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CDU-Europapolitiker Seif: - Nicht sieben, sondern 30 Milliarden für Griechenland

Griechenland und die internationalen Geldgeber streiten um die Auszahlung der letzten Tranche aus dem Euro-Rettungsprogramm. Die Summe ist viermal so hoch wie oft berichtet, warnt CDU-Politiker Seif. Er appelliert an die Hellenen, sich helfen zu lassen

Autoreninfo

Detlef Seif ist Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im EU-Ausschuss des Deutschen Bundestages.

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EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis weist zu Recht darauf hin, dass die Zeit für Griechenland abläuft. Niemand weiß genau, wie es um die Finanzen von Hellas tatsächlich bestellt ist. Eines ist aber klar: Die Anzeichen dafür, dass Griechenland kurz vor dem Staatsbankrott steht, werden immer deutlicher.

Seit Beginn des Jahres sind die Bareinlagen der griechischen Banken von über 160 Milliarden Euro auf rund 125 Milliarden Euro geschrumpft, Tendenz weiter sinkend. Die Liquidität der Banken kann überhaupt nur noch durch die sogenannte ELA-Nothilfe, derzeit im Volumen von über 80 Milliarden Euro, aufrechterhalten werden. Bei Berücksichtigung der zweifelhaften Solvenz der griechischen Banken und der unzureichenden Besicherung durch wertlose griechische Staatsanleihen handelt es sich bereits jetzt um ein grenzwertiges Unterfangen der EZB in Richtung einer unzulässigen Staatenfinanzierung.

Keine Gesamtlösung in Sicht


Die griechische Regierung zapft die Notreserven der Kommunen und der gesetzlichen Versicherungen an. Verbindlichkeiten bei Lieferanten und Dienstleistern des Staates werden nur noch teilweise erfüllt. Die jüngste Darlehenszahlung an den IWF konnte nur durch einen Buchungstrick sichergestellt werden, indem von einem IWF-Sonderkonto, das für Notfälle eingerichtet ist, ein Betrag von 500 Millionen Euro umgebucht wurde.

Eine Gesamtlösung mit Griechenland scheint nicht in Sicht. Ist es bei dieser angespannten Lage nicht vernünftig, wenn entsprechend des angeblichen Vorschlags eines hochrangigen Beamten der Euro-Gruppe Finanzhilfen von knapp vier Milliarden Euro freigegeben werden und die griechische Regierung sich im Gegenzug verpflichtet, das laufende Rettungsprogramm teilweise zu erfüllen?

Ganz eindeutig: Nein! Ein derartiges Verfahren würde Griechenland nicht wirklich helfen und das Problem nur in die Zukunft verschieben. Wie bei den anderen Programmländern sind auch bei Griechenland die beiden Anpassungsprogramme als Darlehen angelegt, die rückzahlbar sind.

Vertragsbedingungen, die neben dem eigentlichen Kreditvertrag vereinbart werden (Memorandum of Understanding), müssen den Schluss auf die Schuldentragfähigkeit zulassen. Einen derartigen Schluss konnte die Troika bisher, wenn auch bei optimistischer Zugrundelegung einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland, ziehen. Im vergangenen Jahr konnte immerhin ein Wirtschaftswachstum in Höhe von einem Prozent und ein Primärüberschuss von 0,4 Prozent erzielt werden.

Auch, wenn bereits bei der Vorgängerregierung die Reformen stockten und die Schuldentragfähigkeit zuletzt fraglich war, hat die Syriza/Anel-Regierung die Ausgangssituation für Griechenland nochmals deutlich verschlechtert. Die Wiedereinstellung von bis zu 14.000 entlassenen Staatsbediensteten wurde angekündigt. Die Steuerschulden von rund 6.500 Steuerschuldnern im Gesamtvolumen von über 60 Milliarden Euro wurden gestundet. Entgegen vollmundiger Ankündigungen stockt der Kampf gegen Korruption und Schattenwirtschaft. Alleine hier liegt ein jährlich nicht realisierter Steuerbetrag von rund 20 Milliarden Euro.

Während Alexis Tsipras und seine Regierung nur zu Teillösungen bereit sind, ist zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit eine Gesamtlösung erforderlich. Diese schließt Nachbesserungen im materiellen Steuerrecht (Mehrwertsteuer) genauso ein, wie eine Modernisierung des Arbeitsmarktes, eine Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes und eine Reform des Rentensystems. Eine auf Effizienz und gegen Korruption gerichtete Verwaltungsreform ist durchzuführen, Steuererhebung und Steuereinzug sind zu intensivieren.

Europa darf die Regeln nicht aufweichen


Stattdessen wurden auch hier Rückschritte eingeleitet. Die Task Force der Europäischen Union, die technische Hilfe beim Ausbau der Verwaltung geben konnte, arbeitet nicht mehr vor Ort. Angebotene Unterstützungsleistungen, z.B. das Angebot Deutschlands, Steuerbeamte zur Verfügung zu stellen, wurden nur zu einem unbeachtlichen Bruchteil angenommen.

Bei der aktuellen Entwicklung wäre eine weitere Auszahlung an Griechenland bei lediglich teilweiser Erfüllung der Auflagen erkennbar als verlorener Zuschuss ausgestaltet. Die Grenze zur verbotenen Übernahme von Schulden eines Mitgliedsstaates durch einen anderen Mitgliedsstaat (Bail-out) würde überschritten.

Was Europa jetzt braucht, ist keine Aufweichung von Regeln, sondern ein verbessertes Regelwerk. Griechenland hat es in der Hand, durch eine umfassende Vereinbarung, die die Schuldentragfähigkeit sicherstellt, in den Genuss der noch offenstehenden Mittel aus dem zweiten Anpassungsprogramm zu kommen. Dabei handelt es sich nicht lediglich um einen Betrag von 7,2 Milliarden Euro, wie oftmals berichtet, sondern um ein Gesamtvolumen von über 30 Milliarden Euro:

1,8 Milliarden Euro letzte Tranche aus der EFSF,

1,9 Milliarden Euro Überschuss aus dem EZB-Anleiheprogramm SMP,

16,9 Milliarden Euro des IWF, davon zunächst eine Tranche von 3,5 Milliarden Euro und rund

10,9 Milliarden Euro bislang noch nicht abgerufene Mittel des EFSF, zurzeit zweckgebunden für die Bankenrekapitalisierung.

Die griechische Regierung muss das eindeutige Signal senden, dass eine Gesamtlösung auch unter der Einbeziehung der bisher ausgeschlossenen Felder angestrebt wird. Dann wäre durchaus eine weitere technische Verlängerung des zweiten Anpassungsprogramms um zwei bis drei Monate möglich, ohne dass hiermit eine Auszahlung verbunden wäre. Der IWF könnte gegebenenfalls die fälligen Raten zur Darlehensrückzahlung um einige Wochen stunden.

Die Griechen müssen erkennen, dass in der Europäischen Union keine Bereitschaft besteht, eine Transferunion zu gründen. Alleine Griechenland hat es in der Hand, ob die Voraussetzungen für weitere Hilfen erfüllt werden oder das Land den harten und steinigen Weg über den „Pariser Club“ gehen muss, der für bankrotte Staaten vorgesehen ist.

Griechen, lasst Euch helfen!

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