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(picture alliance) Börsenpanik

Börsenpanik - Welchen Anteil hat die Politik an den Kursabstürzen?

Die Angst geht um. Es ist die Angst, dass die Politik es nicht schafft, die Schuldenkrise in Europa und in den USA in den Griff zu kriegen. Jetzt scheint es, als ergreife die Angst der abstürzenden Börsen auch die Politik.

 

Die Angst geht um. Es ist die Angst, dass die Politik es nicht schafft, die Schuldenkrise in Europa und in den USA in den Griff zu kriegen. Jetzt scheint es, als ergreife die Angst der abstürzenden Börsen auch die Politik. Zunächst preschte José Manuel Barroso, der EU-Kommissionspräsident, vor und sagte, der Krisenfonds EFSF müsse aufgestockt werden. Schlechte Botschaften kamen fast parallel auch aus Italien. Eine Rede von Regierungschef Silvio Berlusconi, mit der er die Märkte beruhigen wollte, wurde von eben diesen Märkten negativ bewertet und bewirkte das Gegenteil. Außerdem kam es in Italien zu Razzien gegen Ratingagenturen. Und am Donnerstag kündigt Frankreichs Präsident Sarkozy schließlich an, mit Bundeskanzlerin Merkel und Spaniens Regierungschef Zapatero telefonieren zu wollen.

Wegen der Krise – als hätte es nicht vor zwei Wochen erst einen Schuldengipfel gegeben.

Warum können die europäischen Spitzenpolitiker die Märkte nicht beruhigen?

Eigentlich schien sich die Situation zu bessern – es gab den europäischen Schuldengipfel vor zwei Wochen und Anfang dieser Woche den Schuldenkompromiss in den USA. Politiker in Europa und Amerika zeigten sich gewiss, dass ihre Entscheidungen und Verabredungen den Finanzmarktteilnehmern zumindest ein Zeichen gegeben haben. Ein Zeichen des beherzten Willens, die große Überschuldung ihrer Staaten abzubauen.

Aber seit Donnerstag strahlen die Spitzenpolitiker wieder Nervosität aus, senden rätselhafte und widersprüchliche Botschaften. Wenn die Politik aber den Eindruck vermittelt, sie habe die Lage nicht im Griff, dann verunsichert das die Märkte. Es ist in gewisser Weise sogar bemerkenswert, dass sich die Märkte am Freitag trotz der verunsichernden Zeichen aus der Politik selbst eine gewisse Beruhigung verschafften, indem sie die Lage nach den US-Arbeitsmarktdaten zumindest kurzfristig neu bewerteten.

Welche Rolle spielt EU-Kommissionspräsident Barroso?

Als die Meldungen über den Brandbrief des Kommissionspräsidenten Barroso am Donnerstag die Bundesregierung erreichten, war die Aufregung groß. Zwar hatte man den Wortlaut seines Briefes mit der herben Kritik an den EU-Ratsbeschlüssen vom 21. Juli bereits zur Kenntnis genommen. Schließlich war der Brief ja an die Regierungschefs adressiert und hatte mithin auch das Büro der urlaubenden Kanzlerin Angela Merkel erreicht. Gleichwohl herrschte Ratlosigkeit darüber, welche Motive Barroso dazu bewegt hatten, seine Kritik nicht nur intern zu äußern, sondern gleichzeitig auch noch in aller Öffentlichkeit. Schließlich war allen klar: Die Finanzmarktteilnehmer würden nach Barrosos Brief sofort wieder nervös ob der neuen Verstimmung im Lager der EU-Politiker über den rechten Weg zur Rettung des Euro. Sofort ließ Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seinen Sprecher erklären, „es ist nicht zu erkennen, inwieweit eine Neueröffnung der Debatte nur zwei Wochen nach dem Gipfel zu einer Beruhigung der Märkte beitragen soll“. Außerdem riet Schäuble, nun zunächst die Beschlüsse vom Juli umzusetzen, statt „ wieder Fragen aufzuwerfen, die am 21. Juli bereits beantwortet wurden“, womit er insbesondere Barrosos Forderung nach einer Erweiterung des bestehenden Rettungsfonds über die 440 Milliarden Euro hinaus meinte.

