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(picture alliance) Zankapfel Leopard 2: Ist der Verkauf an ein islamistisches Regime legitim?

Kampfpanzer nach Saudi-Arabien - Das Schweigen der Waffenexporteure

Saudi-Arabien möchte gerne Leopard-2-Panzer kaufen. Der Westen sieht im Golfstaat einen Stabilisator für die Region, dabei handelt es sich laut Experten um eines der autoritärsten Regime weltweit. Die Panzerlieferung aus Deutschland ist umstritten - die Beteiligten schweigen.

Die Leuchttafel im Plenarsaal des Berliner Reichstagsgebäudes zeigt den letzten Tagesordnungspunkt an diesem Mittwoch, dem 6. Juli 2011: Die 119. Sitzung des Deutschen Bundestages endet mit dem Zusatzpunkt 3, Aktuelle Stunde, beantragt von der Opposition. Abgeordnete von SPD, Grüne und Linkspartei attackieren die Regierung vom Rednerpult aus – und mit Zwischenrufen. Politische Schwergewichte wie Sigmar Gabriel, Chef der SPD, Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender der Grünen, und sein Kollege von der Linkspartei, Gregor Gysi, ergreifen das Wort. Viele der blauen Sessel der Regierungsbank bleiben leer.

Eine kleine Meldung im Nachrichtenmagazin Spiegel, insgesamt nur 1308 Zeichen lang, hatte große Empörung hervorgerufen. Sie beginnt mit den beiden Sätzen: „Deutschland ist bereit, moderne ‚Leopard‘-Kampfpanzer an Saudi-Arabien zu liefern. Damit ändert die Bundesregierung eine jahrzehntealte Linie, dem autoritär geführten Königreich keine schweren Waffen zu liefern.“

Dem Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Hans-Joachim Otto fiel die undankbare Aufgabe zu, sich in der Fragestunde des Parlaments ins Ungefähre zu flüchten. Er weigerte sich, das Rüstungsgeschäft mit Riad zu bestätigen, wollte es aber auch nicht dementieren. Otto berief sich auf Geheimhaltungsinteressen der Bundesregierung, die das Parlament lediglich nachträglich im jährlich vorzulegenden Rüstungsexportbericht über erteilte Genehmigungen zu Waffenausfuhren unterrichten müsse.

Bei der Panzerlieferung geht es um das wirtschaftliche Interesse der Rüstungsindustrie, nicht um außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesregierung. Zwischen 1,7 und 3 Milliarden Euro könnten der Generalunternehmer des Leopard 2A7+, Krauss-Maffei Wegmann, und die zahlreichen Zulieferbetriebe gemeinsam verdienen. Abgeordnete der Unionsbundestagsfraktion äußern ihren Unmut jedoch lediglich in Hintergrundgesprächen, Namen dürfen nicht genannt werden. Niemand will bei Kanzlerin Merkel oder Union-Fraktionschef Volker Kauder durch Illoyalität auffallen.

Wenn demokratische Proteste durch Diktaturen niedergeschlagen wurden, wie auf dem Tiananmen-Platz in Peking 1989, beim Prager Frühling 1968, beim Arbeiteraufstand in der DDR 1953 und in Polen 1970, dann rollten stets auch Panzer gegen den Widerstand an. Das Foto eines Chinesen, der sich vor dem Platz des Himmlischen Friedens ganz allein einer Panzerkolonne in den Weg stellte, ging um die Welt. Das Magazin Time kürte ihn zu den 100 einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts.

Saudi-Arabien hatte in der Vergangenheit mehrfach vergeblich in Berlin nach deutschen Kampfpanzern angefragt. Keine Bundesregierung war bereit, den Saudis schwere Waffen zu liefern. Helmut Schmidt erfüllte den Wunsch Saudi-Arabiens nach Leoparden ebenso wenig wie sein Nachfolger Helmut Kohl.

Warum das zweite Kabinett Merkel nun einer Voranfrage für den Export der Leoparden zugestimmt hat, verrät die Regierung nicht – auch den Fachausschüssen des Bundestages nicht. Regierungschefin und Bundesminister verstecken sich hinter dem Bundessicherheitsrat, der stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter höchster Geheimhaltungsstufe tage. Dessen Entscheidungen dürften nicht publik gemacht werden. Zudem gebe es berechtigte Geheimhaltungsinteressen der Hersteller.

Seite 2: Auch Krauss-Maffei Wegmann schweigt

Wie die Bundesregierung schweigt auch der Generalunternehmer Krauss-Maffei Wegmann zum Deal mit Saudi-Arabien. Das Unternehmen hat kein Interesse, dass Details an die Öffentlichkeit gelangen. „Fakt ist zum einen, dass das Interesse Saudi-Arabiens am Leopard nicht erst seit diesem Sommer bekannt ist, sondern schon seit sehr vielen Jahren. Das ist eigentlich keine Neuigkeit“, sagt Unternehmenssprecher Christoph Müller ungewohnt offen im Deutschlandfunk. „Fakt ist aber auch, dass wir bei KMW keinen Vertrag für die Lieferung von Leoparden nach Saudi-Arabien besitzen. Aber es ist mit Sicherheit eine Diskussion gewesen, die eine ausgesprochen hohe Aufmerksamkeit und auch Medienaufmerksamkeit über die vergangenen Wochen und Monate besessen hat. Wir haben große Sorge, dass das Thema in der Unternehmensbetrachtung sehr verkürzt dargestellt wird.“ Müller weiß genau: Saudi-Arabien gehört zu den heikelsten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Öffentlichkeit schadet dem Geschäft. Diskretion sei wichtig, heißt es bei KMW. In Riad haben Verantwortliche hingegen keine Hemmungen, über das Thema zu sprechen.

