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(picture alliance) Prinz zu Salm-Salm weiß um den Wert des Holzes.

Vermögensanlage - Der neue Investmenthype ums Holz

In turbulenten Zeiten ist Holz ein sicheres Investment. Der Adel weiß das schon lange, und Prinz zu Salm-Salm lässt jetzt auch Bürgerliche daran teilhaben.

Einen Augenblick lang lässt er die noble Haltung fahren. Eben noch hat sich Prinz Michael zu Salm-Salm am Bild seines Waldes erfreut, am tief gestaffelten Bestand mit hohen Buchen und Ahorn, mit Haselnusssträuchern, Farn und Wildkräutern darunter. Dann ist das ferne Donnergrollen immer näher gekommen, und als sein VW Tuareg auf die ­schmale Straße hinunter zum Ort einbiegt, hat sich die Mittelgebirgslandschaft des Nahe-Seitentals in ein düsteres Gewitter­szenario verwandelt. Blitze zucken, Regen trommelt auf die Frontscheibe, rechts und links stürzen rotbraune Rinnsale aus dem Weinberg. Erst wochenlange Trockenheit, nun diese Sintflut. Die dünne Erdkrume über dem Schieferboden zwischen den Rebzeilen kann die Wassermassen nicht fassen. Da rutscht dem Prinzen tatsächlich ein leiser Fluch heraus: „Sch…“ Das schöne Terroir – vorzeitig verflüssigt. Bei Platzregen bleibt das nicht aus. „In diesen Steillagen habe ich schon einen Meter tiefe Rinnen gesehen.“ Dann hat sich der 58-Jährige wieder im Griff. „So sind wir Landwirte“, erklärt er nüchtern. Soll heißen: Das Klagen ist Routine eines Berufsstands, der vom Himmel und dessen Launen abhängt. Wäre der fremde Besuch nicht da, würde er bestimmt noch ein wenig weiterfluchen.

Zu Salms Statur verrät den Genussmenschen, die Gesichtsfarbe, dass er gern draußen an der Luft ist, und die ganze Erscheinung in schilffarbenem Janker mit offenem Hemd strahlt Bodenhaftung aus. So viel Uneitelkeit schafft gerade jetzt Vertrauen. In der öffentlichen Wahrnehmung des adligen Milieus geht nicht erst seit dem Guttenberg-Hype einiges durcheinander: Es gibt die gegelten Standesgenossen und die im abgewetzten Loden, es gibt die echt reaktionären und die milden Wertkonservativen, die demonstrativen Besitzer und die geschickten Tiefstapler. Prinz Michael zu Salm-Salm zählt zur jeweils zweiten Kategorie, trotz offensiv betriebener Ämterhäufung. Umtriebig kann man ihn nennen, ohne zu übertreiben: Vermögensberater, Wald- und Weingutsbesitzer, 17 Jahre lang Präsident des Verbands deutscher Prädikatsweingüter (VdP), seit 1995 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzer, zeitweise CDU-Kreisvorsitzender und Mitglied des Schattenkabinetts von Johannes Gerster, der 1996 bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz gegen den Ministerpräsidenten Kurt Beck antrat und verlor.

„Ich habe nie nur eine Sache gemacht“, sagt der studierte Betriebswirt, der zunächst im fränkischen Weingut derer zu Castell tätig war, später in der Privatbank des Fürstenhauses. „Beruflich ist mein Leben sehr abwechslungsreich gewesen. Den Austausch zwischen den Disziplinen fand ich immer anregend.“ Den mit politischen Gegnern auch. Als der ehemalige Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium Gerald Thalheim (SPD) in einer Rede vor dem Bundestag gegen zu Salm, diesen komischen Prinzen, klassenbewusst polemisierte, hat der ihn erst einmal mit einer Flasche Riesling heimgesucht. Die Schilderungen, wie der westdeutsche Grundbesitzer den ehemaligen DDR-Agraringenieur eingefangen habe, gehen an dieser Stelle auseinander. Feinde jedenfalls sind sie nicht geblieben. Neulich, berichtet ein Beobachter, „wollte er durchaus die agrarpolitische Sprecherin der Linken kennenlernen. Wäre doch interessant, meinte er.“

