Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
()
Hurra, es geht aufwärts!

Wendepunkte der Konjunktur merkt man im Alltag erst, wenn sie schon vorüber sind. So übersehen wir auch jetzt: Der nächste Aufschwung hat schon begonnen. Die Frühindikatoren zeigen die Trendwende – es geht aufwärts.

Die Finanzkrise wird genau zwei Jahre alt. Im Sommer 2007 häuften sich Meldungen, dass amerikanische „Mortgage Lenders“ (Hypothekenhändler) reihenweise pleitegegangen waren. Niemand nahm die Nachrichten sonderlich ernst, die Weltwirtschaft boomte wie nie zuvor, und selbst als es bald darauf erste große Fonds von Bear Stearns erwischte, ahnte kaum einer etwas vom großen Crash. Wendepunkte der Konjunktur merkt man erst, wenn sie schon vorüber sind. Im Schlechten wie im Guten. So übersehen wir auch jetzt, dass der nächste Aufschwung schon begonnen hat. Noch wagt kaum jemand öffentlichen Optimismus. Man spricht bestenfalls und im Börsenjargon von „Bodenbildung“. Tatsächlich aber springt die Weltkonjunktur gerade von diesem Boden empor, dass sich selbst Experten die Augen reiben. Kaum hat sich das Weltbankensystem vom Herbstschock erholt, beginnt auf den Kapitalmärkten ein „multipler Aufschwung“: An den Zins-, Aktien und Rohstoffmärkten steigen die Kurse gleichzeitig, und sie steigen sprunghaft. Die Geschwindigkeit aber, mit der das Pendel zurückschwingt, hat alle Analysten und die meisten Anleger vollkommen überrascht. Genauso verblüffend aber ist die Rückkehr der Welthandelsaktivitäten. Noch im Winter lagen in den großen Häfen die Containerschiffe still, doch bereits im Januar begann der Weltfrachtenindex langsam wieder zu steigen, Inzwischen schießen seine Notierungen geradezu nach oben, der Index hat sich seit Jahresbeginn glattweg verfünffacht. Während Politiker in westlichen Staaten noch apokalyptisch über „die schlimmste Krise seit 1929“ raunen, setzt in Asien ein Comeback-Aufschwung ein. Indien und China melden bei wichtigen Kennziffern bereits die Rückkehr zu Vorkrisenniveau. Beide Volkswirtschaften werden 2009 um fünf bis acht Prozent wachsen. Es deutet sich an, dass Asien die Weltkonjunktur aus dem Tal ziehen dürfte. Das globale Stimmungsklima hellt sich derart schnell auf, dass der Sentix-Konjunkturindikator (er misst die Konjunkturerwartungen in allen wesentlichen Wirtschaftszentren der Welt) den kompletten Einbruch der Finanzkrise bereits wieder ausgeglichen hat. Daher lohnt sich ein genauer Blick auf die sogenannten „Frühindikatoren“. Dabei gibt es zehn gute Signale, dass die Krise tatsächlich vorbei ist. Erstens deuten fast alle Rohstoffpreise darauf hin, dass sie einen neuen zyklischen Aufschwung anzeigen. Vom Kupfer bis zum Öl steigen die Notierungen mit einer Systematik, die nur bei massiven globalen Konjunkturwenden auftreten. Anfangs waren es nur Spekulationskäufe, dann Hortungsbestellungen der Chinesen, die die Preise von Eisenerz bis Öl trieben. Inzwischen steigt die Nachfrage überall – und die Preise mit ihr. Kupfer ist heute bereits 60 Prozent teurer als zu Jahresbeginn, der Ölpreis hat sich sogar fast verdoppelt. Zweitens sind die Preise für Kapital auf historische Tiefstände gefallen. Zinsen sind so niedrig, dass Kapital bereits wieder Realinvestitionen sucht. Die Notenbanken der gesamten Welt haben die Märkte derart massiv mit Geld geflutet wie noch nie zuvor in der Geschichte. Wirtschaftsforscher sprechen von einer „Liquiditätsschwemme“, die derzeit über die Volkswirtschaften schwappt und alle Geldbesitzer dazu zwingt, ihr Kapital zu mobilisieren. Drittens sorgen die historisch beispiellos großen Konjunkturprogramme für einen Nachfrageimpuls, der Monat für Monat stärker spürbar wird. Ab dem zweiten Halbjahr dürfte die bürokratische Anlaufphase dieser Programme beendet worden sein und die Realwirtschaft mit Wucht erfassen. Viertens signalisieren in fast allen