Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(Edgar Schoepal) Sogar in der Handtasche seiner Frau befindet sich manchmal ein Stecker – für alle Fälle

Weltmarktführer Walter Mennekes - Der Stecker-Champion

Er machte fremden Menschen im Fußballstadion gerne Geschenke: Walter Mennekes. Bei einem FC Bayern-Spiel ging der Chef des gleichnamigen Herstellers von Industriesteckern auf den VW-Chef zu und überreichte ihm den Prototyp eines Ladesteckers für Elektroautos. Zu Besuch bei einem Weltmarktführer

Eine der besten Investitionen, die Walter Mennekes je getätigt hat, war der Kauf von drei Cola und zwei Bier beim Viertelfinalspiel der Fußballweltmeisterschaft 1986 zwischen Deutschland und dem Gastgeberland Mexiko. Im Stadion, auf der Tribüne bei 40 Grad Hitze, habe er eine Frau mit drei quakenden Kindern gesehen, erzählt Mennekes: „Ich wollte mir eh gerade was zu trinken holen und dachte mir: Lädst du die halt ein.“ Dass es sich um die Familie von Karl-Heinz Rummenigge, dem damaligen Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, handelte, wusste Mennekes zu dem Zeitpunkt nicht. Noch weniger ahnte der Inhaber und Geschäftsführer des Spezialsteckerherstellers Mennekes aus Kirchhundem im Sauerland, dass er mit der Getränkeeinladung den ersten Schritt zur Entwicklung des europaweit verwendeten Ladesteckers für Elektroautomobile gemacht hatte. Konnte er auch gar nicht, weil vor 25 Jahren kaum jemand an Elektroautos dachte.

Aber die Geschichte ging weiter: Mennekes freundete sich mit Karl-Heinz Rummenigge an, lernte über ihn Uli Hoeneß kennen, und der jetzige Präsident von Bayern München fragte ihn schließlich, ob er nicht Mitglied des Verwaltungsbeirats des Vereins werden wolle. Bayern-Fan Mennekes stimmte sofort zu.

Bei einem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg 2008 ging er dann auf VW?Chef Martin Winterkorn zu, der im Aufsichtsrat der Bayern sitzt. Mennekes, der offenbar gerne fremden Menschen in Fußballstadien Geschenke macht, kam auch diesmal nicht mit leeren Händen. In der Handtasche seiner Frau befand sich ein Prototyp des Mennekes-Ladesteckers für Elektroautos. Mennekes überreichte ihn dem VW-Chef mit den Worten: „Der kann mehr als alle anderen.“ Winterkorn war sehr angetan und versprach, den Stecker seinen Ingenieuren in Wolfsburg zu zeigen. „Es war die einzige Chance. Ich als kleiner Steckerhersteller hätte ja sonst nie einen Termin beim VW-Chef bekommen“, erzählt Mennekes.

Er kokettiert ganz gerne mit der Rolle als kleiner, bescheidener Provinzfürst, dabei ist er nicht nur im Fußball bestens vernetzt. Mennekes hat schon mehrere Bundeskanzler auf Staatsbesuchen begleitet, und zu seinem 60. Geburtstag kamen die SPD-Größen Gerhard Schröder und Peer Steinbrück persönlich ins Sauerland, um dem bekennenden Unionswähler Mennekes zu gratulieren.

Nicht nur VW und fast alle anderen führenden europäischen Autohersteller sowie die großen Energieversorger haben sich am Ende für den sogenannten Typ2-Stecker ausgesprochen, auch in Brüssel hat der geborene Verkäufer Mennekes erfolgreich für sein Produkt geworben. Zu einer Präsentation bei der EU?Kommission erschien Mennekes mit einem extra umgebauten, knallgelben Bobby-Car mit Steckdose und einer mobilen Ladesäule, um Energiekommissar Günther Oettinger und seinen Kollegen die Vorzüge seines sogenannten Typ2?Steckers vorzuführen. Die internationale Standardisierungsorganisation IEC hat zwar im vergangenen Jahr neben dem Typ2?Stecker auch noch einen italienisch-französischen Vorschlag zugelassen, der sich am Markt aber bisher überhaupt nicht durchsetzen konnte.

Ein Monopol im Bereich der E-Mobilität hat Mennekes deswegen trotzdem nicht. Die Pläne des Steckers sind für alle Wettbewerber offen. „Eine patentierte Lösung hätte nie den Zuschlag der IEC bekommen“, sagt Mennekes. Für das Unternehmen, das nach eigenen Angaben Weltmarktführer für normierte Industriestecker ist, war es aber auch eine Frage der Ehre, an dem Standardisierungsverfahren teilzunehmen. „So etwas darf keiner besser können als wir“, fasst der Chef die Einstellung zusammen, „es gab zwar ein gewisses Risiko, aber ich bin doch Unternehmer und nicht Unterlasser.“

Dabei ist der Typ2?Stecker gar nicht der einzige Trumpf, den die Sauerländer im Ärmel haben. Über 11?000 Produkte bietet das Unternehmen in seinem Katalog an. Am Stammsitz in Kirchhundem sowie in den Werken in Sachsen und in China arbeiten insgesamt mehr als 900 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr wuchs das Unternehmen um 10 Prozent auf einen Jahresumsatz von 110 Millionen Euro, 50 Prozent davon entfielen auf den Export. Aus der einstigen Elektrikerwerkstatt seines Vaters Aloys hat Walter Mennekes einen weltweit agierenden Mittelständler geschmiedet, der in mehr als 100 Ländern vertreten ist.

