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James Boast

Elektrojumbos - Fliegen mit dem Strom

Während Teile der Luftfahrtbranche noch immer Lehren aus dem Unglück der Germanwings-Maschine suchen, forschen andere unbeirrt an einer Zukunftsvision: einem Jumbojet mit Elektroantrieb. Das müssen sie auch, weil die Politik sie zwingt, die CO2-Emissionen zu senken 

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Andreas Spaeth ist ein bekannter Luftfahrtjournalist. 2014 gewann er den Hugo-Junkers-Preis 2014 für seine Berichterstattung.

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Auch wenn das kleine, weiße Flugzeug auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkt, könnte der E-Fan von Airbus den Start in eine neue Ära der Luftfahrt symbolisieren. Zumindest ist es dem ersten serienreifen Kleinflieger mit reinem Elektroantrieb in den vergangenen Monaten auf internationalen Flugschauen regelmäßig gelungen, den großen Kerosinschleudern die Schau zu stehlen.

Dabei ist der E-Fan gerade mal gut sechseinhalb Meter lang und hat eine Spannweite von 9,50 Metern. Ein gefällig aussehender Tiefdecker mit einem T-förmigen Leitwerk und zwei Pilotensitzen hintereinander. Direkt dahinter links und rechts ist je ein ummanteltes Gehäuse am Rumpf angebracht für die beiden Fan-Triebwerke, die wie Hochleistungsventilatoren funktionieren. Zwei sich drehende Luftschrauben sorgen für den notwendigen Schub. Angetrieben werden sie von zwei Elektromotoren mit einer Leistung von je 30 Kilowatt. Dass die Triebwerke innen grün angestrichen sind, muss als Hinweis auf besonders umweltfreundliche Technologie reichen.

Erst am 11. März 2014 hat das Testflugzeug E-Fan 1.0, das erste Flugzeug der Welt, das von Anfang an für den Betrieb mit elektrischem Strom entwickelt wurde, sich in Bordeaux erstmals von der Piste erhoben. Angetrieben ausschließlich durch den Strom der rund 130 Kilo schweren Lithium-Ionen-Polymer-Batterien.

Die 60 Kilowatt Leistung sind nicht viel im Vergleich zur Energie, die beim Verbrennen von Flugbenzin frei wird. Kaum mehr als 45 Minuten kann sich der E-Fan damit bisher in der Luft halten und maximal 160 Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit erreichen. Zum energiesparenden Rollen am Boden wird ein elektrischer Motor am Zentralrad unter dem Rumpf genutzt, die anderen Motoren werden erst kurz vor dem Abheben dazugeschaltet.

Noch befindet sich der E-Fan in der Erprobungsphase. Das Ziel, eine Stunde in der Luft zu bleiben mit weiteren 30 Flugminuten in Reserve, hat er auch nach mehr als 65 Flügen und 30 Testflugstunden noch nicht erreicht. Airbus-Testpilot Didier Esteyne ist trotzdem begeistert: „Der E-Fan fliegt sich toll, weil er leicht zu steuern und gleichzeitig sehr ruhig ist.“ Vor ihm im Cockpit befindet sich ein großer Bildschirm mit vielen bunten Säulen, die den Ladezustand der Batterien anzeigen. Wenn ein Problem auftritt, kann er zur Erhöhung der Flugsicherheit Teile des Batteriesystems deaktivieren.

Die Entwicklung elektronischer Antriebe ist bei Airbus alles andere als die experimentelle Spielerei einiger überambitionierter Ingenieure. Der Konzern verfolgt schon mit dem E-Fan ein klares kommerzielles Interesse: „Wir haben schon viele Anfragen von Flugschulen“, sagt Detlef Müller-Wiesner, der in Otto­brunn in der Nähe von München für die E-Flugzeug-Aktivitäten bei Airbus verantwortlich ist. Je nach Ausstattung könnte der Preis einer künftigen Maschine zwischen 140.000 und 180.000 Euro liegen. Das ist ähnlich viel, wie ein vergleichbares Sportflugzeug mit gewöhnlichem Motor kostet. „Aber den E-Fan hört man kaum, er ist rund viermal leiser als ein normales Flugzeug“, sagt Ingenieur Müller-Wiesner.