Nun mag man das Kopfschütteln in den Regierungszentralen über Barrosos Art des Umganges mit den offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und den EU-Regierungschefs hinsichtlich des rechten Wegs zur Euro-Rettung verstehen können. Schließlich hätte es eine zunächst interne Auseinandersetzung wohl auch getan. In der Sache allerdings legt der Vorgang offen, wie tief die unterschiedlichen Sichtweisen in der Europäischen Politik gespalten sind. Denn während die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder sich gegen eine finanzielle Ausweitung des Rettungsschirms ausgesprochen haben (weil sie innenpolitische Gegenwehr und zudem befürchteten, dass die Märkte eine Aufstockung als Signal dafür auffassen würden, dass neue Wackelkandidaten in der EU rasch Geld brauchen), erhielt Barroso – der offensichtlich das Gegenteil will – Unterstützung von seinem Währungskommissar Olli Rehn. Rehn sagte am Freitag, die Ausweitung des Europäischen Stabilitäts- und Rettungsfonds (EFSF) gehöre seit langem zu den Forderungen der EU-Kommission. Um „effektiv und glaubwürdig“ zu bleiben, müsse der EFSF regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Den erwartungsgemäß aufkeimenden Sorgen, Barroso habe den Brief nur geschrieben, weil Spanien und Italien offenbar schnell Geld brauchen, widersprach Rehn dann aber. Die Wirtschaftslage in beiden Ländern rechtfertige derartige Befürchtungen der Finanzmärkte nicht.

Neben den grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten in der EU-Spitze, die jetzt erneut offen zutage getreten sind, gibt es in Brüssel aber auch noch ganz andere Spekulationen. So sagt Wolf Klinz (FDP), Vorsitzender des Sonderausschusses Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise des Europäischen Parlaments, Barroso sehe sich zwar selbst auf Augenhöhe mit den Staats- und Regierungschefs, diese sähen dies aber offenbar anders. Sie fühlten sich der Kommission übergeordnet. Hat Barroso den Brief also am Ende aus gekränkter Eitelkeit an die Medien gegeben, weil er selbst eine gewichtigere Rolle spielen will?

Eine weitere Ursache für die plötzlichen Überreaktionen der Märkte könnte jedoch auch eine Verkettung von zwei Ereignissen sein: Nur kurz vor dem Bekanntwerden des Barroso-Briefes hatte der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, am Mittwoch eingeräumt, die EZB werde erneut Staatsanleihen von schwächeren Euro-Ländern aufkaufen. Für Skeptiker und Pessimisten an den Märkten musste das wie ein sicheres Zeichen für eine nahende Staatskrisensituation etwa in Spanien oder Italien aussehen. Schließlich hatte die Bank bei vergangenen Ankäufen selbst ausgesagt, nur ausnahmsweise zu diesem Mittel greifen zu wollen.

Wie reagiert Deutschland auf die Krise?

Im Kern geht es im Streit zwischen Barroso und vor allem den Deutschen um die Frage, wie weit sich die Euro-Länder in Zukunft finanziell (und damit politisch und wirtschaftlich) aufeinander zubewegen. Eine Ausweitung des EFSF wäre eine Vorstufe zur Einführung von gemeinsamen Euro-Anleihen, den Euro-Bonds. Das wäre wiederum der Auftakt einer Finanz-, Haushalts- und Schuldenunion, in der jeder für den anderen eintritt. Dies befürchtend, haben Unions- und auch FDP-Politiker in Deutschland am Freitag schon mal vorsorglich von einer „roten Linie“ gesprochen und ihren Widerstand im Parlament angekündigt, sollte sich Barroso durchsetzen.

 

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