Bei einem Staatsbesuch von Außenminister Westerwelle in Saudi-Arabien im März 2012 spricht sein Kollege Prinz Saud al-Feisal ganz offen über den Wunsch seines Landes, in Deutschland Rüstungsgüter zu kaufen. Von Journalisten nach dem Panzer-Deal gefragt, sagt der Prinz: „Deutschland ist eines der Länder, mit denen wir gerne zusammenarbeiten würden in diesem Bereich.“ So berichtet es die Nachrichtenagentur Reuters. „Das Zögern kommt eher von der deutschen als von der arabischen Seite.“

Die Bundesregierung scheint die innenpolitischen Folgen des Panzerdeals und die Auswirkungen des Arabischen Frühlings unterschätzt zu haben. Wie die Opposition zu recht kritisiert, wirkt es bizarr, wenn Außen- und Entwicklungsminister gemeinsam in Kairo den Tahir-Platz besuchen und den Mubarak-Gegnern zu ihrem erfolgreichen Kampf für Demokratie gratulieren, gleichzeitig aber den Panzerexport an eine der schlimmsten Diktaturen in der Region genehmigen. Abgeordnete der Union sehen darin keinen Widerspruch. „Die Verhältnisse in Ägypten, Libyen, Tunesien und Syrien – die sich bereits stark voneinander unterscheiden – sind nicht einfach auf Saudi-Arabien zu übertragen“, stellt der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl (CSU) fest. „Es ist nicht erkennbar, dass es dort zu einer vergleichbaren Polarität zwischen der Regierung und einer unzufriedenen außerparlamentarischen Opposition kommt. Auch ist nicht absehbar, dass dort der Einsatz militärischer Mittel gegen Zivilpersonen droht. Wer dies jetzt einfach behauptet, ist offenbar von Katastrophensehnsucht geleitet.“

Was die Befürworter des Rüstungsgeschäftes gerne vergessen zu erwähnen: Saudische Soldaten sind mit Panzern bereits gegen den Arabischen Frühling vorgegangen. Auf Bitten des Herrschers von Bahrain marschierten saudische Soldaten im Nachbarland ein und halfen bei der Niederschlagung von Protesten. Die Bilder der Fahrzeugkolonne mit Soldaten an Maschinengewehren gingen um die Welt.

Mit dem Unterdrücken von Gegnern hat das Regime in Riad jahrelange Erfahrung. Saudi-Arabien ist mit 28,5 Millionen Einwohnern einer der bevölkerungsreichsten Staaten am Arabischen Golf und von der Fläche her das größte Land. Es weist unter allen arabischen Staaten das wohl repressivste Regime auf.

Die deutlichsten Worte zur Lage in Saudi-Arabien findet das Auswärtige Amt im 9. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung: „Die Todesstrafe wurde 2008 mindestens 102 mal und 2009 mindestens 69 mal vollstreckt, Körperstrafen wie z.B. das Auspeitschen werden regelmäßig vollzogen, Dissidenten werden inhaftiert, Geständnisse erzwungen, Frauen werden wesentliche Menschenrechte vorenthalten, minderjährige Mädchen zwangsverheiratet, freie Meinungsäußerung ist nur teilweise möglich, die Religionsausübung für nicht-muslimische Religionen verboten, die schiitische Minderheit im Osten des Landes wird diskriminiert, und ausländische Arbeitnehmer sind weitgehend rechtlos.“

Das erdölreiche Königreich gilt aus deutscher Sicht aber nicht nur wegen der Menschenrechtssituation seit Jahrzehnten als schwieriger Partner. Auch die Beziehung zu Israel gibt deutschen Politikern Anlass zur Sorge. Bis heute haben beide Staaten keinen Friedensvertrag unterzeichnet. Im Sechstagekrieg (1967) und im Jom-Kippur-Krieg (1973) unterstützte Saudi-Arabien die Gegner Israels. Mittlerweile eint beide Staaten zwar der gemeinsame Feind Iran, Riad gilt aber weiterhin als finanzieller Förderer von Israel feindlich gesinnten Gruppen. Da Ägypten nach der Revolution jedoch eine deutlich kritischere Haltung zu Israel eingenommen hat, hoffen die Regierungen in Washington und Berlin, dass Saudi-Arabien nun hinter den Kulissen der Diplomatie Israels bei Verhandlungen mit anderen arabischen Staaten helfen könne. Bundestagsabgeordnete der Union weisen darauf hin, dass Israel dem Panzergeschäft mit Riad zugestimmt habe. Zum Ausgleich dafür erhalte die Regierung in Tel Aviv deutsche U-Boote geliefert. Offen betonen Sprecher des Auswärtigen Amtes und Parlamentarier der Regierungsparteien immer wieder, dass Saudi-Arabien ein Stabilitätsanker am Golf sei. Das ist leicht gesagt und schwer bewiesen.