„Für die ersten 20 Flugstunden, in denen Flugschüler überwiegend Platzrunden fliegen, ist der E-Fan trotz kurzer Reichweite ideal und für die Flugschulen viel wirtschaftlicher“, sagt der Airbus-Experte. Geringere Energiekosten, weniger Wartungsaufwand und längere Nutzungszeiten sollen die Betriebskosten um etwa 30 Prozent senken, dank des geringen Lärmes könnte trotz strenger Vorschriften mehr geflogen werden.

Aber was bedeutet die Perspektive E-Fliegen für den Luftverkehr mit größeren Flugzeugen? Dafür sind noch einige technische Hürden zu nehmen, aber das Interesse der gesamten Luftfahrtbranche daran ist groß. Muss es auch sein, weil die Politik Druck macht: „Flightpath 2050“ hat die EU-Kommission ihre strengen Vorgaben genannt. Danach sollen bis 2050 die CO2-Emissionen des Luftverkehrs um 75 Prozent, der Stickoxid-Ausstoß um 90 Prozent und der Lärm um 65 Prozent im Vergleich zu den Werten des Jahres 2000 sinken.

Der E-Antrieb gilt in der Branche als einer der wenigen konkreten Ansätze, diese Vorgaben zu erfüllen. Weltweit wird eifrig geforscht und entwickelt.

Die Nasa hat kürzlich in einer Studie beschrieben, wie der Weg in die elektronisch betriebene Luftfahrt aussehen könnte. Schon heute sind demnach Zwei- bis Viersitzer mit Stromantrieb wirtschaftlich zu betreiben. Als nächsten Schritt sieht die US-Raumfahrtagentur ein kleines, stromgetriebenes Zubringerflugzeug mit neun bis zwölf Sitzen. Bis 2035 hält sie sogar ein Verkehrsflugzeug in der Größenordnung eines Airbus A320 oder einer Boeing 737 mit Hybridantrieb für möglich.

Airbus-Chef Tom Enders ist da etwas zurückhaltender: „Ich halte es für realistisch, dass wir in 20 bis 30 Jahren zumindest Regionalflugzeuge mit ungefähr 60 Passagieren mit elektrisch-hybridem Antrieb fliegen lassen können.“ Das wäre revolutionär, weil man aufgrund der geringen Geräuschemissionen bei Elektroflugzeugen auf Nachtflugverbote verzichten könnte.

Ob Hybrid- oder reiner Elektroantrieb, die größte Herausforderung bleibt die Stromzufuhr. „Die Batterietechnologie muss sich um das 50- bis 100-Fache verbessern“, sagt Alan Epstein, Vice President Technology beim großen US-Triebwerkshersteller Pratt & Whitney. „Mit der gegenwärtigen Technologie sind batteriegetriebene Flugzeuge nur wirtschaftlich, wenn man mit einer Maschine heutiger Größe lediglich ein Hundertstel so weit fliegen wollte wie jetzt.“

Eine Boeing 737 benötigt schon etwa zehn Megawatt im weniger energieaufwendigen Reiseflug. Heute lassen sich unter Laborbedingungen mit Hybridantrieben maximal vier bis fünf Megawatt erreichen. „Ich sehe keine größeren kommerziellen elektrischen Flugzeuge ohne Innovationen, die erst noch erfunden werden müssen“, gibt sich Epstein skeptisch.
 

„Entscheidend wird es sein, Fortschritte bei der Batterieentwicklung zu erzielen und vor allem deren Gewicht zu reduzieren“, sagt auch Airbus-Chef Tom Enders. Die Nasa stellt dazu in ihrer Studie fest, dass sich seit 1999 die Batteriedichte bereits verdreifacht hat – der Spritpreis ebenfalls. Trotzdem liegt heute die aus einem Kilo Kerosin erzielte Energie noch um 60 Mal höher als jene aus einer Ein-Kilo-Batterie.

„Unsere Hoffnung liegt auf neuen Technologien wie zum Beispiel Lithium-Luft- oder Lithium-Schwefel-Batterien“, sagt Airbus-Ingenieur Detlef Müller-Wiesner. Aber selbst die werden nicht reichen, um dem angestrebten E-Liner mit 60 bis 90 Sitzen eine Reichweite von 700 bis 1100 Kilometer zu verleihen.

