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() Martin Blessing
Hauptsache bester Rosenzüchter

Gerade erst ist der 45-Jährige an die Spitze der Commerzbank aufgerückt, da übernimmt er spektakulär auch gleich noch die Dresdner Bank. Martin Blessing gilt als der neue Supermann der deutschen Finanzwelt. Doch wer ist er wirklich?

Lesen Sie auch: Wolfgang Glabus: Generation Kleinfeld Die eine Geschichte von Martin Blessing erzählt sich derzeit ganz Deutschland. Und die geht so: Sein Großvater war Präsident der Bundesbank, sein Vater Vorstand der Deutschen Bank – Martin Blessing ist Spross und Krönung einer Bankerdynastie. In seinen Adern fließe kein Blut, sondern Liquidität, seine Haut trage bereits subkutane Nadelstreifen, und sein analytisches Hirn sei in Wahrheit ein Excel-Großrechner, murmelt es auf Börsen- und gesellschaftlichem Parkett. Die andere Geschichte ist eine andere Geschichte. Denn Martin Blessing sieht zwar so aus, wie ein erfolgreicher Banker in Frankfurt eben aussieht. Doch die Fassade der Kontinuität täuscht. Martin Blessing ist anders. Er könnte für die angeschlagene Finanzwelt sogar ein völlig neues Rollenspiel entfalten. Bislang kannte die Republik nur zwei Sorten erfolgreicher Großbanker. Zum einen gab es den Typus distinguierter Herr mit gestärkten Hemden, grau melierten Haaren, diplomatischer Sprache und verborgener Härte. Zum anderen profilierte sich der Typus Yuppie, schneidig-schnell-schnöselig, die Härte war nicht mehr verborgen, die Sprache verenglischt und das Haar im Zweifel gegelt, aber keinesfalls mehr grau. Martin Blessing sehen nun die einen – wegen der dynastischen Faszination – als Reinkarnation des Typus 1: Manieren und Moneten wieder vereint. Endlich kehre der gute, alte Stil wieder ein (Hochtaunus-Habitus inklusive), ein Stück Salonrevival, vielleicht sogar die Deutschland AG. Die anderen wittern in Blessing dagegen just den Typus 2: Der Mann sei der Super-Yuppie. Studium in St. Gallen, MBA in Chicago, Karriere bei McKinsey, Jogger, die „eiserne Faust vom Main“ (Bild-Zeitung). In Wahrheit ist Martin Blessing etwas Neues. Er ist nicht nur der jüngste Vorstandsvorsitzende der Dax-Elite. Er wird auch den Stil verändern, weil er eine ganz neue Generation verkörpert. Eine Generation, die die formierte Steifheit der Nachkriegsbanker ebenso durchschaut hat wie die zelebrierte Schneidigkeit der Neunziger-Jahre-Spieler. In Blessing verkörpert sich die Kultur einer neuen Sachlichkeit. Die Professionalität ist ihm nicht Schutz (Typus 1) oder Handwerk (Typus 2), sie ist ihm Eigen-Art. Seine Zielstrebigkeit und sein Ehrgeiz sind unprätentiös, er zwingt sich nicht zur Lockerheit. Er ist ein offener Mensch mit mehr Empathie, als seine nüchterne Kühle zunächst vermuten lässt. Seine Rollen sind ihm keine Gefängnisse, und er ist selbstkritisch, was weder Typus 1 noch Typus 2 bislang besonders ausgezeichnet hat. Er hat einen intellektuellen Zug, ohne klügelnd zu sein. Und er hat eine spezielle Bescheidenheit, die ihn auch von vielen seiner Kollegen unterscheidet. Mit Freunden isst er lieber Spaghetti als Scampi, auf Empfängen drängt er sich nie nach vorne oder ins Rampenlicht, und selbst beim Tanz verzichtet er auf allzu großen Ausfallschritt. Er macht monatelang keine Pressetermine, Fotos von ihm sind Mangelware, seine Stimme kann – für seine Generation eher selten – ganz leise werden. Wenn die deutsche Bankenwelt zuweilen bräsig und selbstgefällig wie Microsoft daherkam, dann verkörpert Blessing das Prinzip Apple. Schneller, vor allem schneller als die anderen sein. Natürlich bleibt da nicht sehr viel Zeit zu Hause mit den drei Töchtern. Doch auch draußen denkt er in Kategorien von Tochtergesellschaft. Blessing ist emotional wie geistig vernetzt. Da ist vor allem seine Frau Dorothee, ebenso klug wie attraktiv, und als Partnerin bei der Investmentbank Goldman Sachs einflussreich in Frankfurt. Ihr Bruder Axel Wieandt ist bei der Deutschen Bank für die Konzernstrategie zuständig, der jüngere Bruder Carl Wieandt wirkt als Partner bei McKinsey. Und Blessings vergangenes Jahr verstorbener Schwiegervater Paul Wieandt, zuletzt Vorstandschef und Sanierer der Bank für Gemeinwirtschaft, galt als graue Eminenz des deutschen Kreditwesens. Da mag es nicht verwundern, dass Blessing schon immer mit großem Ziel vorwärtsstürmte. Dabei trägt er ein alt-protestantisches Leistungsethos in sich, das weniger von Geld (er verdient weniger als die meisten seiner Dax-Kollegen) oder Ruhm motiviert ist als von der Tat. Als Berufseinsteiger erzählte er einmal, dass sein Vater ihm im Jugendalter alle Berufswünsche offenhalten wollte. Nur eines müsse klar sein: „Du kannst auch Rosenzüchter werden. Dann aber der beste Rosenzüchter der Welt.“ Ein schwerer Gang voller Dornen wird die Fusion und Sanierung der Dresdner Bank gewiss, zumal wenn eine Rezession den Banken neue Kreditausfälle bescheren sollte. Blessing wird dabei vor harten Schnitten nicht zurückschrecken, sich von Nüchternheit statt Willkür leiten lassen. In Frankfurt unken viele vom Risiko der Großfusion. Andere erkennen in Blessing einen Ausnahmebanker, der die zerzauste und diskreditierte Branche neu profilieren könne. Nur – Erfolg muss er haben.

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