westlichen Staaten die Multiplikatoren der Wirtschaft (von Einkaufsmanagern über Unternehmer zu Chefvolkswirten), dass sie zwar die aktuelle Lage noch als negativ betrachten, die Zukunftsperspektiven aber wieder zuversichtlich einschätzen. Ob ZEW oder Ifo – allenthalben zeigen die Erwartungskurven nach oben. Fünftens haben sich die Banken und der Geldmarkt grundlegend stabilisiert. Die Geldleihe der Institute untereinander geschieht wieder zu normalen Konditionen. Die Absicherungskosten für Anleihen (Credit Default Swaps) haben sich seit Jahresbeginn halbiert, im Geldgeschäft kehrt Normalität zurück. Zugleich horten die Banken nicht mehr so viel Geld bei den Notenbanken. Die größten Banken der Welt melden sogar, dass sie seit Jahresbeginn gute Gewinne machen, ihre Aktienkurse haben sich von ihren historischen Tiefständen massiv erholt. Immer mehr Institute wollen nun rasch auch die erhaltenen Staatshilfen zurückzahlen. Sechstens hat gerade die Geschwindigkeit und Schärfe der Korrektur dafür gesorgt, dass es diesmal auch schneller wieder aufwärtsgehen könnte („V-Effekt“). Denn viele Unternehmen haben ihre Lagerbestände sehr schnell sehr stark zurückgefahren, sodass bei einer anspringenden Nachfrage sehr schnell auch wieder sehr viel produziert werden muss. Diesen Lagerzykluseffekt konnte man schon bei den Wirkungen der Abwrackprämie in der Autoindustrie beobachten. Jetzt erfasst er immer mehr Branchen. Siebtens zeigt die politische Szenerie erstaunliche Stabilität. Die Staaten kooperieren in nie da gewesener Form bei der Bewältigung der Krise. Der G20Gipfel im Frühjahr wirkte daher wie ein psychologischer Durchbruch. Achtens sorgen die Restrukturierungen in vielen Branchen und Unternehmen für Produktivitätsgewinne. Kosten werden gestrafft, Effizienzreserven mobilisiert, die Wirtschaft macht sich robuster und damit bereit für den nächsten Aufschwung. Neuntens gewinnt das Wachstum in vielen Schwellenländern wieder an Dynamik. Von Brasilien über Indien bis China hat sich das Wachstum zwar stark verlangsamt, aber es gibt keinen Stillstand. Inzwischen kommen aus diesen Ländern immer wieder positive Anstoßeffekte für die Weltwirtschaft. Und da die Weltbevölkerung weiter zunimmt und die Bedürfnisse der Menschen noch stärker wachsen als ihre schiere Zahl, bleibt der Grundimpuls für eine neue Phase globalen Wirtschaftswachstums intakt. Und zehntens sorgt gerade der Überraschungseffekt des plötzlichen Aufschwungs dafür, dass er sich nun medial selbst verstärkt. In den vergangenen vier Wochen hat das Thema „Aufschwung“ auch die Massenmedien erreicht. In Amerika misst das Medienforschungsinstitut Conquest, in welchem Ausmaß über bestimmte Themen berichtet wird. Das Thema „Aufschwung“ war im Winterhalbjahr noch kaum messbar, „kommunikativ tot“. Nun aber taucht das Wort millionenfach in allen Medien wieder auf. „Es kommt plötzlich und massiv“, berichten die Forscher. Der Nennungsindex hat sich binnen weniger Wochen verfünfzehnfacht. Medial ist der „Aufschwung“ plötzlich da, und aller Erfahrung nach indiziert das einen grundlegenden Stimmungswechsel in der Gesellschaft, der den keimenden Aufschwung weiter befördert. Inzwischen sieht auch die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) deutliche Zeichen für eine globale Erholung. Sie vermeidet aber voreilige Euphorie. Denn eines bleibt trotz der neuen Zuversicht ganz gewiss bestehen: die dramatische Überschuldung einiger Staaten, insbesondere der USA. Die Folgen der staatlichen Rettungsaktionen werden in den öffentlichen Haushalten noch sehr lange sehr tiefe Löcher reißen, und auch das Thema „Inflation“ dürfte bald dem Thema „Aufschwung“ messbar folgen. Für den Champagner gibt es also wenig Grund. Aber ein guter Sekt wäre zum Ende der Krise angebracht. Foto: Picture Alliance

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.