Zu Salm leistet sich keine Posen und hat das wohl auch nicht nötig. Sein Name, der damit einhergehende Familienbesitz und die Verwurzelung in der Heimat immunisieren gegen übertriebene Anpassung an den Zeitgeist. Womöglich ist das schon die Erklärung, dass ihm Menschen in Krisenzeiten wie diesen ihr Geld anvertrauen. Viel Geld. Fünf Millionen Euro Mindesteinlage, darunter tut er’s nicht. Und das für eine Anlage, die alles andere als attraktiv wirkt auf den ersten Blick: Eine Rendite von 1 bis 1,5 Prozent, mehr verspricht zu Salm nicht. Die vor zwei Jahren gegründete „Salm Boscor GmbH“ will für branchenfremde Investoren Forstbetriebe kaufen und bewirtschaften – um damit in erster Linie Vermögen zu erhalten.

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Es sind nicht reiche Privatkunden, die auf so etwas gewartet haben, sondern sehr reiche. Über Unternehmensbeteiligungen und Immobilien verfügen sie ohnehin – und haben trotzdem noch liquide Mittel unterzubringen und damit dieser Tage ihre liebe Not. Sie suchen nach sicheren Häfen in Zeiten, in denen amerikanische Staatsanleihen ihr „AAA“Rating verloren haben und der Deutsche Aktienindex Anfang August innerhalb weniger Tage in der Spitze bis zu 25 Prozent nach unten rauschte. Einst als sicher geltende Währungen sind zu Wackelkandidaten mutiert oder abgeschafft worden – Dollar, Pfund, D-Mark –, während Realwerte – Gold, Rohstoffe, Forst und Äcker – immer weiter zugelegt haben. Wertbeständig, nachhaltig, krisenfest. Ein regelrechter Investment­hype ums Holz greift um sich, mancher findet inzwischen das passende Wertpapier vor lauter Bäumen nicht, so viele Möglichkeiten bieten sich an: Waldaktien und Zertifikate, offene Waldfonds und Waldindexfonds. Oder soll man seinen Euro direkt in Eukalyptusplantagen in Ecuador, Pappelfarmen in Chile, Teakflächen in Panama stecken? Renditen bis zu 15 Prozent soll so etwas bringen, aber der eine oder andere hat sich dabei schon auf dem Holzweg wiedergefunden.

Mit derlei hochspekulativen Projekten hat „Salm Boscor“ nichts zu tun, gar nichts. Man fühlt sich der nachhaltigen Waldwirtschaft verpflichtet und denkt in Generationen. Die Gesellschaft sucht Bestände von mindestens 200 Hektar in Deutschland, Österreich und Tschechien. Gäbe es nur mehr zu kaufen! Zurzeit will niemand so recht anbieten, was Wunder – mag auch manch ein Hinterwäldler staunen angesichts der Tatsache, dass sein struppiger Forst inzwischen einen Hek­tarpreis von 5000 Euro erzielen würde. In Deutschland gehört ohnehin mehr als die Hälfte des deutschen Waldbestands dem Staat oder Gemeinden, die sich nie davon trennen. So regeln sich Verkäufe weniger über einen eigenen Markt, sondern über einzelne Transaktionen.

Bisher sind es erst 3000 Hektar, die „Salm Boscor“ verwaltet. Ein Forst im nordhessischen Schlitz, der andere in der Oberlausitz bei Görlitz. Man traut sich unter Umständen gar an die Herausforderung heran, eine alte Fichtenmonokultur in einen Mischwald umzuwandeln. „Dazu untersuchen wir die örtlichen Verhältnisse“, erläutert zu Salm. „Wie sind das Wuchspotenzial, die Wasserversorgung, die durchschnittliche Jahrestemperatur? Das Kriterium lautet: Ist es möglich, an dieser Stelle einen potenziell guten Forst zu entwickeln? Das ist immer ein langfristiges Investment.“

Bei dem die Bäume aber auch nicht in den Himmel wachsen. Stürme können riesige Flächen vernichten, ebenso wie Brände oder der Borkenkäfer. Weil die Risiken so erheblich sind, ist es ratsam, sich an verschiedenen Plätzen zu engagieren. Aber dass die Holzpreise einbrechen, wie zuletzt geschehen nach dem Jahrhundertorkan „Kyrill“ 2007, „das ist für Menschen, die mit der Natur arbeiten, nicht so überraschend wie für die Finanzmärkte“. Er denkt einfach in längeren Zeitabständen und fügt als guter Katholik hinzu: „Man wird demütiger.“
„Muss man eigentlich adlig sein, um bei Ihnen einzusteigen?“, wird Prinz Michael häufiger gefragt. Ganz so abwegig ist die Frage nicht. Die sechs Gesellschafter von „Salm Boscor“ sind ausnahmslos Blaublüter in Vater-Sohn-Konstellation. Das habe sich einfach so ergeben, Dünkel kenne er nicht. „Wer mir sein Geld anvertraut, dem sage ich, ich möchte in wirtschaftlicher Hinsicht genauso behandelt werden wie ein fremder Dritter. Wenn ihm etwas nicht passt, dann muss er mir das sagen.“

