Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Fifa-Wahl - „Blatters Stärke liegt in der Schwäche aller anderen“

Sepp Blatter bleibt Fifa-Chef: Herausforderer Prinz Ali hat in der zweiten Wahlrunde die Kandidatur zurückgezogen. Blatter stehe für alle Missstände der letzten 20 Jahre, sagt Sylvia Schenk von Transparency International. Trotzdem sieht sie Reform-Chancen, zumal die Korruption in anderen Sportverbänden weitaus schlimmer sei

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

So erreichen Sie Petra Sorge:

Frau Schenk, der neue und alte Fifa-Präsident heißt Sepp Blatter. Zwar hatte er die Zwei-Drittel-Mehrheit im ersten Wahlgang verpasst, doch sein Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein verzichtete auf ein zweites Votum. Geht jetzt alles so weiter wie immer?
Zunächst einmal sehe ich auch den europäischen Fußball-Verband als Teil des Problems: Als es vor zwei Jahren die Gelegenheit dafür gab, hat sich die Uefa nicht für eine Amtszeitbegrenzung des Fifa-Präsidenten eingesetzt – obwohl das jetzt die erneute Wahl Blatters verhindert hätte. Die Uefa hat keine Strategie gehabt. Erst hieß es, wir boykottieren die Wahl, dann nahmen sie doch teil. Blatters Stärke ist begründet in der Schwäche all der anderen. Blatter ist das Symbol für alle Missstände der vergangenen zwei Jahrzehnte. Trotzdem denke ich, dass sich nach dem jüngsten Skandal etwas bewegen wird: schon jetzt gibt es dafür Anzeichen.

Welche denn?
Die Fifa hat erste Reformschritte eingeleitet, es hapert allerdings noch an der weltweiten Umsetzung. An neuen Vergabekriterien für die WM 2026, die Menschenrechte, Arbeitsstandards und Antikorruption berücksichtigen, wird gearbeitet. Das muss jetzt forciert werden. Da ist der Fußball schon weiter als andere internationale Sportverbände.

Der Fußball? Wie bitte?
Das ist doch nicht nur ein Fußball-Problem. Es verstecken sich doch gerade alle hinter der Fifa. Ich denke da nur an den Internationalen Handball-Verband sowie an die Leichtathletik, die eine Weltmeisterschaft nach Katar quasi gegen das höchste Gebot und dann gleich danach die WM 2019 ohne Ausschreibung völlig überraschend an Eugene vergeben hat.

Warum ist der Sport so anfällig für Bestechung?
Er ist nicht anfälliger als andere gesellschaftliche Bereiche. In vielen Ländern der Welt gehört Korruption zum täglichen Leben. Wer wird in diesen Ländern denn bitte Chef eines x-beliebigen Sportverbandes? Das sind bestimmt keine integren Personen, sondern solche, die wissen, wie man in solch einem System nach vorn kommt. Korruption hat immer zwei Seiten: Der eine, der das Geld nimmt, der andere, der es gibt. Die Wirtschaft hängt ganz tief mit drin: Marketingagenturen, Sponsoren und bei den Übertragungsrechten: die TV-Unternehmen. Ja, der Fußball hat ein Korruptionsproblem, weil besonders viel Geld im Spiel ist. Aber es greift viel zu kurz, nur auf den Fußball zu schauen.

Warum brauchte es bei der Fifa eigentlich die Amerikaner? Wo bleiben eigentlich unsere eigenen Ermittlungsbehörden?
Die deutsche Staatsanwaltschaft kann nur ermitteln, wenn es einen Anfangsverdacht gibt. Die USA hatten mit dem ehemaligen Generalsekretär des US-Fußballverbands, Chuck Blazer, einen US-Bürber, der sich strafbar gemacht hat und dann bereit war auszupacken. Dort geht es aber um nord- und mittelamerikanische Vorfälle, dies betrifft nicht direkt die Fifa. Außerdem haben die USA eine andere Strafprozessordnung als wir. Und es gibt keine Hinweise auf Deutsche, die sich im Fußball strafbar gemacht haben, da können wir doch froh sein.

Welche Rolle spielt der DFB? Warum hört man da eigentlich keine Kritik? Deutschland hat als Fußball-Weltmeister schließlich Gewicht.
Der DFB hat sich jahrelang nicht in die Vorgänge bei der Fifa aktiv eingemischt. Das haben übrigens alle europäischen Verbände so gehandhabt. Nur jetzt, kurz vor der Wahl, spielte sich Uefa-Chef Platini auf, der seit 2008 im Fifa-Exekutivrat sitzt. Was hat er denn in dieser Zeit getan? Nichts!

Ist das heuchlerisch?
Ja. Heuchlerisch ist aber auch etwas anderes: Schauen Sie sich einmal die italienischen oder manche osteuropäischen Verbände an. Da kriegen Sie das kalte Grausen. Es ist immer so einfach, auf Asiaten und Afrikaner zu schimpfen.

Was halten Sie von Forderungen, wegen der Korruptionsaffäre die nächste WM zu boykottieren?
Die nächste WM, das ist in zwei Wochen die Frauen-Fußball-WM in Kanada. Wollen Sie unserer deutschen Frauen-Mannschaft verbieten, ihren Titel zu verteidigen? Meinen Sie wirklich, das beeindruckt die Fifa? Und zu sagen, wir meinten aber die Männer-WM 2018: Wie albern ist denn das? Drei Jahre vorher einen Boykott androhen, wenn noch keine einzige Mannschaft für das Turnier qualifiziert ist?

Also sollte man nicht die WM in Katar 2022 absägen?
Das hätte sich die Fifa eher überlegen müssen, schon im Bewerbungsverfahren. Schon damals war klar: Das ist zu heiß dort – also hätte man gleich einen anderen Ort, eine andere Zeit festlegen können. Was die Forderungen betrifft, die WM jetzt abzusagen, ist das Problem, dass es bislang keinen konkreten Nachweis für Korruption gibt. Unabhängig von der Wahl Alis gab es aber auch in den vergangenen Jahren schon Anzeichen für Veränderung.

Was fordern Sie?
Es greift in jedem Fall zu kurz, das nur an dieser einen Person Blatter festzumachen. Es müssen weitere Schritte bei der Fifa und Uefa folgen, in der TV- und Marketingbranche und auch in der Politik. Dort nutzen jetzt einige den Medien-Hype und fordern, das Thema Fifa beim G7-Gipfel zu diskutieren. Aber was soll denn allein die Fifa-Politik auf dem G7-Gipfel? Nötig wäre es, allgemeine Strategien gegen die internationale Korruption in Politik, Wirtschaft und Sport zu diskutieren.

Das Interview führte Petra Sorge. Fotos: picture alliance (Aufmacher), AGS Legal (Schenk)

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.