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Mittelstand - Glückskekse aus Bayern

Erst baute Ralph Schäfer Wohnungen für Saddam Hussein, dann inspirierte ihn Naomi Campbell zur Gründung einer Glückskeksfabrik, die mittlerweile einen Jahresumsatz von einer Million Euro macht 

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Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Für den Verkauf seiner Glückskekse tut Ralph Schäfer fast alles – wenn es sein muss, auch in ihnen baden. Für das Fotoshooting in seinem Badezimmer hat der 56 Jahre alte Unternehmer die Hüllen fast komplett fallen lassen und legt sich nur mit schwarzer Unterhose bekleidet in die Wanne. Mehr als 300 Kekse, die er vorher einzeln von einigen seiner Mitarbeiterinnen hat auspacken lassen, ergießen sich über ihn. Kein Problem für Schäfer, Brille und Lächeln sitzen trotzdem, da ist er ganz Profi. Nachdem der Fotograf seine Aufnahmen gemacht hat, steigt Schäfer aus der Wanne, schüttelt kurz die Krümel ab und beteuert auf dem Weg zur Dusche sicherheitshalber noch einmal: „Diese Glückskekse gehen nicht mehr in den Verkauf.“

Schäfers Unternehmen trägt den Namen Bavarian Lucky Keks und hat seinen Sitz in Bad Abbach in Niederbayern in der Nähe von Regensburg. In einer Halle im Gewerbegebiet steht die größte automatische Backanlage zur Herstellung von Glückskeksen in Europa. Schuld an deren Anschaffung ist Topmodell Naomi Campbell. Sie warb in den neunziger Jahren für BHs von Triumph mit dem Slogan „Be happy“. Der deutsche Wäschehersteller ließ begleitend zur Kampagne 1,3 Millionen Glückskekse verteilen, ein Riesenauftrag für Schäfer, der damals noch nicht selbst produzierte, sondern mit seiner Firma nur für Verpackung und Vertrieb sorgte. Der Auftrag überzeugte ihn endgültig vom Werbe- und Marketingpotenzial der Glückskekse. „Aber ich wollte sie auch selbst herstellen, weil alles, was es auf dem Markt gab, nach Pappe schmeckte“, sagt Schäfer.

Die sieben Meter lange und drei Meter breite Anlage importierte er aus den Vereinigten Staaten. 50 000 Kekse kann er damit täglich herstellen. Schäfer, der sich selbst einen Qualitätsfanatiker nennt, tüftelte mit einem befreundeten Konditor an der richtigen Teigmischung. Wenn Schäfer über den Geschmack seiner eigenen Glückskekse spricht, fühlt man sich eher wie bei einer Weinprobe: „Im Abgang müssen sie auf der Zunge vanillig-zitronig sein.“ Außerdem seien sie „brown“ und „crispy“, fügt Schäfer hinzu und erwähnt beim Gang durchs Unternehmen mehrfach, dass es ein Privileg sei, „die Kunden mit seinen Glückskeksen glücklich zu machen“. Das Wort „Glück“ hört der Besuch an diesem Tag ohnehin sehr oft. Schäfer ist eben doch mehr Marketingmann als Konditor.

Anderthalb Minuten dauert der Backvorgang bei 145 Grad Celsius, über ein Schlauchsystem gelangt der Teig in handtellergroße Formen. Am Ende der Backstraße schiebt ein Arm der Maschine den noch weichen Minipfannkuchen über ein Loch. Per Luftdruck saugt eine weitere Stange das Papier mit der gedruckten Glücksbotschaft an und drückt es zusammen mit dem Keks von oben durch die Öffnung. Bei diesem Stanzvorgang erhält das Gebäck durch Falten und Biegen erst seine charakteristische Halbmondform. Wegen des hohen Zuckergehalts härtet der Keks anschließend schnell aus. Dahinter wartet die Verpackungsanlage. Die Folie kann der Kunde nach seinen eigenen Wünschen gestalten lassen. Das fertige Produkt wiegt dann exakt sieben Gramm. Kein Zufall, wie Schäfer erklärt, denn die Sieben (der Zuhörer ahnt schon, was kommt) sei ja bekanntlich eine Glückszahl. Dass sie in China als Unglückszahl gilt, ficht Schäfer nicht an. Im Gegenteil, gibt es ihm doch die Gelegenheit, ein weitverbreitetes Vorurteil aus der Welt zu schaffen: „Der Glückskeks kommt nicht aus China. Man kennt ihn dort nicht einmal.“ Wer ihn tatsächlich erfunden hat, ist umstritten. Mehrere asiatische Einwanderergruppen in Amerika reklamieren das Copyright für sich. Schäfer sagt dazu nur: „Die besten Glückskekse kommen aus Bad Abbach.“ Mit seinen zehn Mitarbeitern erzielt er eine Million Euro Jahresumsatz. Seine Kunden kommen aus allen Branchen – Banken, Apotheken, Parteien, Schnellrestaurants. Sie alle nutzen die Kekse als kleines Werbegeschenk mit eingebackener Botschaft. Geliefert wird nach ganz Europa. Unternehmer wollte Ralph Schäfer schon immer werden. Nach dem Studium baute er aber zunächst als Projektleiter einer deutschen Baufirma in Bagdad für „eine Millarde D‑Mark Wohnungen für Saddam Husseins Baath-Partei“. Gewissensbisse plagen ihn deswegen nicht: „Bagdad war eine tolle Zeit, ich habe geweint, als es von den Amerikanern bombardiert wurde.“ Sieben Jahre blieb er im Nahen Osten. Der erste Schritt in die Selbstständigkeit, der Import von Wüstentrüffeln nach Deutschland, „scheiterte grandios“. Mit den Süßwaren klappte es. Oder wie Schäfer sagen würde: „Glück gehabt!“ 

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