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(picture alliance) Eigentlich versteht er nichts vom Bankgeschäft: Jim Yong Kim als Präsident der US-Eliteuniversität Dartmouth

Weltbankchef Jim Yong Kim - Madonna, Rap und Entwicklungshilfe

Er heilte Tuberkulosekranke, leitete die Eliteuniversität Dartmouth, interviewte Madonna und macht selbst als Rapper eine gute Figur: Jim Yong Kim. Ab 1. Juli leitet der in Korea geborene US-Amerikaner die Weltbank und könnte die bürokratische Washingtoner Institution zu ihren Wurzeln zurückführen

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Er hat in Limas Slums Tuberkulosekranke geheilt. Er hat die amerikanische Eliteuniversität Dartmouth geleitet. Für das Magazin Vanity Fair interviewte er Madonna, und selbst als Rapper macht er eine gute Figur: Ein kultverdächtiges You-Tube-Video zeigt den 52-Jährigen auf der Bühne, mit Hut, Sonnenbrille und weißer Nietenlederjacke.

Und jetzt die Weltbank. Vom 1. Juli an wird Jim Yong Kim die multilaterale Entwicklungsorganisation in Washington leiten, obwohl er kein Ökonom ist und nichts vom Bankgeschäft versteht. Dass US?Präsident Barack Obama ausgerechnet einen Arzt vorschlug, hat alle Experten überrascht. Dabei ist die Entscheidung gleich in zweierlei Hinsicht logisch: Als erster amerikanisch- asiatischer Kandidat steht Kim für eine neue Ära, in der China und andere Schwellenländer eine größere Rolle spielen. Und er verfügt über praktische Erfahrung in der Entwicklungshilfe, eine Qualifikation, die all seinen Vorgängern fehlte.

Seine bisherige Karriere zeigt zudem, dass er sich selbst vor ungewöhnlichsten Herausforderungen nicht scheut. „Wenn du von anderen hören willst, dass du verrückt bist, brauchst du dir nur ehrgeizige Ziele zu setzen“, lautet sein Motto.

Sein Ziel bei der Weltbank lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Reform. Er werde „bohrende Fragen stellen zum Status quo und zu existierenden Orthodoxien“, sagte Kim. Er wünsche sich eine „Plattform für den Ideenaustausch“ und „faktenorientierte, maßgeschneiderte Ansätze“.

„Wage Großes, aber bleib mit beiden Beinen auf der Erde“ – so lautet der andere Wahlspruch des gebürtigen Koreaners, dessen Eltern in die USA auswanderten, als er fünf Jahre alt war. Die Mutter ist Philosophin, der Vater Zahnarzt. Er wächst in Muscatine (Iowa) auf, einer 20 000-Einwohner- Stadt im mittleren Westen. Schafft den Sprung in die Ivy-League und studiert in Harvard Medizin und Anthropologie. Während des Studiums gründet er mit anderen die gemeinnützige Initiative „Partners in Health“ (PIH), die neue, partizipatorische Wege beim Kampf gegen multiresistente Tuberkulose geht. Kim überzeugt Generikahersteller, günstige Medikamente zur Verfügung zu stellen. Mit von ihr ausgebildeten Helfern vor Ort erzielt PIH in Haiti und Peru Erfolge, die andere Experten für unmöglich hielten. Als Direktor der Weltgesundheitsorganisation überträgt Kim den Ansatz auf Programme für Aidskranke und erreicht damit in wenigen Jahren über drei Millionen Menschen.

In dem Interview mit Madonna aus dem Jahr 2007 gab er auch einiges von sich selber preis. So könne er es als Vater eines Sohnes – inzwischen hat er zwei – kaum ertragen, verwahrloste Waisenhäuser in der Dritten Welt zu besichtigen: „Es ist schmerzhaft für mich, dort auch nur einen Fuß in die Tür zu setzen.“ Dem Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheit kann dieser Mann neue Glaubwürdigkeit verleihen. In seiner Antrittsrede als Präsident der Eliteschmiede Dartmouth im Jahr 2009 empfahl Kim den Studenten als Rollenvorbild nicht etwa General-Electric-Chef Jeffrey Immelt, einen der bekanntesten Ehemaligen, sondern Milton und Fred Ochieng. Die beiden Brüder hatten nach ihrem Abschluss in den USA in ihrem Heimatdorf in Kenia eine Klinik gegründet. „So etwas macht uns stolz“, sagte Kim.

In Dartmouth hat der Mediziner aber auch seine Managementqualitäten unter Beweis gestellt. So verpasste er der Universität, die durch Finanzspekulation in die roten Zahlen geraten war, ein radikales Sparprogramm. Er setzte zudem das Problem der folterähnlichen Aufnahmepraktiken der Studentenverbindungen auf die Tagesordnung. Manche Kollegen hätten sich ein härteres Durchgreifen gewünscht, doch als Anthropologe weiß Kim, dass man „den Wert von Tradition und einer gewachsenen Kultur“ nicht über Nacht abschaffen kann.

Die Bereitschaft, Bestehendes zu würdigen, gepaart mit seinem Reformwillen wird ihm in Washington helfen. Ein Problem könnte das diplomatische Parkett werden. Die Regeln des internationalen Politikbetriebs sind Kim noch fremd, aber Lektion eins hat er schon hinter sich: Wegen eines Buches über soziale Ungleichheit mit dem Titel „Dying for Growth“ (Tod durch Wachstum) zog er kurz nach seiner Nominierung heftige Kritik auf sich. Kim, der zwar nur einer von vier Herausgebern des zwölf Jahre alten Werkes ist, stellte daraufhin in der Financial Times klar: „Ich erkenne an, dass Wirtschaftswachstum unerlässlich ist als Grundlage für Investitionen in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur.“

Zu Wirtschaftsfragen kann er künftig auf die Expertise seiner Kollegen zurückgreifen. Im Gegenzug wird er ihnen seine Vision einer offenen, integrativen Entwicklungsarbeit vermitteln.

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