Das könnte nur eine Hybrid-Kombination verschiedener Antriebsarten schaffen. Airbus will dieses Konzept im geplanten E-Antrieb-Systemhaus in Otto­brunn bei München simulieren. „Dort erproben wir das Zusammenspiel von Elektrik, Mechanik und Elektronik“, erklärt Müller-Wiesner. „Solche evolutionären Hybridkonzepte entsprechen eher dem gegenwärtigen Ingenieursdenken“, sagt Werner Granzeier, Professor für Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Er beschäftigt sich schon lange mit dem Flugzeug der Zukunft und weiß: „Für reine E-Antriebe im Massenmarkt muss noch erhebliche Basisforschung geleistet werden. Wir brauchen dafür neue Gesamtkonzepte und die Veränderung von Gewohnheiten.“ Dazu könnte es zunächst gehören, für verschiedene Flugphasen auf unterschiedliche Antriebsarten zurückzugreifen.

Im E-Thrust genannten Konzept eines Hybrid-Verkehrsflugzeugs hat Airbus das Zusammenwirken dieser Antriebs­elemente bereits entworfen. Wichtige Bestandteile sind eine relativ kleine Gasturbine, die bei Start und Landung von batteriegespeisten Elektromotoren unterstützt wird, während sie im effizienten Reiseflug das Flugzeug allein antreibt und die Batterien wieder auflädt. Während der Landephase können die sich im Wind drehenden Antriebsschaufeln dann sogar Energie erzeugen, die in den Batterien gespeichert wird, ähnlich wie es Hybridautos beim Bremsvorgang tun. Die Elektromotoren samt Luftschrauben haben den Vorteil, dass sie aerodynamisch günstig angebracht werden können, zum Beispiel in der Tragflächenkante, und außerdem schwenkbar sind, etwa aufwärtsgerichtet, um das Abheben zu beschleunigen. Während des Fluges würden sie durch Rechts- oder Linksbewegungen die Steuerung übernehmen und Ruder überflüssig machen.

Diese Design-Innovationen, kombiniert mit der Effizienz des Hybridantriebs, könnten den Energiebedarf gegenüber heutigen Flugzeugen um die Hälfte senken. Das funktioniert aber erst, wenn eine neue Supraleiter-Technologie verfügbar ist, mit der sich die Wärmeentwicklung bei Elektromotoren und Kabeln verhindern ließe. Damit könnten höhere Leistungen des elektrischen Antriebs bei geringerem Gewicht erzielt werden.

Ehrgeizige Ziele haben aber auch die Verfechter der neuen Technologien. In England wird bereits ein Überschalljet mit Hybridantrieb und 32 Sitzen konzipiert, der auf über vierfache Schallgeschwindigkeit beschleunigen soll, die Firma Hypermach stellte bereits 2011 das Konzept des „Sonic Star“ vor. Ein starker Elektromagnet soll dabei neun Millionen Watt erzeugen, die größte Energiedichte aller Antriebe jemals, wie sich Unternehmer Richard Lugg rühmt. Mit dem Strom soll ein Drittel der Schubkraft erzeugt werden, so der Plan. Genauere Informationen gibt es nicht, „Geschäftsgeheimnis“, heißt es. Angeblich ist für 2024 der Erstflug geplant. Wetten sollte man darauf eher nicht abschließen.

Wissenschaftler Werner Granzeier vermutet ohnehin einen völlig gegenläufigen Trend: „Ähnlich dem Paradigmenwechsel im Automobilbereich wird sich das Passagierverhalten verändern. Die Leute wollen eher komfortabel und ruhig reisen, mit reduzierter Geschwindigkeit und mehr persönlichem Bewegungsspielraum.“ Das könnte eine ideale Ergänzung sein zum nachhaltigeren, langsameren Fliegen mit Elektroantrieb. Der Hamburger Professor geht davon aus, dass es in den nächsten 20 Jahren „mit Sicherheit“ zumindest zu Testzwecken zu elektrisch angetriebenen Transatlantikflügen kommen wird. „Und der kommerzielle Passagierflug wird umgehend folgen. Es herrscht bereits ein globales Wettrennen um die höchste Energiedichte bei den Speichermedien“, sagt Werner Granzeier. Damit, so hofft er, könne die Luftfahrt dann wieder zu einem weltweiten Innovationsmotor avancieren.

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