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(picture alliance) Mathias Döpfner sitzt bei Springer fester im Sattel denn je.

Mathias Döpfner - Auf Springers Spuren

Seit zehn Jahren ist Mathias Döpfner Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG. Sich selbst bezeichnet er als "Radikalen der Mitte" und möchte das Unternehmen zurück zu den Wurzeln Axel Springers führen

Es empfiehlt sich, Mathias Döpfners Büro mit weniger Schwung zu betreten. Früher war die Linkskurve zum Besprechungstisch nicht so eng. Das Büro des Springer-Vorstandsvorsitzenden ist um eine Fensterachse geschrumpft. Im Gegensatz zu den beiden Sekretärinnen habe er den Platz nicht gebraucht, sagt Döpfner. Wer den Status hat, kann auf Symbolik verzichten. Kürzlich hat der Aufsichtsrat Döpfners Vertrag erneut verlängert.

Seit genau zehn Jahren ist Döpfner Vorstandschef des von Axel Cäsar Springer gegründeten Verlags. Der Eindruck, sein Führungsstil wirke neuerdings präsidialer, rühre daher, dass er an Souveränität gewonnen habe, sagt er selbst. Solche Fehler wie damals, als er als 36jähriger Chefredakteur der Hamburger Morgenpost gleich in der ersten Woche alle, die ihm nicht genehm waren, vor die Tür gesetzt hat, würden ihm heute nicht mehr passieren. Ein Zeichen von Schwäche sei das gewesen, sagt der 49-Jährige. Er hat gut reden, hat er doch inzwischen lauter Ergebene um sich.

Es gab 2002 keinen Anlass anzunehmen, dass es ein Ende hat mit den Führungskrisen bei Springer, nur weil da ein im Scheitern erfahrener, nicht einmal 38-jähriger Musikwissenschaftler an die Spitze des Konzerns rückte. Bei der Berliner Wochenpost und der Hamburger Morgenpost hatte Döpfner Scherben hinterlassen, bei der Welt hat er das Geld mit beiden Händen ausgegeben. Und es ging ja auch gleich gut los.

Döpfner erschrickt bei der Frage nach jenen zwei Wochen, in denen er im Sommer 2002 geflohen ist, weg aus dem Büro, weg von Springer, ab nach Sylt. Kaum einer wusste, wo er steckte. Auch jetzt ist er nicht sicher, ob er das tatsächlich schon einmal erzählt hat. Aber es stimmt, sagt er. Bis heute habe kein Journalist gemerkt, dass er damals bei der Telefonkonferenz zur Halbjahresbilanz aus der Ferne zugeschaltet war. Döpfner wählt das Bild von einem Taifun, in dessen Auge er sich begeben habe, dorthin, wo es ganz still ist und er allein und konzentriert arbeiten konnte.

Sein Vorgänger hatte ihm 198 Millionen Euro Verluste hinterlassen, zu dem das später verkaufte Buchgeschäft und die Millionen-Investitionen in die hochdefizitäre Tageszeitung Die Welt maßgeblich beigetragen haben. Brisanter als der Sparkurs, der zur Zusammenlegung der Redaktionen von Welt und Berliner Morgenpost geführt hat, war aber der Kampf gegen Leo Kirch. Döpfner war 29 Tage im Amt, als er die vor seiner Zeit vertraglich festgelegte Option nutzte, von dem kurz vor der Pleite stehenden Kirch 767 Millionen für Springers 11,5 Prozent am TVKonzern ProSiebenSat.1 zu verlangen. Die völlig überzogene Summe war lange zuvor vereinbart worden. Bald darauf wollte die Essener WAZGruppe Kirchs 40Prozent-Anteil an Springer kaufen. Eine feindliche Übernahme drohte.

In dieser Situation hätte Friede Springer die Nerven verlieren können. Sie tat es nicht. Eines Abends rief die Verlegerwitwe eine Freundin in Itzehoe an. „Ik ha’t skafet“, sagte die Friesin ins Telefon. Sie hatte es geschafft, sie war Leo Kirch los, den Mann, der ihr die Macht hatte streitig machen wollen. Nicht nur das: Nach der Versteigerung von Kirchs Aktienanteil war sie unangefochtene Mehrheitsaktionärin. Döpfner, den sie gegen den Widerstand des Aufsichtsrats zum Vorstandschef gemacht hatte, hat ihr alle vom Leib geschafft, die das ehemalige Kindermädchen ohnehin nicht ernst genommen hatten.

„Die Kraft der Bilder“ steht unter dem Ausstellungsplakat, auf dem ein Glatzenträger mit einer ihn beinahe erwürgenden Schlange kämpft. Es hängt seit Jahren hinter Döpfners Schreibtisch. Erst kürzlich gegenüber der Fensterfront ließ er einen riesigen Davidstern anbringen, ein Werk des deutschen Malers Günther Uecker.
Hatten anfangs alle nur den Schöngeist in Döpfner gesehen, schien es Döpfner in den Folgejahren damit zu übertreiben, sich auch als Teppichhändler zu profilieren. Er erzählt, dass er als Student in Frankfurt nebenbei Wirtschaftsvorlesungen besucht hat: bei Wolfram Engels, überzeugter Marktwirtschaftler, Kolumnist der Wirtschaftswoche – und Enkel Friedrich Engels’, der mit Karl Marx das Kommunistische Manifest verfasst hatte.

