Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance) Den Erfolg hat sich Alexander Herrmann selbst erkocht

Gourmetkoch Alexander Herrmann - Ein Teller für Alle

Ob im Fernsehen, auf der Bühne oder im eigenen Restaurant: Der Sterne- und TV-Koch Alexander Herrmann liebt die Esser

Erwin kann nicht kochen. Das hat zumindest seine Frau behauptet, und so hat der Sterne- und TV?Koch Alexander Herrmann den Rentner auf die Bühne der Oberfrankenhalle geholt, um ihn „das einfachste Sorbet der Welt“ zubereiten zu lassen. Tausend Zuschauer sind gekommen, um Herrmanns Live-Kochshow zu sehen, mit der der 40-Jährige durch Süddeutschland tourt.

Erwin steht also auf der Bühne hinter dem Küchenblock. Herrmann sitzt am Bühnenrand, schaut ins Publikum und gibt Anweisungen an Erwin, der sich hinter ihm wacker schlägt. Die Zuschauer haben sich warm geklatscht: Sie lieben Erwin! Und Herrmann lieben sie auch, weil er einem von ihnen die Kontrolle überlässt.

Der Abend in Bayreuth ist für den Oberfranken ein Heimspiel. Sein Restaurant Alexander Herrmann und das Posthotel, das seit 1869 im Familienbesitz ist, liegen in Wirsberg, in Rufweite der Wagner-Festspiele. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass viele der Zuschauer schon mal bei ihm gegessen haben. Hier sitzt ein bunt gemischtes Volk, eher Mittelschicht, älter und hart arbeitend. Sie essen lieber zu Hause als in den Gourmettempeln der Republik.

Den Herrmann, den kennen sie aus dem Fernsehen. Der hat sich diesen Abend und die ganze Tour selber erkocht. Als er 1997 beim Kochduell auf Vox seine TV?Premiere hinterm Herd gab, war er ein Darsteller in einem kruden Minderheitenprogramm – Köche auf Live-Tour waren damals unvorstellbar. Genauso wenig wie eine Flut neuer Kochshows, teure Kochbücher, eigene Produktlinien und Schürzenträger als omnipräsente Werbefiguren.

Herrmann war stets dabei, doch nie einer der großen Stars. Das lag auch daran, dass er lange auf ein Management verzichtete. „Ich habe früher immer nur reagiert“, sagt Herrmann. Geändert hat sich das erst, seitdem er mit einer PR-Expertin die Firma Aha-Effekt GmbH gegründet hat, die sich ausschließlich um die Vermarktung seiner Arbeit kümmert.

„Wenn ich etwas tue, möchte ich schon, dass es erfolgreich ist. Mir geht es auch darum, dass die Menschen etwas von dem haben, was ich mache“, sagt Herrmann heute in einer etwas gestelzten PR-Sprache. Doch er geht tatsächlich eigene Wege: In seiner Kochbuchreihe „Küchen IQ“ geht es vor allem darum, dem Leser zu vermitteln, eigene Rezepte zu entwickeln.

Im Nürnberger Ableger der Gourmettheaterkette Palazzo kreierte er im vergangenen Jahr als erster Koch ein regionales Menü und erzielte den höchsten Umsatz aller Standorte europaweit. Für seine neue Gewürzlinie suchte er zwei Jahre nach einem geeigneten Produzenten – um jetzt wie viel daran zu verdienen? Alexander Herrmann grinst: „38 Cent netto pro Packung. Damit sich das lohnt, müssten wir utopisch viel verkaufen.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum seine Kollegen Herrmann misstrauen

Eine berechnende Geldmaschine ist er nicht, eher ein hart kalkulierender, mittelständischer Unternehmer. Oberfranken ist bis heute ein strukturschwaches Gebiet, ein Gourmetrestaurant ist dort noch immer nicht einfach zu betreiben. In der Branche ist Herrmann ein Beispiel dafür, was ein selbstständiger Sternekoch heute alles machen soll oder muss. „Gastronomie ist nur eine von vielen Sparten, in der man als Koch arbeiten kann“, meint Herrmann selber.

In der Branche ist dieser Gedanke revolutionär. Und er weiß auch, wovon er sich damit emanzipiert: Seine Familie ist seit Generationen im Gastgewerbe. Früher, erzählt er, seien er und seine Eltern während der Wagner-Festspiele auf den Dachboden gezogen – weil sie die Einnahmen aus der Vermietung ihrer Privaträume brauchten.

Anerkennung dafür, dass er sich von Erwartungen und Traditionen frei macht, bekommt er von Kollegen selten. Die Fernsehköche werden in der Branche misstrauisch, wenn nicht gar feindselig beobachtet. Viele Spitzenköche fühlen sich in ihrer Handwerkerehre beschmutzt von den kochenden Entertainern. Wer, wie der Oberfranke, einen Michelin-Stern hat, kann aber kein so schlechter Handwerker sein, was die Kritiker nur noch fuchsiger macht.

In schöner Eintracht mit dem traditionellen Publikum hochpreisiger Restaurants pochen sie auf den Diskretionsabstand des edlen Kochs zum gemeinen Volk. Und wie steht Alexander Herrmann dazu? Er macht sich mit dem Plebs gemein. Ach was, schlimmer, denken die Kritiker: Er scheint diese Menschen zu lieben.

All das spürt man auch während seiner Bühnenshow. Er spricht mit den Zuschauern, als sei er einer von ihnen – und Herrmann kommt ja auch aus einfachen Verhältnissen. Sein einziger Luxus ist ein Porsche Cayenne.

Nebenbei erklärt er dann dem Publikum, wie man ein Wan-Tan-Körbchen macht, oder zeigt das Foto eines Imbiss-Schildes, auf dem steht: „Wenn Sie nichts essen, verhungern wir beide.“ Alles, was er kocht, Ente, Steak, Currywurst oder Erwins Sorbet, bekommen die Zuschauer. Auf einem Teller. Und der wird in den Reihen weitergereicht – alle essen von demselben Teller.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.