sich durch, allerdings um einen hohen Preis: Der Verzicht verunsicherte die Anleger, die damals begannen, auf breiter Front aus europäischen Staatsanleihen zu flüchten. Seither sind nicht nur Griechenland, sondern auch Italien und Spanien unter Druck. Doch die 100 Milliarden Entlastung für Athen sind schon wieder verpufft.

Angespannt ist auch das Verhältnis zur Europäischen Zentralbank. Die EZB ist es nämlich leid, immer wieder als Retter in der Not einzuspringen, wenn sich die Eurogruppe nicht einigen kann. Diesmal haben die EZB-Experten noch einmal gute Miene zum traurigen Spiel gemacht, um die bereits am Freitag drohende Pleite des Landes zu verhindern. Doch auch die Zentralbanker aus Frankfurt erhöhen den Druck auf die Eurogruppe, endlich eine dauerhafte und nachhaltige Lösung zu finden.

Wie die aussehen könnte, haben Experten bereits skizziert. Neben dem Schuldenschnitt sei eine Senkung der Zinsen nötig, die Athen auf die Hilfskredite zahlt, sagt der Wirtschaftsforscher Zsolt Darvas vom Brüsseler Thinktank Bruegel. Er empfiehlt einen Nullzins, eine Verlängerung der Laufzeiten und eine Indexierung aller Forderungen auf das griechische Bruttoinlandsprodukt. Ein neuer Konjunktureinbruch würde dann nicht automatisch zu noch höheren Schulden und neuen Hilfsprogrammen führen.

Auch beim IWF macht man sich seine Gedanken. Der Sparkurs schlage stärker auf die Konjunktur durch als erwartet, heißt es im World Economic Outlook. Bisher waren die IWF-Ökonomen davon ausgegangen, dass eine Budgetkürzung um ein Prozent der Wirtschaftsleistung das Wachstum in Griechenland um 0,5 Prozent verringern würde. Tatsächlich seien es aber 0,9 bis 1,7 Prozent. Die Rezession wird durch die umstrittene Austeritätspolitik also derart verstärkt, dass der Spareffekt zunichte gemacht wird.

Wie stark die Austeritätspolitik auf die griechische Wirtschaft durchschlägt, zeigen die jüngsten Zahlen aus Athen: im dritten Quartal ist die Konjunktur noch schlimmer eingebrochen als befürchtet, um satte 7,2 Prozent. Mit minimalen Wachstum wird erst wieder ab 2014 gerechnet. Die dramatische Rezession ist der Hauptgrund dafür, dass der Schuldenberg immer weiter wächst. Also läge es nahe, die Austeritätspolitik zu beenden, um die Konjunktur nicht noch weiter abzuwürgen.

Doch davon will man in Brüssel und Berlin nichts wissen. Finanzminister Schäuble will den Sparkurs in Griechenland nicht etwa lockern, sondern sogar noch weiter verstärken. Auch von einem Nullzins auf die Hilfskredite ist keine Rede, höchstens von einer Senkung. Erwogen wird zudem, sich weiter durchzuwurschteln - und nur die Mehrkosten für die nächsten beiden Jahre zu decken. Statt 32 Mrd. wären das „nur“ 13,5 Milliarden Euro, heißt es in Brüssel.

Für Schäuble hätte dies den Vorteil, dass er vor der Bundestagswahl keinen Offenbarungseid leisten und erneut in die Tasche greifen müsste. Doch früher oder später wird die Rechnung präsentiert - und dann wir sich zeigen, ob der Club der Euro-Retter zusammenhält. Bis dahin muss Griechenland weiter um jede Hilfszahlung bangen - und den Gürtel noch enger schnallen. Das Zittern geht also weiter, für die Griechen wie für ihre ratlosen Retter.

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