In seiner Springer-Antrittsrede vor zehn Jahren legte Döpfner die bis heute geltende Konzernstrategie fest – Profitabilität durch Marktführerschaft im deutschsprachigen Kerngeschäft, Internationalisierung und Digitalisierung – und machte seither bei gleichbleibend 2,9 Milliarden Euro Umsatz aus 198 Millionen Euro Verlust einen operativen Gewinn von mehr als einer halben Milliarde Euro. Und was Friede Springer, aber auch Döpfner mit seinem derzeitigen Aktienanteil von 1,6 Prozent, die er der Mehrheitsaktionärin zu verdanken hat, freuen dürfte: Die Dividendenzahlungen stiegen von 65 Cent auf 4,80 Euro. Die Vorstandsgehälter weist die Axel Springer AG in ihrem Geschäftsbericht nicht individuell aus, aber neben der Dividendenrendite erhält Döpfner laut Medienberichten ein Jahresgehalt von zehn Millionen Euro. Damit gehört der Springer-Chef zu den bestbezahlten Managern der Republik.

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Für 2011 erwartet Springer ein weiteres Rekordjahr, wobei der Löwenanteil des Gewinns von der Bild-Gruppe stammt, die digitalen Werbeerlöse die aus dem Printgeschäft überstiegen haben und knapp 30 Prozent Umsatz im Ausland erwirtschaftet werden.

Aber Döpfner hat, abgesehen von personellen Fehlentscheidungen, die er immer mal wieder aus Begeisterung für skurrile Charaktere trifft, auch ein paar Flops zu vertreten.
Erst klappte es nicht mit der Übernahme von ProSiebenSat.1, dann kostete allein das Desaster um das Postunternehmen Pin unterm Strich knapp 300 Millionen Euro. Er tröstet sich: Misserfolge, solange sie nicht überhandnehmen, bewahrten einen vor der für Manager gefährlichen Eitelkeitsfalle. Er erlebte ja, wie es anderen ergangen ist, die ganz vom eigenen Erfolg ergriffen wurden. Thomas Middelhoff wurde bei Bertelsmann ein halbes Jahr nach Döpfners Amtsantritt geschasst, um bald darauf die Warenhauskette Karstadt in die Insolvenz zu führen. Die Folgen der Middelhoff’schen Hybris beschäftigen Staatsanwälte und das Unternehmen Arcandor noch heute.

Mathias Döpfner sitzt bei Springer dagegen fester im Sattel denn je. Er hat Europas größtem Zeitungshaus seinen Stempel aufgedrückt: angefangen beim neuen Logo über die erweiterten Unternehmensgrundsätze nach Nine Eleven bis hin zur Verlegung des Hauptsitzes und später auch der Bild-Gruppe von Hamburg nach Berlin. Was soll da noch kommen?

Erleichtert, endlich über Künftiges zu reden, sagt Döpfner: „Ich habe das Gefühl, dass ich bisher strukturierende Vorarbeiten geleistet und das Unternehmen zukunftsfähig sortiert habe.“ Jetzt gehe es darum, „Springer zu einem echten multimedialen Haus weiterzuentwickeln und damit seine Existenz als wirtschaftlich erfolgreiches und unabhängiges Unternehmen dauerhaft abzusichern“. Mit dem Jahreswechsel hat er die Zuständigkeit fürs Zeitungsgeschäft im Vorstand abgegeben. Er wolle beweisen, „dass Profi-Journalismus als Geschäftsmodell eine Zukunft hat, weil er etwas bietet, was Technologie- und Infrastrukturunternehmen nicht leisten können“. Und dann redet Döpfner davon, dass künftig „grob gesehen auf drei Journalisten ein IT-Spezialist kommen muss, um das, was technisch möglich ist, journalistisch umzusetzen“. Und dass die Inhalte so attraktiv sein müssten, dass die Leute gern dafür zahlen. Das eine Problem ist: Viel mehr als Bild und Welt hat Springer journalistisch nicht zu bieten. Das andere spricht Döpfner selbst an: Er brauche „vor allem kreative Talente, Autoren, die gern bei Springer arbeiten“.

Er weiß, dass das der heikelste Punkt ist, und kann zumindest verstehen, dass einer, der Springer von innen erlebt hat, zurückzuckt, wenn er behauptet, „es gibt keinen anderen Verlag in Deutschland, in dem die innere Freiheit und Unabhängigkeit so ausgeprägt ist wie bei Springer“. Insofern war es wenig überraschend, dass die unglaublichen telefonischen Interventionen von Bundespräsident Christian Wulff bei den Springer-Granden in der aktuellen Affäre erfolglos bleiben mussten. Döpfner nimmt man Statements zur „inneren Freiheit“ eher ab als Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Der Vorstandsvorsitzende reist schließlich schon länger durchs Land, versucht, die Vergangenheit des konservativen Konzerns aufzuarbeiten, gibt sich selbstkritisch, redet charmant, debattiert intelligent, hört geduldig zu und bringt mit seinen Manieren selbst gestandene Männer aus dem linken Lager in Verzückung.

Die vereinbarte Zeit ist um, als Döpfner sagt, wie gespenstisch es sei, wenn er manchmal Dinge sage und hinterher entdecke, dass Axel Springer etwas sehr Ähnliches auch einmal gesagt hat. Kürzlich etwa habe er in einer Runde gefordert, es müsse eine radikale Bewegung der Mitte geben, um gegen Linke und Rechte nicht stimmlos zu sein. Später habe er einen Ausspruch Axel Springers gefunden: „Ich bin ein Radikaler der Mitte.“ Er wolle da nicht missverstanden werden, sagt Döpfner, aber: „Mir war wichtig, das Unternehmen wieder zu den Wurzeln Axel Springers zurückzuführen.“ Nein, Friede Springer habe ihm das nie gesagt, „aber es kann sein, dass sie das so empfindet“. Man hatte schon so etwas geahnt.

Ulrike Simon ist Autorin der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau. Vorher hat sie zeitweilig bei der Welt gearbeitet

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