Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance) In Äthiopien ist die Khat-Ernte ein einträglicher Beruf.

Drogenhandel - Die Unternehmerin des Jahres

Mit mehreren Tausend Angestellten, einer eigenen Luftflotte und 40 LKWs verkauft Suhura Ismail Khan 30 Tonnen Kath am Tag. Das natürliche Amphetamin, das in Afrika legal ist, hat die Äthiopierin reich gemacht, lässt aber ganze Landstriche nachmittags in Lethargie verfallen.

Eigentlich funktioniert in Somaliland nichts. Nur auf eine Sache ist in der international nicht anerkannten Republik im Norden von Somalia Verlass: Nachts brettern Suhura Ismail Khans Lastwagen im halsbrecherischen Tempo über die unbefestigten Pisten. Sie sind beladen mit Kath, jener in Deutschland illegalen Kaudroge, von der bis zu 80 Prozent aller Männer im kleinen Land am Horn von Afrika abhängig sind. Suhura Ismail Khan selbst sagt, sie habe sich die bitteren Blätter noch nie in den Mund geschoben, doch die Droge hat die Äthiopierin reich und in ihrer Heimat zu einer angesehenen Unternehmerin gemacht.

Ab und zu verlangt die Regierung in Addis Abeba aber auch ihren Anteil. „Vor Kurzem haben sie mich noch zur Geschäftsfrau des Jahres gekürt, jetzt fordern sie Steuern von mehr als 48 Millionen Birr (rund 1,9 Millionen Euro) nach“, sagt Suhura leicht amüsiert. Sie lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Man werde sich schon einigen, schließlich habe sie einen „guten Draht zum Premierminister“. Hinter ihr steht ein fast mannshoher Safe. „Der ist leer. Es läuft gerade nicht so gut“, sagt die Drogenhändlerin, die mit ihrem Familienbetrieb nach eigenen Angaben jeden Tag 30 bis 40 Tonnen Kath verkauft. Als Drogenboss würde sie sich allerdings nie bezeichnen.

Da der Handel mit Kath in Afrika legal ist, braucht sie weder Bodyguards noch falsche Namen. Angst vor anderen Drogenkartellen oder der Polizei ist ebenfalls überflüssig. Sorgen macht sie sich eher bezüglich der nächsten Generation, die das Geschäft schon längst hätte übernehmen sollen. Aber als die gläubige Muslima im vergangenen Jahr mit ihrem Mann eine viermonatige Pilgerfahrt nach Mekka unternahm, erwirtschafteten ihre vier ältesten Söhne einen Verlust von 26 Millionen Birr (mehr als eine Million Euro). „Jetzt muss ich noch mal ran. Gott ist mit den Tüchtigen“, erzählt sie.

Nachdem in den neunziger Jahren der Kaffeepreis einbrach, sind in Äthiopien viele Bauern auf den Anbau von Kath umgestiegen. Mittlerweile ist die Droge nach Kaffee eines der wichtigsten Exportgüter Äthiopiens, nicht zuletzt deswegen, weil auch die Regierung des zwölftärmsten Landes der Welt gut daran verdient.

„Suhura kontrolliert in Äthiopien mehr als 50 Prozent des Marktes und ist damit im weltweiten Kath-Handel die Nummer eins“, sagt der Anthropologe Ephrem Tesema, der an der Uni Basel über den Kath-Konsum promoviert hat.

Sie hat ihr Handwerk von der Pike auf gelernt. Als sie vor 45 Jahren im äthiopischen Jijiga geboren wurde, waren ihre Eltern bereits Kath?Händler. Sie ging nur fünf Jahre zur Schule, half früh im Geschäft aus. Reich wurde davon niemand. Das änderte sich, als Suhura Ismail Khan vor 18 Jahren anfing, die Droge ins nahe gelegene Somalia zu exportieren. Die Nachfrage nach äthiopischem Kath ist in dem Bürgerkriegsland sehr hoch, der Anbau der bis zu drei Meter hohen Büsche dagegen wegen wiederkehrender Dürreperioden fast unmöglich. Auf der äthiopischen Seite der Grenze wächst das beste Kath im Hochland rund um das Straßenstädtchen Awaday.

Am frühen Morgen herrscht dort Hochbetrieb. Frauen preisen ihre Blätter an, Männer schleppen die Droge zu den LKWs. 40 davon gehören Suhura. Sobald die Ladeflächen voll sind, rasen die Fahrer los – denn die bitteren Blätter haben eine kurze Haltbarkeit. Wer Kath nimmt, das bereits 36 Stunden zuvor vom Strauch geschnitten wurde, kaut auf wirkungslosem Grünzeug herum. Frisches Kath muss sehr bitter schmecken. Nach einer halben Stunde, wenn sich die Backe beult und beim Sprechen hellgrüner Schaum in den Mundwinkeln sichtbar wird, setzt die Wirkung der natürlichen Amphetamine Cathinon und Cathin ein. Ähnlich wie bei Speed, nur viel schwächer. Das Hungergefühl weicht, der Konsument wird leicht euphorisch und redselig, fühlt sich wach und konzentriert. Doch um das Glücksgefühl zu halten, müssen immer neue Blätter nachgeschoben werden. Ein Büschel kostet in Äthiopien zwischen einem und acht Euro. Tagelöhner verdienen oft weniger als einen Euro am Tag. Die Nebenwirkungen wie Depressionen, Schlaflosigkeit, Impotenz und Angstpsychosen gibt es kostenlos dazu.

Dennoch verfallen ganze Landstriche am Nachmittag in Kath?Lethargie, wenn die Wirkung nachlässt. Im somalischen Bürgerkrieg ist die täglich eingeflogene Droge fast so wichtig wie Munition, bei Schiffsentführungen halten die Eigner die Piraten mit täglichem Nachschub bei Laune. „Kaum ein Flugzeug nach London oder Amsterdam verlässt Addis Abeba ohne Kath“, sagt ein Insider. Dort ist die Droge erlaubt. In Deutschland werden immer häufiger Kath?Schmuggler verhaftet, die die schnell verwelkenden Blätter mit LKWs zu afrikanischen Immigranten nach Skandinavien transportieren.

Mit dieser hässlichen Seite des Geschäfts will Suhura nichts zu tun haben. „Was kann ich dafür, dass manche Leute nicht mit Kath umgehen können? Was kann ich dafür, dass Kath in Deutschland illegal ist? Ihr bezeichnet doch eure Brauereibesitzer auch nicht als Drogenhändler“, sagt sie.

Aus der Verkäuferin vom Straßenrand ist eine Unternehmerin mit nach eigenen Angaben mehreren Tausend Angestellten und eigener Airline (Suhura Airways) geworden. Täglich landen ihre Antonows in Somaliland.

Sie hofft, dass Kath irgendwann in ganz Europa legalisiert wird. Deutschland kennt Suhura gut. Als ihr Mann Zahnschmerzen hatte, flog die Kath?Königin mit ihm nach Frankfurt, um sein Gebiss richten zu lassen. Jetzt kann er in Äthiopien und Somaliland wieder täglich grüne Blätter zermahlen.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.