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Hellerauer Werkstätten - Luxus für Boot und Bau

Fritz Straub hat die Hellerauer Werkstätten zum Luxusausstatter für Yachten und Firmenzentralen gemacht

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Locke, Stefan

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Auf zwei Holzböcken lagert eine polierte Platte wie ein Stillleben. Jugendstil, geschwungener Rahmen, Blumen in einer Vase. Doch es ist kein Gemälde, sondern feinstes australisches Lacewood, helle Flecken mit dunklen Schatten, handgeschliffen, zehn Mal lackiert. Das Kunstwerk ist eine von mehreren Türen für eine 180-Meter- Yacht – der bisher größte Auftrag in der Hellerauer Firmengeschichte. Fritz Straub, Chef der Deutschen Werkstätten, erzählt das nicht ohne Genugtuung. Vor mehr als einem Jahrzehnt begann das kleine Unternehmen im Norden von Dresden, sich neben Designmöbeln auf den Ausbau von Yachten zu spezialisieren. Heute macht die Sparte 40 Prozent des Umsatzes aus.

Schildert Straub den Weg der vergangenen zwei Jahrzehnte, verwendet er gern das Bild einer Leiter, bei der immer die Sprosse, auf der das Unternehmen gerade stand, wegbrach und es sich eine weiter nach oben retten musste. Er selbst stand 1992 zum ersten Mal auf dem Gelände der Deutschen Werkstätten. Den Namen hatte Straub da noch nie gehört. „Wem seine Werkstätten?“, fragte er die Treuhand. „Das ist so wie Bauhaus“, lautete die Antwort.

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Vorher war Straub knapp 30 Jahre in der Pharmaindustrie tätig, für Hoechst in Bangkok, Karatschi und Barcelona gewesen. Mit 49 Jahren fing er noch mal ganz neu an, weil ihn die Hellerauer Historie faszinierte. Die Firma hat eine lange Tradition. Gründer Karl Schmidt begann Anfang des 20. Jahrhunderts, elegante Möbel im minimalistischen Design zu fertigen, die Geburtsstunde des Mythos Hellerau. Der überstand auch 40 Jahre Sozialismus, in denen hier Spanplatten mit Furnier beklebt wurden.

In der Abteilung Sonderanfertigungen arbeiteten auch zu DDR-Zeiten 80 Tischler, die die Dresdner Semper­oper, das Gewandhaus in Leipzig und Regierungsgebäude in Ostberlin ausbauten. Zusammen mit diesen Spezialisten wollte Straub vom Aufbauboom nach der Wende profitieren. Aber die Standardabsage der westdeutschen Planer lautete: „Wir machen doch nichts mit Ostfirmen!“
Auch der Architekt Peter Kulka lehnte ab, als sich die Werkstätten um den Bau einer Akustikwand, die im Sächsischen Landtag Plenarsaal und Foyer trennen sollte, bewarben. Straub blieb hartnäckig und weit unter dem Preis der Wettbewerber. Seine besten Tischler schufen eine geschwungene Holzwand, die der Firma zum Durchbruch verhalf.

Die Werkstätten bauten das Auswärtige Amt in Berlin, das Willy-Brandt-Haus und die Dresdner Bank am Pariser Platz aus, experimentierten mit ungewöhnlichen Formen und integrierten neue Materialien wie Leder, Metall, Pergament und Stein für Repräsentanzen der Telekom und Vorstandsetagen von Eon, Tui und KfW.

„Aber dieses Haus hat mehr verdient“, sagt Straub. Die nächste Sprosse auf der Leiter war ein Auftrag der Deutschen Bahn, die mit dem Architekten Meinhard von Gerkan den Businesszug „Metropolitan“ entwickelte – Birnbaumholz, schwarzes Leder, kratzfeste Oberflächen. Die Bahn ließ dann nur zwei Züge bauen, finanziell ein herber Verlust, aber gut investiertes Lehrgeld. Sie wussten jetzt, wie man bewegte Räume ausbaut. Davon überzeugte Straub auch die Lürssen-Werft in Bremen. Seit 2001 haben die Hellerauer zusammen mit den Bremern 17  Yachten gefertigt, für Milliardäre aus Russland, den USA oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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Namen nennt Straub nicht, Diskretion gehört zum Geschäft. Ohnehin ist das Geschäft mit den Superreichen schwierig, weil äußerst schwankungsanfällig. In der Finanzkrise brach auf einmal die Hälfte des Umsatzes von 40 Millionen Euro weg.

Inzwischen hat sich das Unternehmen von diesem heftigen Schock erholt. Gerade in Russland, wo die Hellerauer mit 25 Mitarbeitern in der Moskauer Filiale vertreten sind, investieren vermögende Kunden wieder gerne in deutsche Wertarbeit und edle Materialien.

Die Fertigung mit 200 Mitarbeitern aber bleibt in Dresden-Hellerau, hier wird entwickelt, konstruiert, gehobelt, geschliffen und lackiert – Eichenbibliotheken für Villen in London, Möbel für die Tate Britain, die Inneneinrichtung für ein Chalet in St. Moritz oder der Ausbau der Privatwohnung eines Pariser Galeristen. Auch aus China gibt es erste Anfragen.

Die Leiter wird immer stabiler, aber Straub will noch höher hinaus: „Kann gut sein, dass wir noch in diesem Jahr in den Flugzeugbau einsteigen.“ Gespräche mit der Fluglinie Air New Zealand, die Boeing-Business-Jets für Privatleute ausbaut, laufen bereits. Auf der obersten Sprosse wähnt sich der 70-Jährige noch lange nicht.
 

 

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