Seite 3: Jahrzehntelang haben die Saudis den Terror unterstützt

Mit Waffenlieferungen an vermeintliche „Stabilitätsanker“ hat die Bundesrepublik in der Vergangenheit zudem schlechte Erfahrung gemacht. Auch Persien unter dem Schah wurde als Stabilisator und Freund des Westens bezeichnet. Der Iran bezog Rüstungsgüter im großen Stil aus den Vereinigten Staaten und auch aus Deutschland. Das Land war unter anderem einer der größten Abnehmer des amerikanischen Phantom-Jets. 225 Stück erhielt der Iran. Nach dem Sturz des Schahs setzte das neue Regime den Jet im Krieg gegen den Irak ein. In Deutschland kaufte der Schah unter anderem eine Waffenfabrik, in der das Sturmgewehr G3 von Heckler & Koch hergestellt wird. Auch nach dem Sturz des Schahs lief die Produktion weiter, und daran soll sich nach Einschätzung von Experten bis heute nichts geändert haben. Nun vermuten Abgeordnete, Saudi-Arabien solle gegen den Iran aufgerüstet werden.

Die Regierung in Riad sei zudem ein für Deutschland wichtiger Partner im arabischen Raum, insbesondere bei der Bekämpfung des Terrorismus, schreibt die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen: „Die terroristische Bedrohung der Luftsicherheit Ende Oktober 2010 (Sprengstoff in Luftfracht) und die Bewältigung dieses Anlasses unterstreichen die Bedeutung der engen Kooperation im Sicherheitsbereich mit dem Königreich Saudi-Arabien.“

Auch die FDP nennt in einer Argumentationshilfe für Parlamentarier, welche die Fraktion nach der Kritik am Panzerdeal erstellen ließ, als einen guten Grund für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, dass die Saudis ein „wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus“ seien.

Unerwähnt bleibt, dass Saudi-Arabien über Jahrzehnte den Terror unterstützt hat. 15 der 19 mutmaßlichen Flugzeugentführer vom 11. September 2001 waren saudische Staatsbürger – ebenso wie Osama bin Laden, Gründer des Terrornetzwerks al-Qaida. Saudi-Arabien gehörte neben Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu den einzigen Ländern, die das Taliban-Regime in Afghanistan diplomatisch anerkannten. Das Regime in Riad lieferte zudem Waffen an die Taliban. Stiftungen in Saudi-Arabien sollen al-Qaida jahrelang finanziert haben, selbst saudische Regierungsmitglieder stehen im Verdacht, die Terrororganisation Bin Ladens mit Geld versorgt zu haben.

All das scheint vergessen zu sein, denn heute wird Saudi-Arabien gebraucht, um ein Gegengewicht zum Iran zu bilden. Für einen Krieg gegen den Iran könnte Saudi-Arabien die schweren deutschen Panzer jedoch nicht gebrauchen: Das Königreich hat keine gemeinsame Grenze mit dem schiitischen Staat. Die Saudis scheint auch nicht zu stören, dass rund 300 Kampfpanzer amerikanischer Hersteller bereits eingemottet in Depots stehen. Dem saudischen Heer fehlen qualifizierte Soldaten, die Panzer ins Gefecht führen könnten. Dennoch will das Land in Deutschland weitere 270 Panzer kaufen.

Den ersten Wüstentest hat der Leopard 2 A7+ bereits bestanden. In den Vereinigten Arabischen Emiraten erprobte KMW im Sommer 2011 die neueste Version des Kampfpanzers. Bei der Informations-Lehrübung in Munster hatte die Bundeswehr 2010 bereits gezeigt, was der Leopard 2A7+ alles kann: Mit seinem Räumschild rammte er eine Barrikade aus dem Weg, während ein Maschinengewehr einige Demonstranten in Schach hielt, die von Soldaten gespielt wurden. Der Film ist heute noch im Videoportal Youtube zu finden. Weder die Befürworter des Panzerdeals innerhalb der Regierungsparteien noch das Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann begeistert das Übungsszenario in Munster: Beide beteuern, dass der Leopard 2A7+ sich nicht zum Einsatz gegen Demonstranten eignet. Das Video von der Lehrübung zeigt, dass dies nicht stimmt.

Dieser Text ist ein Vorabdruck aus dem Buch „Bombengeschäfte - Tod made in Germany" (Residenz Verlag, 240 Seiten, Hardcover) von Hauke Friedrichs, das Anfang September erscheint.
 

Lesen Sie zu diesem Thema auch in der Septemberausgabe des Magazins Cicero: "Streit beim Panzerbauer, die KMW-Eignerfamilien liegen im Zwist - Ein Blick hinter die Kulissen". Jetzt am Kiosk oder in unserem Online-Shop.

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