[video:Mobile Zukunft: Die Welt von morgen fährt vernetzt]

Dabei sah es lange gar nicht danach aus, dass sich Walter Mennekes als Chef eignen würde. „Bis ich 18 war, habe ich in der Schule nur versagt. Mein Vater hatte die Hoffnung schon aufgegeben“, erzählt Mennekes selbst. Dann machte er eine Lehre beim Christlichen Jugenddorfwerk und holte parallel dazu sein Abitur nach. Während seines Maschinenbaustudiums vertrieb er sich die Zeit mit Skat, Bier und dem Handel von Gebrauchtwagen, weil „ich von zu Hause zu wenig Geld bekam“. Der Grund für den Studienabbruch war dann aber die plötzliche Erkrankung des Vaters. 1975 übernahmen Walter und sein Bruder Dieter, der 1991 freiwillig ausstieg, das Unternehmen. Seitdem hat sich die Mitarbeiterzahl fast verfünffacht und der Umsatz verelffacht.

Damit ihnen der Erfolg treu bleibt, ist der 65-jährige Walter Mennekes ständig unterwegs, zu Messen, zum Kunden, auf Vortragsveranstaltungen. „Meine Leute schicken mich dahin, wo ich gebraucht werde“, sagt Mennekes. Nur etwa die Hälfte des Jahres schläft der Chef zu Hause im eigenen Bett. Sein Sohn Christopher, der designierte Nachfolger, bezeichnet seinen Vater gerne als den „Außenminister des Unternehmens“. Mennekes scheint dieses Leben zwischen Provinz und großer weiter Welt zu lieben, ist weltoffen und gleichzeitig bodenständig.

Mit seinem Sohn Christopher hat er einen fließenden Übergang an der Unternehmensspitze vereinbart. Der ist ruhiger und zurückhaltender als sein Vater. Beim Rundgang durchs Unternehmen prescht der Vater im auffälligen, fliederfarbenen Anzug voran, flachst mit den Mitarbeitern und erklärt die Vorzüge der im Unternehmen entwickelten Maschinen. Sohn Christopher, Anzugfarbe Anthrazit, bemüht sich dranzubleiben.

Wird es schwer, in die Fußstapfen des Vaters zu treten? „Es bringt nichts, ihn zu kopieren“, sagt Christopher Mennekes, der sich als Mitglied der Geschäftsführung um das Controlling und die Internationalisierungsstrategie kümmert. Seine erste Bewährungsprobe hat der studierte Betriebswirt aber schon bestanden, indem er das schwächelnde britische Tochterunternehmen erfolgreich saniert hat. „Das war eine sehr schwierige Aufgabe“, sagt Walter Mennekes, als wolle er noch mal betonen, dass sein Sohn den Chefsessel keinesfalls einfach erbt. „Wir haben in dieser strukturschwachen Region auch eine soziale Verantwortung, und deswegen verdienen unsere Mitarbeiter ordentliche, gut ausgebildete Chefs“, fügt der Vater hinzu.

Was bei anderen wie eine hohle Phrase klingen könnte, ist bei Walter Mennekes gelebte Überzeugung. Stolz erzählt er, dass die Arbeitslosigkeit in der Region bei 4 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit bei 0 Prozent liegt. „Wer sagt, Ausbildung sei teuer, der hat den Schuss nicht gehört“, findet Mennekes. Zehn Prozent der Belegschaft am Stammsitz sind Auszubildende. Gute Noten belohnt der Chef mit einer Cola, schlechte nimmt er persönlich. Er brauche das Wissen im Unternehmen, begründet Mennekes sein Engagement: „Wenn eine Maschine kaputt ist, kann ich es mir nicht leisten, drei Tage auf einen Servicemitarbeiter zu warten.“

Auch für die regulären Mitarbeiter setzt sich der Chef ein, wenn es drauf ankommt. Während der Krise 2009 verzichtete er auf Kurzarbeit und bezahlte seine Mitarbeiter voll, obwohl es nicht genügend Aufträge gab. Im Gegenzug sammelten die Mitarbeiter bis zu 150 Minusstunden auf ihren Zeitarbeitskonten, die sie inzwischen in Extraschichten wieder abgearbeitet haben. „Der Zusammenhalt und die Loyalität haben sich seitdem noch mal extrem verbessert“, sagt Mennekes. Er kann eben auch Innenminister. 

(Fotos: Edgar Schoepal)

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.