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So hält er es auch in seiner Vermögensberatung, die sich ausschließlich mit Wandelanleihen befasst, fest verzinslichen Wertpapieren, die der Anleger innerhalb einer bestimmten Frist in Aktien umtauschen kann. Über dieses Anlageinstrument kann zu Salm zweistündige Vorträge halten, das Wichtigste aber auch in einem Satz zusammenfassen: „Weil die Wandelanleihe mehrere Variablen hat, ist sie ein bisschen komplizierter als normale Anlagen. Der Vorteil ist, dass sie stärker steigen als fallen kann.“

120 D-Mark hatte sich Prinz Michael als 15-Jähriger verdient mit Schufterei im Weinberg. „Was muss ich tun, um reich zu werden, ohne zu arbeiten?“, fragte er die Mutter? Sie schlug vier Möglichkeiten vor, fügte jedoch gleich hinzu, drei davon kämen für ihren Sohn nicht infrage: Reich heiraten – zu jung. Klauen – verboten. Lotto – chancenlos. Blieb Alternative Nummer vier: Kauf eine Aktie! Der Junge entschloss sich für Thyssen, die genau bei 120 D-Mark stand. Monate später ging sein Mofa zu Bruch – er musste seinen Thyssen-Anteil zum Kurs von 80 D-Mark verkaufen, profitierte allerdings vom Lern­effekt für künftige Anlageentscheidungen: Nie alle Eier in einen Korb legen, und immer darauf achten, liquide zu bleiben. Die Anekdote zählt zum Salm’schen Standardrepertoire, sie gefällt aber immer wieder, vor allem dem Erzähler.

Die Großeltern zu Salm, Prinz Michael und seine Frau Philippa, zwei der sechs Kinder sowie Enkelkinder leben in Schloss Wallhausen bei Bad Kreuznach unter einem Dach, ein echtes Mehrgenerationenprojekt. Constantin, der älteste Sohn, ist geschäftsführender Gesellschafter in der Vermögensverwaltung, Felix, der Zweite, kümmert sich als studierter Önologe um das ökologisch betriebene Weingut, das „älteste deutsche in Familienbesitz“, wie stolz vermerkt wird. Gleich hinter der grob geschichteten Mauer aus grünem Schiefer führt das wappengeschmückte Tor in den Innenhof, mit Kelterhaus, Weinkeller, Gewölbesaal, einiges davon aus dem 16., anderes aus dem 17.Jahrhundert. Oben am langen Esstisch versammelt sich die Familie, häufig kommen Gäste, und niemanden stört, dass unter dem Bild des Ahnen Karl Theodor von Dalberg, Kurfürst und Reichserzkanzler, die Legosteine liegen geblieben sind.

Als Prinz Michaels Vater nach dem Zweiten Weltkrieg von den böhmisch-mährischen Besitzungen der Familie vertrieben worden war, hatte er sich nach Wallhausen gerettet, das bis dato nur als Sommerfrische diente – zu klein, um davon eine große Familie zu ernähren. So bezeichnete sich Vater Franz-Karl hochwohlgeboren auch zeit seines Lebens als „Flüchtling“. Gemessen an dem, was die Familie im Osten verloren hatte, war das, was sie im Westen behielt, eben nichts als ein Trostpflaster. Längst ist die Erinnerung an Enteignung verblasst.
Man hält es zusammen auf Wallhausen. Und man hält zusammen. Als nach dem Gewitter Sirenen aufheulen und die Feuerwehr ausrückt, um Keller leer zu pumpen drüben im Dorf, unterbricht Prinz Michael das Gespräch, um den verängstigten Enkel zu trösten, zwei Jahre alt. „Das geht gleich vorbei. Ist nicht schlimm.“ Umgehend beruhigt sich das Kind, und Großpapa kann endlich seinen Riesling Grünschiefer trocken einschenken.

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