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Drittes Hilfspaket - Wenig Hilfe, viele Hürden

Das neue Griechenland-Programm war von Anfang an auf Scheitern angelegt, sagt der deutsche Ökonom Daniel Gros. Tatsächlich enthält das Memorandum viele Fallstricke – vor allem die Schuldenlast könnte gefährlich werden

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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Es ist noch gar nicht so lange her, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem das Schuldenproblem in Griechenland leugneten. Die Schulden seien tragbar, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgelegten Zahlen „veraltet“, erklärte Dijsselbloem Anfang Juli. Schäuble weigerte sich, das Schuldenthema auch nur anzusprechen, alles sei gesagt.

Einen Monat später sieht die Sache völlig anders aus: In der Debatte um das geplante dritte, rund 86 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm dreht sich alles um die Schulden. Griechenland soll nicht nur schon im Oktober weit reichende Privatisierungen einleiten, um aus den Erlösen seine Verbindlichkeiten zu bedienen. Auch die jüngste Forderung des IWF ist nun Topthema. Der Fonds fordert einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland. Andernfalls würde er sich nicht an den neuen Krediten beteiligen. 

Die so genannte Schuldentragfähigkeit sei ein ernstes Problem, heißt es plötzlich aus dem Hause Schäuble. Vor einem Beschluss müsse geklärt werden, ob der IWF weiter an Bord bleibe. „Ohne den IWF geht gar nichts“, so Schäuble.

Viel Widersprüchliches
 

Allerdings will Berlin über mögliche Erleichterungen bei den Schulden erst im Herbst sprechen, nachdem Athen die ersten Reformen aus dem neuen Programm umgesetzt hat. „Schäuble schießt sich selbst in den Fuß“, kritisiert der Chef des Brüsseler Thinktanks CEPS, Daniel Gros, die deutsche Haltung. Sie sei in sich widersprüchlich: Griechenland könne auch ohne den IWF gerettet werden.

Widersprüchlich sind viele Punkte, die in dem neuen „Memorandum of Understanding“ für das dritte Hilfsprogramm enthalten sind. Es enthält zwar wohlklingende Ziele: „Ein nachhaltiges Wachstum wiederherstellen, neue Jobs schaffen, die Ungleichheit reduzieren“ heißt es gleich im ersten Satz des 29-seitigen Dokuments, das Experten von IWF, Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und dem Eurorettungsfonds ESM ausgearbeitet haben.

Erstmals bekennt sich die Troika, die mit dem ESM zur Quadriga angewachsen ist, auch zu „sozialer Gerechtigkeit und Fairness“, und dies sogar „zwischen den Generationen“. Fast könnte man meinen, das Memorandum sei nicht nur mit der griechischen Linken, sondern auch mit deutschen Grünen ausverhandelt worden.

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold gewinnt dem Papier denn auch einige gute Seiten ab.Positiv seien die Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht, so der grüne Finanzexperte. Allerdings würden die Reichen in Griechenland weiter geschont, da „Maßnahmen wie eine Vermögenssteuer durch Abwesenheit glänzen“. Zudem fehlten Anstöße für Wachstum und Investitionen. „Dieser Deal verlängert lediglich die zyklische Saga“, so Giegolds Fazit. „Er wird Armut und Arbeitslosigkeit Griechenlands weiter verschärfen.

Scheitern bleibt wahrscheinlich
 

Das sieht CEPS-Ökonom Gros, der früher selbst beim IWF gearbeitet hat, anders. Das Wachstum werde nach dem Ende der Kapitalverkehrskontrollen schon bald zurückkehren, gibt er sich optimistisch. Schließlich habe Griechenland die Löhne und Preise bereits massiv gesenkt und so an Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen.

Gleichzeitig räumt Gros aber ein, dass das neue Programm mit harten „Abwehrkonditionen“ ausgestattet wurde, die ursprünglich auf Scheitern angelegt waren. „Schäuble wollte Griechenland damit aus dem Euro drängen“, so Gros. „Doch das funktioniert nicht mehr, die Griechen lassen sich nicht herausekeln.“ Tatsächlich hat das griechische Parlament am Freitagmorgen mit großer Mehrheit für die harten neuen Spar- und Reformauflagen gestimmt.

Die Hürden im Memorandum sind teilweise aber so hoch, dass ein Scheitern immer noch möglich, ja wahrscheinlich bleibt. Dies gilt vor allem für den Privatisierungsfonds, den Schäuble ursprünglich nach dem Vorbild der deutschen Treuhandanstalt in Luxemburg einrichten wollte. Der Fonds bleibt nach heftigen Protesten nun zwar in Athen, doch die Zielmarke bei den Verkaufserlösen ist mit 50 Milliarden Euro so hoch gesteckt, dass sie kaum erreichbar scheint.

Zudem enthalten die Verkaufspläne einige pikante Details, die ein bizarres Licht auf Schäuble werfen. So musste sich Athen verpflichten, „unwiderrufliche Schritte“ zu unternehmen, damit der Gewinner der Ausschreibung für 14 regionale Flughäfen auch tatsächlich den Zuschlag erhält. Rein zufällig handelt es sich dabei um den deutschen Betreiber Fraport. Bei anderen Privatisierungsprojekten wurden keine so detaillierten Vorgaben gemacht.

Sanierungsfall mit alten Schulden
 

Offenbar auf deutschen Druck kam auch eine Klausel in das Memorandum, die Massenentlassungen möglich machen soll. Die griechische Linksregierung hatte sich dagegen bis zuletzt gesträubt. Diese Art der „Liberalisierung“ des Arbeitsmarkts passt allerdings schlecht zum Ziel, neue Jobs zu schaffen, zumal ein eigenes Wachstums- und Investitionsprogramm fehlt.

Kontraproduktiv dürfte – was Wachstum und Arbeitsplätze betrifft – auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf viele Waren und Dienstleistungen auf 23 Prozent sein. Auch die neue Regel, dass Selbstständige ihre Steuervorauszahlung künftig vollständig leisten müssen und nicht mehr wie bisher abstottern können, wirkt nicht gerade wirtschaftsfreundlich. Eher geht es darum, schnell die Kassen des Staates zu füllen und die Schulden zu senken.

Und wie sieht es mit den Gegenleistungen der Gläubiger aus? Von den geplanten 86 Milliarden Euro frischen Krediten dürfte Athen zunächst nur 25 Milliarden Euro sehen. Um einen hilfreichen Geldsegen handelt es sich jedoch nicht. Denn die Hilfe soll in die Rekapitalisierung der klammen griechischen Banken fließen – zur Rückzahlung von alten Krediten und einer EU-Brückenfinanzierung dienen. Anders ausgedrückt: Alte Schulden werden mit neuen Krediten bedient, im Staatsbudget bleibt nichts hängen.

Der Schuldenberg wächst in Griechenland so ungebremst weiter, doch bei den Menschen in Athen oder auf Kos kommt die Hilfe nicht an. CEPS-Experte Gros hält es denn auch für „ausgeschlossen“, dass das auf drei Jahre angelegte Programm Hellas wieder auf die Beine hilft. Erst in zehn Jahren könne sich das Land vielleicht wieder selbst finanzieren. Griechenland bleibt ein Sanierungsfall – und die vielen Fallstricke im neuen Hilfsprogramm könnten dafür sorgen, dass es doch noch aus dem Euro fliegt. 

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